abhängt, ob in der Voruntersuchung der Zeuge seine Aussage unter einem religiösen Eide abgeben soll oder nicht. i)
III. Die Strafe des Meineides ist zwei bis zehn Jahre Zucht- haus; sie ist dieselbe für die verschiedenen im Gesetzbuch aufgeführten Fälle, und namentlich wird im Allgemeinen kein Unterschied gemacht, ob das falsche Zeugniß in einer Civilsache oder Strafsache abgelegt worden. Nur wenn es in einer Strafsache zum Nachtheil eines An- geschuldigten abgelegt und dieser in die volle gesetzliche Strafe eines Verbrechens -- Todesstrafe, Zuchthaus, Einschließung über fünf Jahre -- verurtheilt worden ist, steigert sich die Strafe auf zehn bis zu zwanzig Jahren Zuchthaus. Dabei kommt es nicht darauf an, ob gerade die falsche Aussage die Verurtheilung herbeigeführt hat; das würde sich bei dem gegenwärtigen Strafverfahren überhaupt nur in sehr seltenen Fällen bestimmt feststellen lassen. Es genügt, daß in einer Strafsache, welche zu der Verurtheilung eines Angeschuldigten in eine der genannten Stra- fen geführt hat, ein falsches Zeugniß zu dessen Nachtheil abgelegt wor- den ist. k)
IV. Die Frage, ob der Sachverständige wegen eines falschen eidlichen Gutachtens dem Zeugen gleichgestellt werden solle, ist erst durch den Staatsrath bejahend entschieden worden. Früher wollte man in einem solchen Falle nur ein Verbrechen gegen Treu und Glauben finden. l)
V. Wenn das Gesetz einer Religionsgesellschaft, z. B. den Me- noniten und Philipponen, den Gebrauch gewisser Betheuerungsformeln an Stelle des Eides gestattet, so muß auch die falsche Erklärung unter einer solchen Formel dem Meineide gleichstehen (§. 128. Nr. 1.). Ebenso rechtfertigt es sich, daß die Berufung auf einen früher geleisteten Eid der Ableistung eines neuen Eides gleichgeachtet wird (§. 128. Nr. 2.). Dieß wird denn auch auf den Sachverständigen bezogen, der als solcher ein für allemal vereidet ist, und auf den Beamten, der eine amtliche Versicherung unter Berufung auf seinen Diensteid abgiebt (§. 128. Nr. 3.). Die Beschränkung dieser letzteren Vorschrift auf Versicherungen in Pro- zessen und Untersuchungen, welche die Staatsraths-Kommission gegen das Allg. Landrecht (Th. II. Tit. 20. §. 1420.) in den Entwurf von 1847. §. 155. gebracht hatte, ist wieder entfernt worden. m)
i)Bericht der Kommission der zweiten Kammer zu §. 114. (126.)
k)Bericht der Kommission a. a. O.
l)Berathungs-Protokolle der Staatsraths-Kommission II. S. 77. 78. -- Protokolle des Staatsraths, Sitzung vom 13. März 1841.
m)Verhandlungen der Staatsraths-Kommission von 1846. S. 84. -- Vgl. Berathungs-Protokolle II. S. 78. -- Revision von 1845. II. S. 79.
§§. 125-128. Meineid.
abhängt, ob in der Vorunterſuchung der Zeuge ſeine Ausſage unter einem religiöſen Eide abgeben ſoll oder nicht. i)
III. Die Strafe des Meineides iſt zwei bis zehn Jahre Zucht- haus; ſie iſt dieſelbe für die verſchiedenen im Geſetzbuch aufgeführten Fälle, und namentlich wird im Allgemeinen kein Unterſchied gemacht, ob das falſche Zeugniß in einer Civilſache oder Strafſache abgelegt worden. Nur wenn es in einer Strafſache zum Nachtheil eines An- geſchuldigten abgelegt und dieſer in die volle geſetzliche Strafe eines Verbrechens — Todesſtrafe, Zuchthaus, Einſchließung über fünf Jahre — verurtheilt worden iſt, ſteigert ſich die Strafe auf zehn bis zu zwanzig Jahren Zuchthaus. Dabei kommt es nicht darauf an, ob gerade die falſche Ausſage die Verurtheilung herbeigeführt hat; das würde ſich bei dem gegenwärtigen Strafverfahren überhaupt nur in ſehr ſeltenen Fällen beſtimmt feſtſtellen laſſen. Es genügt, daß in einer Strafſache, welche zu der Verurtheilung eines Angeſchuldigten in eine der genannten Stra- fen geführt hat, ein falſches Zeugniß zu deſſen Nachtheil abgelegt wor- den iſt. k)
IV. Die Frage, ob der Sachverſtändige wegen eines falſchen eidlichen Gutachtens dem Zeugen gleichgeſtellt werden ſolle, iſt erſt durch den Staatsrath bejahend entſchieden worden. Früher wollte man in einem ſolchen Falle nur ein Verbrechen gegen Treu und Glauben finden. l)
V. Wenn das Geſetz einer Religionsgeſellſchaft, z. B. den Me- noniten und Philipponen, den Gebrauch gewiſſer Betheuerungsformeln an Stelle des Eides geſtattet, ſo muß auch die falſche Erklärung unter einer ſolchen Formel dem Meineide gleichſtehen (§. 128. Nr. 1.). Ebenſo rechtfertigt es ſich, daß die Berufung auf einen früher geleiſteten Eid der Ableiſtung eines neuen Eides gleichgeachtet wird (§. 128. Nr. 2.). Dieß wird denn auch auf den Sachverſtändigen bezogen, der als ſolcher ein für allemal vereidet iſt, und auf den Beamten, der eine amtliche Verſicherung unter Berufung auf ſeinen Dienſteid abgiebt (§. 128. Nr. 3.). Die Beſchränkung dieſer letzteren Vorſchrift auf Verſicherungen in Pro- zeſſen und Unterſuchungen, welche die Staatsraths-Kommiſſion gegen das Allg. Landrecht (Th. II. Tit. 20. §. 1420.) in den Entwurf von 1847. §. 155. gebracht hatte, iſt wieder entfernt worden. m)
i)Bericht der Kommiſſion der zweiten Kammer zu §. 114. (126.)
k)Bericht der Kommiſſion a. a. O.
l)Berathungs-Protokolle der Staatsraths-Kommiſſion II. S. 77. 78. — Protokolle des Staatsraths, Sitzung vom 13. März 1841.
m)Verhandlungen der Staatsraths-Kommiſſion von 1846. S. 84. — Vgl. Berathungs-Protokolle II. S. 78. — Reviſion von 1845. II. S. 79.
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§§. 125-128. Meineid.
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einem religiöſen Eide abgeben ſoll oder nicht. i)
III. Die Strafe des Meineides iſt zwei bis zehn Jahre Zucht-
haus; ſie iſt dieſelbe für die verſchiedenen im Geſetzbuch aufgeführten
Fälle, und namentlich wird im Allgemeinen kein Unterſchied gemacht,
ob das falſche Zeugniß in einer Civilſache oder Strafſache abgelegt
worden. Nur wenn es in einer Strafſache zum Nachtheil eines An-
geſchuldigten abgelegt und dieſer in die volle geſetzliche Strafe eines
Verbrechens — Todesſtrafe, Zuchthaus, Einſchließung über fünf Jahre —
verurtheilt worden iſt, ſteigert ſich die Strafe auf zehn bis zu zwanzig
Jahren Zuchthaus. Dabei kommt es nicht darauf an, ob gerade die
falſche Ausſage die Verurtheilung herbeigeführt hat; das würde ſich bei
dem gegenwärtigen Strafverfahren überhaupt nur in ſehr ſeltenen Fällen
beſtimmt feſtſtellen laſſen. Es genügt, daß in einer Strafſache, welche
zu der Verurtheilung eines Angeſchuldigten in eine der genannten Stra-
fen geführt hat, ein falſches Zeugniß zu deſſen Nachtheil abgelegt wor-
den iſt. k)
IV. Die Frage, ob der Sachverſtändige wegen eines falſchen
eidlichen Gutachtens dem Zeugen gleichgeſtellt werden ſolle, iſt erſt durch
den Staatsrath bejahend entſchieden worden. Früher wollte man in
einem ſolchen Falle nur ein Verbrechen gegen Treu und Glauben
finden. l)
V. Wenn das Geſetz einer Religionsgeſellſchaft, z. B. den Me-
noniten und Philipponen, den Gebrauch gewiſſer Betheuerungsformeln
an Stelle des Eides geſtattet, ſo muß auch die falſche Erklärung unter
einer ſolchen Formel dem Meineide gleichſtehen (§. 128. Nr. 1.). Ebenſo
rechtfertigt es ſich, daß die Berufung auf einen früher geleiſteten Eid
der Ableiſtung eines neuen Eides gleichgeachtet wird (§. 128. Nr. 2.).
Dieß wird denn auch auf den Sachverſtändigen bezogen, der als ſolcher
ein für allemal vereidet iſt, und auf den Beamten, der eine amtliche
Verſicherung unter Berufung auf ſeinen Dienſteid abgiebt (§. 128. Nr. 3.).
Die Beſchränkung dieſer letzteren Vorſchrift auf Verſicherungen in Pro-
zeſſen und Unterſuchungen, welche die Staatsraths-Kommiſſion gegen
das Allg. Landrecht (Th. II. Tit. 20. §. 1420.) in den Entwurf von
1847. §. 155. gebracht hatte, iſt wieder entfernt worden. m)
i) Bericht der Kommiſſion der zweiten Kammer zu §. 114. (126.)
k) Bericht der Kommiſſion a. a. O.
l) Berathungs-Protokolle der Staatsraths-Kommiſſion II.
S. 77. 78. — Protokolle des Staatsraths, Sitzung vom 13. März 1841.
m) Verhandlungen der Staatsraths-Kommiſſion von 1846.
S. 84. — Vgl. Berathungs-Protokolle II. S. 78. — Reviſion von 1845.
II. S. 79.
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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/303>, abgerufen am 27.04.2024.
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