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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

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Th. II. V. d. einzelnen Verbr. etc. Tit. VII. Münzverbrechen u. Münzvergehen.
bringen könne. Bei einem gemeingefährlichen Verbrechen, wie es das
Falschmünzen sei, dürfe die Unbestimmtheit des Vorsatzes nicht entschul-
digen; im Gegentheil müsse das Gesetz, um den Thatbestand nicht zwei-
felhaft zu lassen, den Begriff des Verbrechens auf bestimmte Thatsachen,
wie sie hier in der absichtlichen Anfertigung falscher Münzen beständen,
zurückführen." x)

Gegen diese, nur den polizeilichen Standpunkt wahrende Auffassung
erklärte sich aber das Ministerium für die Gesetz-Revision. y) Jene
Gründe genügten nicht, um jeden mit der Strafe der Münzfälschung zu
belegen, welcher ohne alle verbrecherische Absicht, zum Spiel, zur Uebung,
für eine Münzsammlung u. s. w. ein Geldstück nachmacht; das könne
höchstens mit einer Polizeistrafe geahndet werden. Auch habe man sich
in der Staatsraths-Kommission irrthümlich auf andere Gesetzgebungen
berufen. Das Bayerische Strafgesetzbuch (Art. 343.), so wie das Han-
noversche Kriminalgesetzbuch (Art. 200.) setzten ausdrücklich eine betrü-
gerische oder rechtswidrige Absicht, und der Code penal setze hier, wie
überall, stillschweigend den Dolus voraus, welches Letztere anscheinend
auch im Oesterreichischen Gesetzbuch anzunehmen sei. Alle neueren Ge-
setzgebungen forderten daher eine verbrecherische Absicht bei diesem Ver-
brechen z) -- Man dürfe nicht weiter gehen, als eine Vermuthung für
die Absicht der Verbreitung aufstellen, wodurch auch genügende Sicher-
heit erreicht werde. Dagegen sei es allerdings richtig, daß die Verbrei-
tung nicht zum Thatbestande gerechnet werden dürfe; das Verbrechen
müsse schon als vollendet gelten, wenn das Geld nachgemacht oder um-
geändert worden sei.

Die auf diese Ausführung begründeten Anträge wurden in der
Staatsraths-Kommission geprüft und mit einer, durch den Minister Ro-
ther
veranlaßten formellen Aenderung angenommen. a) Daraus gingen
für den Entwurf von 1847. folgende Bestimmungen hervor:

§. 302. "Wer inländisches oder ausländisches Metallgeld oder
Papiergeld nachmacht, wer ächtem Metallgelde oder Papiergelde durch
Umänderung den Schein eines höheren Werthes verschafft, ingleichen
wer verrufenem Metallgelde oder Papiergelde durch Veränderungen an

x) Berathungs-Protokolle der Staatsraths-Kommission. III.
S. 407. Vgl. Motive zum Entwurf von 1850. §. 109.
y) Revision von 1845. III. S. 39. 40.
z) Sächs. Criminalgesetzb. Art. 268. -- Württemb. Strafgesetzb.
Art. 206. -- Braunschweig. Criminalgesetzbuch §. 126. -- Hessisch.
Strafgesetzbuch
Art. 204. -- Badisch. Strafgesetzb. §. 509. -- Thüring.
Strafgesetzb.
Art. 260.
a) Verhandlungen der Staatsraths-Kommission von 1846.
S. 161-63.

Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. VII. Münzverbrechen u. Münzvergehen.
bringen könne. Bei einem gemeingefährlichen Verbrechen, wie es das
Falſchmünzen ſei, dürfe die Unbeſtimmtheit des Vorſatzes nicht entſchul-
digen; im Gegentheil müſſe das Geſetz, um den Thatbeſtand nicht zwei-
felhaft zu laſſen, den Begriff des Verbrechens auf beſtimmte Thatſachen,
wie ſie hier in der abſichtlichen Anfertigung falſcher Münzen beſtänden,
zurückführen.“ x)

Gegen dieſe, nur den polizeilichen Standpunkt wahrende Auffaſſung
erklärte ſich aber das Miniſterium für die Geſetz-Reviſion. y) Jene
Gründe genügten nicht, um jeden mit der Strafe der Münzfälſchung zu
belegen, welcher ohne alle verbrecheriſche Abſicht, zum Spiel, zur Uebung,
für eine Münzſammlung u. ſ. w. ein Geldſtück nachmacht; das könne
höchſtens mit einer Polizeiſtrafe geahndet werden. Auch habe man ſich
in der Staatsraths-Kommiſſion irrthümlich auf andere Geſetzgebungen
berufen. Das Bayeriſche Strafgeſetzbuch (Art. 343.), ſo wie das Han-
noverſche Kriminalgeſetzbuch (Art. 200.) ſetzten ausdrücklich eine betrü-
geriſche oder rechtswidrige Abſicht, und der Code pénal ſetze hier, wie
überall, ſtillſchweigend den Dolus voraus, welches Letztere anſcheinend
auch im Oeſterreichiſchen Geſetzbuch anzunehmen ſei. Alle neueren Ge-
ſetzgebungen forderten daher eine verbrecheriſche Abſicht bei dieſem Ver-
brechen z) — Man dürfe nicht weiter gehen, als eine Vermuthung für
die Abſicht der Verbreitung aufſtellen, wodurch auch genügende Sicher-
heit erreicht werde. Dagegen ſei es allerdings richtig, daß die Verbrei-
tung nicht zum Thatbeſtande gerechnet werden dürfe; das Verbrechen
müſſe ſchon als vollendet gelten, wenn das Geld nachgemacht oder um-
geändert worden ſei.

Die auf dieſe Ausführung begründeten Anträge wurden in der
Staatsraths-Kommiſſion geprüft und mit einer, durch den Miniſter Ro-
ther
veranlaßten formellen Aenderung angenommen. a) Daraus gingen
für den Entwurf von 1847. folgende Beſtimmungen hervor:

§. 302. „Wer inländiſches oder ausländiſches Metallgeld oder
Papiergeld nachmacht, wer ächtem Metallgelde oder Papiergelde durch
Umänderung den Schein eines höheren Werthes verſchafft, ingleichen
wer verrufenem Metallgelde oder Papiergelde durch Veränderungen an

x) Berathungs-Protokolle der Staatsraths-Kommiſſion. III.
S. 407. Vgl. Motive zum Entwurf von 1850. §. 109.
y) Reviſion von 1845. III. S. 39. 40.
z) Sächſ. Criminalgeſetzb. Art. 268. — Württemb. Strafgeſetzb.
Art. 206. — Braunſchweig. Criminalgeſetzbuch §. 126. — Heſſiſch.
Strafgeſetzbuch
Art. 204. — Badiſch. Strafgeſetzb. §. 509. — Thüring.
Strafgeſetzb.
Art. 260.
a) Verhandlungen der Staatsraths-Kommiſſion von 1846.
S. 161-63.
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[286/0296] Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. VII. Münzverbrechen u. Münzvergehen. bringen könne. Bei einem gemeingefährlichen Verbrechen, wie es das Falſchmünzen ſei, dürfe die Unbeſtimmtheit des Vorſatzes nicht entſchul- digen; im Gegentheil müſſe das Geſetz, um den Thatbeſtand nicht zwei- felhaft zu laſſen, den Begriff des Verbrechens auf beſtimmte Thatſachen, wie ſie hier in der abſichtlichen Anfertigung falſcher Münzen beſtänden, zurückführen.“ x) Gegen dieſe, nur den polizeilichen Standpunkt wahrende Auffaſſung erklärte ſich aber das Miniſterium für die Geſetz-Reviſion. y) Jene Gründe genügten nicht, um jeden mit der Strafe der Münzfälſchung zu belegen, welcher ohne alle verbrecheriſche Abſicht, zum Spiel, zur Uebung, für eine Münzſammlung u. ſ. w. ein Geldſtück nachmacht; das könne höchſtens mit einer Polizeiſtrafe geahndet werden. Auch habe man ſich in der Staatsraths-Kommiſſion irrthümlich auf andere Geſetzgebungen berufen. Das Bayeriſche Strafgeſetzbuch (Art. 343.), ſo wie das Han- noverſche Kriminalgeſetzbuch (Art. 200.) ſetzten ausdrücklich eine betrü- geriſche oder rechtswidrige Abſicht, und der Code pénal ſetze hier, wie überall, ſtillſchweigend den Dolus voraus, welches Letztere anſcheinend auch im Oeſterreichiſchen Geſetzbuch anzunehmen ſei. Alle neueren Ge- ſetzgebungen forderten daher eine verbrecheriſche Abſicht bei dieſem Ver- brechen z) — Man dürfe nicht weiter gehen, als eine Vermuthung für die Abſicht der Verbreitung aufſtellen, wodurch auch genügende Sicher- heit erreicht werde. Dagegen ſei es allerdings richtig, daß die Verbrei- tung nicht zum Thatbeſtande gerechnet werden dürfe; das Verbrechen müſſe ſchon als vollendet gelten, wenn das Geld nachgemacht oder um- geändert worden ſei. Die auf dieſe Ausführung begründeten Anträge wurden in der Staatsraths-Kommiſſion geprüft und mit einer, durch den Miniſter Ro- ther veranlaßten formellen Aenderung angenommen. a) Daraus gingen für den Entwurf von 1847. folgende Beſtimmungen hervor: §. 302. „Wer inländiſches oder ausländiſches Metallgeld oder Papiergeld nachmacht, wer ächtem Metallgelde oder Papiergelde durch Umänderung den Schein eines höheren Werthes verſchafft, ingleichen wer verrufenem Metallgelde oder Papiergelde durch Veränderungen an x) Berathungs-Protokolle der Staatsraths-Kommiſſion. III. S. 407. Vgl. Motive zum Entwurf von 1850. §. 109. y) Reviſion von 1845. III. S. 39. 40. z) Sächſ. Criminalgeſetzb. Art. 268. — Württemb. Strafgeſetzb. Art. 206. — Braunſchweig. Criminalgeſetzbuch §. 126. — Heſſiſch. Strafgeſetzbuch Art. 204. — Badiſch. Strafgeſetzb. §. 509. — Thüring. Strafgeſetzb. Art. 260. a) Verhandlungen der Staatsraths-Kommiſſion von 1846. S. 161-63.

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/296>, abgerufen am 09.05.2024.