Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.§. 139. Mehrfache Ehe. wie im Rheinischen Recht, die unverheirathete Person, welche mit einerverheiratheten eine Ehe eingeht. Indessen scheint für diesen Fall doch der Thatbestand des Verbrechens insofern anders bestimmt zu sein, als es ausdrücklich erfordert wird, daß die unverheirathete Person das Bestehen der anderen Ehe gekannt habe, während für den Bigamus dieß nicht ausgesprochen ist. Daraus könnte die Folgerung abgeleitet werden, daß es für den Letzteren auf den Vorsatz gar nicht ankomme, sondern auch das aus Irrthum oder Fahrlässigkeit begangene Verbrechen an ihm bestraft werde, was freilich eine principielle Abweichung von der Be- stimmung sowohl der Karolina (Art. 121.) wie des Allgemeinen Land- rechts (II. 20. §. 1066.) sein würde. Einer solchen Auffassung hatte der Entwurf von 1836. bestimmt §. 493. Abs. 2. "Hatte aber derjenige, welcher die neue Ehe Die Staatsraths-Kommission bemerkte hierzu: b) "Endlich war man mit dem revidirten Entwurf darin einverstan- Das Ministerium für die Gesetz-Revision theilte diese Ansicht, c) b) Berathungs-Protokolle. II. S. 247. c) Revision von 1845. II. S. 168.
§. 139. Mehrfache Ehe. wie im Rheiniſchen Recht, die unverheirathete Perſon, welche mit einerverheiratheten eine Ehe eingeht. Indeſſen ſcheint für dieſen Fall doch der Thatbeſtand des Verbrechens inſofern anders beſtimmt zu ſein, als es ausdrücklich erfordert wird, daß die unverheirathete Perſon das Beſtehen der anderen Ehe gekannt habe, während für den Bigamus dieß nicht ausgeſprochen iſt. Daraus könnte die Folgerung abgeleitet werden, daß es für den Letzteren auf den Vorſatz gar nicht ankomme, ſondern auch das aus Irrthum oder Fahrläſſigkeit begangene Verbrechen an ihm beſtraft werde, was freilich eine principielle Abweichung von der Be- ſtimmung ſowohl der Karolina (Art. 121.) wie des Allgemeinen Land- rechts (II. 20. §. 1066.) ſein würde. Einer ſolchen Auffaſſung hatte der Entwurf von 1836. beſtimmt §. 493. Abſ. 2. „Hatte aber derjenige, welcher die neue Ehe Die Staatsraths-Kommiſſion bemerkte hierzu: b) „Endlich war man mit dem revidirten Entwurf darin einverſtan- Das Miniſterium für die Geſetz-Reviſion theilte dieſe Anſicht, c) b) Berathungs-Protokolle. II. S. 247. c) Reviſion von 1845. II. S. 168.
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§. 139. Mehrfache Ehe.
wie im Rheiniſchen Recht, die unverheirathete Perſon, welche mit einer
verheiratheten eine Ehe eingeht. Indeſſen ſcheint für dieſen Fall doch
der Thatbeſtand des Verbrechens inſofern anders beſtimmt zu ſein,
als es ausdrücklich erfordert wird, daß die unverheirathete Perſon das
Beſtehen der anderen Ehe gekannt habe, während für den Bigamus dieß
nicht ausgeſprochen iſt. Daraus könnte die Folgerung abgeleitet werden,
daß es für den Letzteren auf den Vorſatz gar nicht ankomme, ſondern
auch das aus Irrthum oder Fahrläſſigkeit begangene Verbrechen an ihm
beſtraft werde, was freilich eine principielle Abweichung von der Be-
ſtimmung ſowohl der Karolina (Art. 121.) wie des Allgemeinen Land-
rechts (II. 20. §. 1066.) ſein würde.
Einer ſolchen Auffaſſung hatte der Entwurf von 1836. beſtimmt
entgegen treten wollen, indem er vorſchrieb:
§. 493. Abſ. 2. „Hatte aber derjenige, welcher die neue Ehe
ſchloß, aus einem unverſchuldeten Irrthum die frühere Ehe für getrennt
oder annullirt gehalten; ſo iſt derſelbe ſtraflos.“
Die Staatsraths-Kommiſſion bemerkte hierzu: b)
„Endlich war man mit dem revidirten Entwurf darin einverſtan-
den, daß die kulpoſe Bigamie nicht beſtraft werden könne, da der we-
ſentlichſte Theil der Strafbarkeit bei der vorſätzlichen Bigamie, nämlich
der Treubruch gegen den andern Ehegatten, hier nicht vorliege; allein
man hielt die im §. 493. enthaltene ausdrückliche Beſtimmung für
entbehrlich, da ſchon der §. 52. des Allgemeinen Theils des umgear-
beiteten Entwurfs ausdrücklich beſtimme, daß eine Handlung, die, vor-
ſätzlich verübt, Strafe nach ſich ziehe, in dem Fall, wo ihr bloß Fahr-
läſſigkeit zum Grunde liege, nur dann geſtraft werden ſolle, wenn das
Geſetz dies ausdrücklich vorſchreibe.“
Das Miniſterium für die Geſetz-Reviſion theilte dieſe Anſicht, c)
indem es ſich dahin ausſprach, daß die Strafbarkeit allerdings bedingt
ſei durch das Bewußtſein von dem Daſein und der Fortdauer der frü-
heren Ehe; daß aber die allgemeine Beſtimmung des §. 68. (§. 44. des
Strafgeſetzbuchs) eine beſondere Vorſchrift hierüber unnöthig mache.
Dieſe Auffaſſung iſt jedoch kaum für richtig zu halten, da es nach dem
angeführten Paragraphen vorausgeſetzt wird, daß die Strafbarkeit der
Handlung von beſonderen Eigenſchaften der Perſon u. ſ. w. abhängig
iſt, dieſe Vorausſetzung aber gerade bei der Bigamie in Frage ſteht. —
Auch wurde es in dem vereinigten ſtändiſchen Ausſchuß von dem Ab-
geordneten Grabow angeregt, daß das Geſetzbuch ausdrücklich nur die
b) Berathungs-Protokolle. II. S. 247.
c) Reviſion von 1845. II. S. 168.
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