Handwerker, Bürger, Bauern, um sich davon zu überzeugen, daß von einer bestimmten Persönlichkeit, welche Gegenstand einer möglichen In- jurie wäre, hier nicht gesprochen werden kann, wie denn auch das Allg. Landrecht ihrer nicht erwähnt."
"Auch Gesellschaften sind entweder juristische Personen, oder sie bestehen aus Einzelnen, deren Ehre individuell verletzt sein kann, ohne daß von einer Verletzung der Ehre der Gesellschaft als solcher die Rede zu sein braucht. Dasselbe gilt von einer Familie, als der Gesammtheit von Blutsverwandten, etwa mit der Begrenzung auf diejenigen, welche denselben Namen führen; die Beleidigungen gegen Ehefrauen und Kinder zu rügen, haben die Ehegatten und Väter die Befugniß, und es ist also nicht abzusehen, wie irgend ein Mitglied der Familie noch, abge- sehen von individueller Beleidigung, befugt sein soll, die Ehre der Fa- milie im Ganzen zu schützen." t)
Es wurde demnach vorgeschlagen, die betreffende Bestimmung so zu fassen:
Revid. Entwurf von 1845. §. 192. "Ehrverletzungen gegen Korporationen und andere juristische Personen können nur auf den An- trag des Vorstandes, und Ehrverletzungen gegen Verstorbene nur auf den Antrag des überlebenden Ehegatten, der ehelichen Blutsverwandten in aufsteigender oder absteigender Linie, der ehelichen Geschwister oder der Erben bestraft werden."
In der Staatsraths-Kommission fand dieser Vorschlag jedoch keinen Anklang. "Man verkannte die theoretischen Gründe nicht, welche für den Vorschlag der Revision sprechen; allein man war der Ansicht, daß die politischen Gründe überwiegend seien, aus denen es bei der bestehenden Gesetzgebung bewenden müsse." u)
Der Entwurf von 1847. §. 201. wiederholte daher im Wesent- lichen die frühere Bestimmung, welche auch in dem vereinigten ständi- schen Ausschuß angenommen ward, obgleich gegen alle einzelnen Vor- schriften erhebliche Bedenken erhoben wurden. v)
In der Kommission der zweiten Kammer, welche die §§. 160-62. als Zusätze zu dem Entwurf von 1850. in Vorschlag gebracht hat, sind jene Vorschriften aber nicht wieder hergestellt worden. Auch die Frage, ob die Beleidigung einer juristischen Person, durch welche nicht zugleich bestimmte Individuen verletzt werden, anzunehmen und mit Strafe zu bedrohen sei, und ob der Vorstand sie von Amts wegen zu rügen habe, ist nicht so unbedingt zu bejahen, wie es in der Revi-
t)Revision von 1845. II. S. 100. 101.
u)Verhandlungen der Staatsrath-Kommission von 1846. S. 107.
v)Verhandlungen. III. S. 601-16.
§§. 160-162. Privatklage.
Handwerker, Bürger, Bauern, um ſich davon zu überzeugen, daß von einer beſtimmten Perſönlichkeit, welche Gegenſtand einer möglichen In- jurie wäre, hier nicht geſprochen werden kann, wie denn auch das Allg. Landrecht ihrer nicht erwähnt.“
„Auch Geſellſchaften ſind entweder juriſtiſche Perſonen, oder ſie beſtehen aus Einzelnen, deren Ehre individuell verletzt ſein kann, ohne daß von einer Verletzung der Ehre der Geſellſchaft als ſolcher die Rede zu ſein braucht. Daſſelbe gilt von einer Familie, als der Geſammtheit von Blutsverwandten, etwa mit der Begrenzung auf diejenigen, welche denſelben Namen führen; die Beleidigungen gegen Ehefrauen und Kinder zu rügen, haben die Ehegatten und Väter die Befugniß, und es iſt alſo nicht abzuſehen, wie irgend ein Mitglied der Familie noch, abge- ſehen von individueller Beleidigung, befugt ſein ſoll, die Ehre der Fa- milie im Ganzen zu ſchützen.“ t)
Es wurde demnach vorgeſchlagen, die betreffende Beſtimmung ſo zu faſſen:
Revid. Entwurf von 1845. §. 192. „Ehrverletzungen gegen Korporationen und andere juriſtiſche Perſonen können nur auf den An- trag des Vorſtandes, und Ehrverletzungen gegen Verſtorbene nur auf den Antrag des überlebenden Ehegatten, der ehelichen Blutsverwandten in aufſteigender oder abſteigender Linie, der ehelichen Geſchwiſter oder der Erben beſtraft werden.“
In der Staatsraths-Kommiſſion fand dieſer Vorſchlag jedoch keinen Anklang. „Man verkannte die theoretiſchen Gründe nicht, welche für den Vorſchlag der Reviſion ſprechen; allein man war der Anſicht, daß die politiſchen Gründe überwiegend ſeien, aus denen es bei der beſtehenden Geſetzgebung bewenden müſſe.“ u)
Der Entwurf von 1847. §. 201. wiederholte daher im Weſent- lichen die frühere Beſtimmung, welche auch in dem vereinigten ſtändi- ſchen Ausſchuß angenommen ward, obgleich gegen alle einzelnen Vor- ſchriften erhebliche Bedenken erhoben wurden. v)
In der Kommiſſion der zweiten Kammer, welche die §§. 160-62. als Zuſätze zu dem Entwurf von 1850. in Vorſchlag gebracht hat, ſind jene Vorſchriften aber nicht wieder hergeſtellt worden. Auch die Frage, ob die Beleidigung einer juriſtiſchen Perſon, durch welche nicht zugleich beſtimmte Individuen verletzt werden, anzunehmen und mit Strafe zu bedrohen ſei, und ob der Vorſtand ſie von Amts wegen zu rügen habe, iſt nicht ſo unbedingt zu bejahen, wie es in der Revi-
t)Reviſion von 1845. II. S. 100. 101.
u)Verhandlungen der Staatsrath-Kommiſſion von 1846. S. 107.
v)Verhandlungen. III. S. 601-16.
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Handwerker, Bürger, Bauern, um ſich davon zu überzeugen, daß von
einer beſtimmten Perſönlichkeit, welche Gegenſtand einer möglichen In-
jurie wäre, hier nicht geſprochen werden kann, wie denn auch das Allg.
Landrecht ihrer nicht erwähnt.“
„Auch Geſellſchaften ſind entweder juriſtiſche Perſonen, oder ſie
beſtehen aus Einzelnen, deren Ehre individuell verletzt ſein kann, ohne
daß von einer Verletzung der Ehre der Geſellſchaft als ſolcher die Rede
zu ſein braucht. Daſſelbe gilt von einer Familie, als der Geſammtheit
von Blutsverwandten, etwa mit der Begrenzung auf diejenigen, welche
denſelben Namen führen; die Beleidigungen gegen Ehefrauen und Kinder
zu rügen, haben die Ehegatten und Väter die Befugniß, und es iſt
alſo nicht abzuſehen, wie irgend ein Mitglied der Familie noch, abge-
ſehen von individueller Beleidigung, befugt ſein ſoll, die Ehre der Fa-
milie im Ganzen zu ſchützen.“ t)
Es wurde demnach vorgeſchlagen, die betreffende Beſtimmung ſo
zu faſſen:
Revid. Entwurf von 1845. §. 192. „Ehrverletzungen gegen
Korporationen und andere juriſtiſche Perſonen können nur auf den An-
trag des Vorſtandes, und Ehrverletzungen gegen Verſtorbene nur auf
den Antrag des überlebenden Ehegatten, der ehelichen Blutsverwandten
in aufſteigender oder abſteigender Linie, der ehelichen Geſchwiſter oder
der Erben beſtraft werden.“
In der Staatsraths-Kommiſſion fand dieſer Vorſchlag jedoch keinen
Anklang. „Man verkannte die theoretiſchen Gründe nicht, welche für den
Vorſchlag der Reviſion ſprechen; allein man war der Anſicht, daß die
politiſchen Gründe überwiegend ſeien, aus denen es bei der beſtehenden
Geſetzgebung bewenden müſſe.“ u)
Der Entwurf von 1847. §. 201. wiederholte daher im Weſent-
lichen die frühere Beſtimmung, welche auch in dem vereinigten ſtändi-
ſchen Ausſchuß angenommen ward, obgleich gegen alle einzelnen Vor-
ſchriften erhebliche Bedenken erhoben wurden. v)
In der Kommiſſion der zweiten Kammer, welche die §§. 160-62.
als Zuſätze zu dem Entwurf von 1850. in Vorſchlag gebracht hat,
ſind jene Vorſchriften aber nicht wieder hergeſtellt worden. Auch die
Frage, ob die Beleidigung einer juriſtiſchen Perſon, durch welche nicht
zugleich beſtimmte Individuen verletzt werden, anzunehmen und mit
Strafe zu bedrohen ſei, und ob der Vorſtand ſie von Amts wegen zu
rügen habe, iſt nicht ſo unbedingt zu bejahen, wie es in der Revi-
t) Reviſion von 1845. II. S. 100. 101.
u) Verhandlungen der Staatsrath-Kommiſſion von 1846. S. 107.
v) Verhandlungen. III. S. 601-16.
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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/345>, abgerufen am 21.11.2024.
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