Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.Th. II. V. d. einzelnen Verbr. etc. Tit. XIII. Verletzungen der Ehre. in Anerkennung seiner persönlichen Ehre verlangen kann, eine Beschrän-kung erleiden. Diese hier erwähnten besonderen Verhältnisse, welche nur beispielsweise angeführt sind, wie der in der Kommission der zweiten Kammer beliebte Zusatz: "und ähnliche Fälle" darthut, sind nicht von der Beschaffenheit, daß sie eine wahre Ehrverletzung in irgend einer Weise rechtfertigten und straflos machten; aber sie können Aeußerungen, die unter anderen Umständen als Beleidigungen erscheinen würden, den Charakter des unbefangenen Urtheils oder der wohl befugten Zurecht- weisung ertheilen, und für die Entscheidung der Frage, ob eine Ehrver- letzung vorliegt oder nicht, sind sie daher von Bedeutung und wohl zu berücksichtigen. Hat aber der Angeschuldigte die von der Sitte und dem Gesetz gezogenen Schranken seiner Befugnisse nicht geachtet, ist die wis- senschaftliche, künstlerische oder gewerbliche Leistung einer gehässigen, die Persönlichkeit formell verletzenden Kritik unterzogen worden, die Vorhal- tung gegen den Untergebenen, das amtliche Urtheil in beschimpfenden Ausdrücken geschehen u. s. w., -- dann macht sich auch das Recht des Verletzten auf Ehre wieder geltend, und ist von dem Richter in dem Strafurtheile zur Anerkennung zu bringen. Wenn es daher am Schluß des §. 154. heißt, tadelnde Urtheile u. s. w. seien in solchen Fällen nur insofern strafbar, als aus der Form der Aeußerung oder aus den Umständen, unter welchen dieselben erfolgt, die Absicht zu beleidigen hervorgehe; -- so soll damit nicht gesagt sein, daß es in anderen Fällen nicht auch auf diese Absicht ankomme, sondern nur, daß jene besonderen Verhältnisse bei der Erwägung des einzelnen Falles gehörig berücksich- tigt werden müssen. Die ganze Vorschrift hätte daher, da sie aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen schon von selbst folgt, in dem Gesetzbuch fehlen können; aber, wie der Bericht der Kommission der ersten Kammer sich ausdrückt, sie hat den Werth eines praktischen Fingerzeigs und ist in sich begründet. a) V. Die Strafe der öffentlichen oder schriftlichen Beleidigung ist a) Der Entwurf von 1850. hatte am Schluß des §. 143. (154.) die Worte
"eine Ehrenkränkung zu entnehmen ist." Die Umänderung derselben, welche die Kom- mission der zweiten Kammer vornahm ("die Absicht zu beleidigen hervorgeht"), ist ei- gentlich nur eine Fassungssache. Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. XIII. Verletzungen der Ehre. in Anerkennung ſeiner perſönlichen Ehre verlangen kann, eine Beſchrän-kung erleiden. Dieſe hier erwähnten beſonderen Verhältniſſe, welche nur beiſpielsweiſe angeführt ſind, wie der in der Kommiſſion der zweiten Kammer beliebte Zuſatz: „und ähnliche Fälle“ darthut, ſind nicht von der Beſchaffenheit, daß ſie eine wahre Ehrverletzung in irgend einer Weiſe rechtfertigten und ſtraflos machten; aber ſie können Aeußerungen, die unter anderen Umſtänden als Beleidigungen erſcheinen würden, den Charakter des unbefangenen Urtheils oder der wohl befugten Zurecht- weiſung ertheilen, und für die Entſcheidung der Frage, ob eine Ehrver- letzung vorliegt oder nicht, ſind ſie daher von Bedeutung und wohl zu berückſichtigen. Hat aber der Angeſchuldigte die von der Sitte und dem Geſetz gezogenen Schranken ſeiner Befugniſſe nicht geachtet, iſt die wiſ- ſenſchaftliche, künſtleriſche oder gewerbliche Leiſtung einer gehäſſigen, die Perſönlichkeit formell verletzenden Kritik unterzogen worden, die Vorhal- tung gegen den Untergebenen, das amtliche Urtheil in beſchimpfenden Ausdrücken geſchehen u. ſ. w., — dann macht ſich auch das Recht des Verletzten auf Ehre wieder geltend, und iſt von dem Richter in dem Strafurtheile zur Anerkennung zu bringen. Wenn es daher am Schluß des §. 154. heißt, tadelnde Urtheile u. ſ. w. ſeien in ſolchen Fällen nur inſofern ſtrafbar, als aus der Form der Aeußerung oder aus den Umſtänden, unter welchen dieſelben erfolgt, die Abſicht zu beleidigen hervorgehe; — ſo ſoll damit nicht geſagt ſein, daß es in anderen Fällen nicht auch auf dieſe Abſicht ankomme, ſondern nur, daß jene beſonderen Verhältniſſe bei der Erwägung des einzelnen Falles gehörig berückſich- tigt werden müſſen. Die ganze Vorſchrift hätte daher, da ſie aus allgemeinen Rechtsgrundſätzen ſchon von ſelbſt folgt, in dem Geſetzbuch fehlen können; aber, wie der Bericht der Kommiſſion der erſten Kammer ſich ausdrückt, ſie hat den Werth eines praktiſchen Fingerzeigs und iſt in ſich begründet. a) V. Die Strafe der öffentlichen oder ſchriftlichen Beleidigung iſt a) Der Entwurf von 1850. hatte am Schluß des §. 143. (154.) die Worte
„eine Ehrenkränkung zu entnehmen iſt.“ Die Umänderung derſelben, welche die Kom- miſſion der zweiten Kammer vornahm („die Abſicht zu beleidigen hervorgeht“), iſt ei- gentlich nur eine Faſſungsſache. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p><pb facs="#f0336" n="326"/><fw place="top" type="header">Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. XIII. Verletzungen der Ehre.</fw><lb/> in Anerkennung ſeiner perſönlichen Ehre verlangen kann, eine Beſchrän-<lb/> kung erleiden. Dieſe hier erwähnten beſonderen Verhältniſſe, welche nur<lb/> beiſpielsweiſe angeführt ſind, wie der in der Kommiſſion der zweiten<lb/> Kammer beliebte Zuſatz: „und ähnliche Fälle“ darthut, ſind nicht von<lb/> der Beſchaffenheit, daß ſie eine wahre Ehrverletzung in irgend einer<lb/> Weiſe rechtfertigten und ſtraflos machten; aber ſie können Aeußerungen,<lb/> die unter anderen Umſtänden als Beleidigungen erſcheinen würden, den<lb/> Charakter des unbefangenen Urtheils oder der wohl befugten Zurecht-<lb/> weiſung ertheilen, und für die Entſcheidung der Frage, ob eine Ehrver-<lb/> letzung vorliegt oder nicht, ſind ſie daher von Bedeutung und wohl zu<lb/> berückſichtigen. Hat aber der Angeſchuldigte die von der Sitte und dem<lb/> Geſetz gezogenen Schranken ſeiner Befugniſſe nicht geachtet, iſt die wiſ-<lb/> ſenſchaftliche, künſtleriſche oder gewerbliche Leiſtung einer gehäſſigen, die<lb/> Perſönlichkeit formell verletzenden Kritik unterzogen worden, die Vorhal-<lb/> tung gegen den Untergebenen, das amtliche Urtheil in beſchimpfenden<lb/> Ausdrücken geſchehen u. ſ. w., — dann macht ſich auch das Recht des<lb/> Verletzten auf Ehre wieder geltend, und iſt von dem Richter in dem<lb/> Strafurtheile zur Anerkennung zu bringen. Wenn es daher am Schluß<lb/> des §. 154. heißt, tadelnde Urtheile u. ſ. w. ſeien in ſolchen Fällen<lb/> nur inſofern ſtrafbar, als aus der Form der Aeußerung oder aus den<lb/> Umſtänden, unter welchen dieſelben erfolgt, die Abſicht zu beleidigen<lb/> hervorgehe; — ſo ſoll damit nicht geſagt ſein, daß es in anderen Fällen<lb/> nicht auch auf dieſe Abſicht ankomme, ſondern nur, daß jene beſonderen<lb/> Verhältniſſe bei der Erwägung des einzelnen Falles gehörig berückſich-<lb/> tigt werden müſſen. Die ganze Vorſchrift hätte daher, da ſie aus<lb/> allgemeinen Rechtsgrundſätzen ſchon von ſelbſt folgt, in dem Geſetzbuch<lb/> fehlen können; aber, wie der Bericht der Kommiſſion der erſten Kammer<lb/> ſich ausdrückt, ſie hat den Werth eines praktiſchen Fingerzeigs und iſt<lb/> in ſich begründet. <note place="foot" n="a)"> Der Entwurf von 1850. hatte am Schluß des §. 143. (154.) die Worte<lb/> „eine Ehrenkränkung zu entnehmen iſt.“ Die Umänderung derſelben, welche die Kom-<lb/> miſſion der zweiten Kammer vornahm („die Abſicht zu beleidigen hervorgeht“), iſt ei-<lb/> gentlich nur eine Faſſungsſache.</note> </p><lb/> <p>V. Die Strafe der öffentlichen oder ſchriftlichen Beleidigung iſt<lb/> Geldbuße bis zu dreihundert Thalern oder Gefängniß bis zu ſechs Mo-<lb/> naten (§. 152.). Da kein Minimum aufgeſtellt iſt und Fälle ſchwerer<lb/> Verſchuldung vorkommen können, ſo iſt gegen das Strafmaaß, welches<lb/> ſich ſchon in dem Geſetz vom 11. März 1850. §. 2. (G.-S. S. 174.)<lb/> findet, nichts zu erinnern. Eine andere Frage freilich iſt es, ob denn<lb/> nicht auch bei der Beſtrafung der Injurien die privatrechtliche Natur<lb/> des Delikts, welche ſich in den Vorſchriften über die Strafanträge noch<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [326/0336]
Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. XIII. Verletzungen der Ehre.
in Anerkennung ſeiner perſönlichen Ehre verlangen kann, eine Beſchrän-
kung erleiden. Dieſe hier erwähnten beſonderen Verhältniſſe, welche nur
beiſpielsweiſe angeführt ſind, wie der in der Kommiſſion der zweiten
Kammer beliebte Zuſatz: „und ähnliche Fälle“ darthut, ſind nicht von
der Beſchaffenheit, daß ſie eine wahre Ehrverletzung in irgend einer
Weiſe rechtfertigten und ſtraflos machten; aber ſie können Aeußerungen,
die unter anderen Umſtänden als Beleidigungen erſcheinen würden, den
Charakter des unbefangenen Urtheils oder der wohl befugten Zurecht-
weiſung ertheilen, und für die Entſcheidung der Frage, ob eine Ehrver-
letzung vorliegt oder nicht, ſind ſie daher von Bedeutung und wohl zu
berückſichtigen. Hat aber der Angeſchuldigte die von der Sitte und dem
Geſetz gezogenen Schranken ſeiner Befugniſſe nicht geachtet, iſt die wiſ-
ſenſchaftliche, künſtleriſche oder gewerbliche Leiſtung einer gehäſſigen, die
Perſönlichkeit formell verletzenden Kritik unterzogen worden, die Vorhal-
tung gegen den Untergebenen, das amtliche Urtheil in beſchimpfenden
Ausdrücken geſchehen u. ſ. w., — dann macht ſich auch das Recht des
Verletzten auf Ehre wieder geltend, und iſt von dem Richter in dem
Strafurtheile zur Anerkennung zu bringen. Wenn es daher am Schluß
des §. 154. heißt, tadelnde Urtheile u. ſ. w. ſeien in ſolchen Fällen
nur inſofern ſtrafbar, als aus der Form der Aeußerung oder aus den
Umſtänden, unter welchen dieſelben erfolgt, die Abſicht zu beleidigen
hervorgehe; — ſo ſoll damit nicht geſagt ſein, daß es in anderen Fällen
nicht auch auf dieſe Abſicht ankomme, ſondern nur, daß jene beſonderen
Verhältniſſe bei der Erwägung des einzelnen Falles gehörig berückſich-
tigt werden müſſen. Die ganze Vorſchrift hätte daher, da ſie aus
allgemeinen Rechtsgrundſätzen ſchon von ſelbſt folgt, in dem Geſetzbuch
fehlen können; aber, wie der Bericht der Kommiſſion der erſten Kammer
ſich ausdrückt, ſie hat den Werth eines praktiſchen Fingerzeigs und iſt
in ſich begründet. a)
V. Die Strafe der öffentlichen oder ſchriftlichen Beleidigung iſt
Geldbuße bis zu dreihundert Thalern oder Gefängniß bis zu ſechs Mo-
naten (§. 152.). Da kein Minimum aufgeſtellt iſt und Fälle ſchwerer
Verſchuldung vorkommen können, ſo iſt gegen das Strafmaaß, welches
ſich ſchon in dem Geſetz vom 11. März 1850. §. 2. (G.-S. S. 174.)
findet, nichts zu erinnern. Eine andere Frage freilich iſt es, ob denn
nicht auch bei der Beſtrafung der Injurien die privatrechtliche Natur
des Delikts, welche ſich in den Vorſchriften über die Strafanträge noch
a) Der Entwurf von 1850. hatte am Schluß des §. 143. (154.) die Worte
„eine Ehrenkränkung zu entnehmen iſt.“ Die Umänderung derſelben, welche die Kom-
miſſion der zweiten Kammer vornahm („die Abſicht zu beleidigen hervorgeht“), iſt ei-
gentlich nur eine Faſſungsſache.
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