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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

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§. 40. Die Unzurechnungsfähigkeit.
sprechen, da doch gerade die Beherrschung der Triebe der Vorzug des ver-
nünftigen Wesens ist. Aber der Widerspruch gegen die Uebertreibung darf
nicht zur Einseitigkeit führen; auch der partielle Wahnsinn kann einer
Handlung den Charakter des Verbrechens oder Vergehens nehmen. m)

III. In den früheren Entwürfen waren außer den Geisteskrank-
heiten und dem Zwange noch andere Gründe aufgeführt, welche unter
gewissen Umständen die Zurechnungsfähigkeit ausschließen sollten, und
auch die anderen Deutschen Strafgesetzbücher haben ähnliche Bestim-
mungen. Unter dieser Kategorie werden namentlich aufgeführt:

a. Die Taubstummen, deren Unterscheidungsvermögen nicht
ausgebildet worden ist. n)

b. Personen, welche sich zur Zeit der That im Zustande völliger
Bewußtlosigkeit befunden haben; o) wobei denn noch, namentlich
mit Beziehung auf die Trunkenheit, die besondere Bestimmung hinzuge-
fügt wird, daß die absichtliche Versetzung in einen solchen Zustand, um
ein Verbrechen zu begehen, dasselbe zu einem vorsätzlichen mache, wenn
es in dem Zustande wirklich begangen worden, daß aber auch die fahr-
lässige Versetzung in denselben strafbar werden könne. p)

c. Wenn jemand im Nothstande, um sein eigenes Leben oder
das einer anderen Person aus einer gegenwärtigen dringenden Gefahr

m) Chauveau l. c. p. 207-10. Hier wird auch ein Urtheil des Pariser
Cassationshofs angeführt, welcher einen Angeschuldigten, der in einem Anfall der
Epilepsie einen Todtschlag begangen hatte, frei sprach.
n) Entwurf von 1843. §. 79. Nr. 2. -- Sächs. Criminalgesetzb.
Art. 67. -- Braunschweigsch. Criminalgesetzb. §. 30. -- Hannov. Cri-
minalgesetzb.
Art. 83. -- Hessisches Strafgesetzb. Art. 37. -- Badisches
Strafgesetzb.
Art. 77. -- Thüringsch. Strafgesetzb. Art. 62.
o) Entwurf von 1843. §. 79. Nr. 4.
p) Ebendas. §. 80. 81. Vgl. Sächs. Criminalgesetzb. Art. 67. -- Würt-
temb. Strafgesetzb.
Art. 97. -- Braunschweigsch. Criminalgesetzb. §. 30.
-- Hannov. Kriminalgesetzb. Art. 84. -- Hessisches Strafgesetzb. Art. 38.
-- Badisches Strafgesetzb. §. 76. -- Thüring. Strafgesetzb. Art. 62. --
Das Mangelhafte solcher Bestimmungen über die absichtliche Versetzung in den Zustand
der Trunkenheit hat v. Savigny in dem vereinigten ständ. Ausschuß treffend entwickelt,
s. Verhandlungen II. S. 378. "Wenn man annimmt, daß Jemand ein Verbrechen
beabsichtigt und sich durch Trunk in einen völlig bewußtlosen unzurechnungsfähigen
Zustand versetzt, um dann ein Verbrechen zu begehen, so ist dies offenbar ein Wider-
spruch. Hat er völlig das Bewußtsein verloren, ist er völlig unzurechnungsfähig, so
kann er auch nicht mehr die früher beabsichtigte Handlung in Folge des früheren
Entschlusses vollziehen, welches vorausgesetzt werden müßte. Ist er aber nicht in
diesem Zustand völliger Bewußtlosigkeit, sondern nur im Zustande der Aufregung, so
wird er der Zurechnung nicht entgehen, und dann ist keine besondere Ausnahme noth-
wendig, dann wird er vom Richter bestraft." -- Der Entwurf von 1847. enthielt
übrigens über den Zustand der Bewußtlosigkeit als Grund der Unzurechnungsfähigkeit
schon deswegen keine Bestimmung, weil die allgemeine Fassung des §. 50. es unnöthig
machte. -- Nach Englischem Recht sind Personen, welche sich freiwillig betrunken haben,
für alle in diesem Zustande begangenen Verbrechen verantwortlich. Jedoch entschuldigt
Wahnsinn, auch wenn er durch Trunksucht verursacht ist.

§. 40. Die Unzurechnungsfähigkeit.
ſprechen, da doch gerade die Beherrſchung der Triebe der Vorzug des ver-
nünftigen Weſens iſt. Aber der Widerſpruch gegen die Uebertreibung darf
nicht zur Einſeitigkeit führen; auch der partielle Wahnſinn kann einer
Handlung den Charakter des Verbrechens oder Vergehens nehmen. m)

III. In den früheren Entwürfen waren außer den Geiſteskrank-
heiten und dem Zwange noch andere Gründe aufgeführt, welche unter
gewiſſen Umſtänden die Zurechnungsfähigkeit ausſchließen ſollten, und
auch die anderen Deutſchen Strafgeſetzbücher haben ähnliche Beſtim-
mungen. Unter dieſer Kategorie werden namentlich aufgeführt:

a. Die Taubſtummen, deren Unterſcheidungsvermögen nicht
ausgebildet worden iſt. n)

b. Perſonen, welche ſich zur Zeit der That im Zuſtande völliger
Bewußtloſigkeit befunden haben; o) wobei denn noch, namentlich
mit Beziehung auf die Trunkenheit, die beſondere Beſtimmung hinzuge-
fügt wird, daß die abſichtliche Verſetzung in einen ſolchen Zuſtand, um
ein Verbrechen zu begehen, daſſelbe zu einem vorſätzlichen mache, wenn
es in dem Zuſtande wirklich begangen worden, daß aber auch die fahr-
läſſige Verſetzung in denſelben ſtrafbar werden könne. p)

c. Wenn jemand im Nothſtande, um ſein eigenes Leben oder
das einer anderen Perſon aus einer gegenwärtigen dringenden Gefahr

m) Chauveau l. c. p. 207-10. Hier wird auch ein Urtheil des Pariſer
Caſſationshofs angeführt, welcher einen Angeſchuldigten, der in einem Anfall der
Epilepſie einen Todtſchlag begangen hatte, frei ſprach.
n) Entwurf von 1843. §. 79. Nr. 2. — Sächſ. Criminalgeſetzb.
Art. 67. — Braunſchweigſch. Criminalgeſetzb. §. 30. — Hannov. Cri-
minalgeſetzb.
Art. 83. — Heſſiſches Strafgeſetzb. Art. 37. — Badiſches
Strafgeſetzb.
Art. 77. — Thüringſch. Strafgeſetzb. Art. 62.
o) Entwurf von 1843. §. 79. Nr. 4.
p) Ebendaſ. §. 80. 81. Vgl. Sächſ. Criminalgeſetzb. Art. 67. — Würt-
temb. Strafgeſetzb.
Art. 97. — Braunſchweigſch. Criminalgeſetzb. §. 30.
Hannov. Kriminalgeſetzb. Art. 84. — Heſſiſches Strafgeſetzb. Art. 38.
Badiſches Strafgeſetzb. §. 76. — Thüring. Strafgeſetzb. Art. 62. —
Das Mangelhafte ſolcher Beſtimmungen über die abſichtliche Verſetzung in den Zuſtand
der Trunkenheit hat v. Savigny in dem vereinigten ſtänd. Ausſchuß treffend entwickelt,
ſ. Verhandlungen II. S. 378. „Wenn man annimmt, daß Jemand ein Verbrechen
beabſichtigt und ſich durch Trunk in einen völlig bewußtloſen unzurechnungsfähigen
Zuſtand verſetzt, um dann ein Verbrechen zu begehen, ſo iſt dies offenbar ein Wider-
ſpruch. Hat er völlig das Bewußtſein verloren, iſt er völlig unzurechnungsfähig, ſo
kann er auch nicht mehr die früher beabſichtigte Handlung in Folge des früheren
Entſchluſſes vollziehen, welches vorausgeſetzt werden müßte. Iſt er aber nicht in
dieſem Zuſtand völliger Bewußtloſigkeit, ſondern nur im Zuſtande der Aufregung, ſo
wird er der Zurechnung nicht entgehen, und dann iſt keine beſondere Ausnahme noth-
wendig, dann wird er vom Richter beſtraft.“ — Der Entwurf von 1847. enthielt
übrigens über den Zuſtand der Bewußtloſigkeit als Grund der Unzurechnungsfähigkeit
ſchon deswegen keine Beſtimmung, weil die allgemeine Faſſung des §. 50. es unnöthig
machte. — Nach Engliſchem Recht ſind Perſonen, welche ſich freiwillig betrunken haben,
für alle in dieſem Zuſtande begangenen Verbrechen verantwortlich. Jedoch entſchuldigt
Wahnſinn, auch wenn er durch Trunkſucht verurſacht iſt.
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[181/0191] §. 40. Die Unzurechnungsfähigkeit. ſprechen, da doch gerade die Beherrſchung der Triebe der Vorzug des ver- nünftigen Weſens iſt. Aber der Widerſpruch gegen die Uebertreibung darf nicht zur Einſeitigkeit führen; auch der partielle Wahnſinn kann einer Handlung den Charakter des Verbrechens oder Vergehens nehmen. m) III. In den früheren Entwürfen waren außer den Geiſteskrank- heiten und dem Zwange noch andere Gründe aufgeführt, welche unter gewiſſen Umſtänden die Zurechnungsfähigkeit ausſchließen ſollten, und auch die anderen Deutſchen Strafgeſetzbücher haben ähnliche Beſtim- mungen. Unter dieſer Kategorie werden namentlich aufgeführt: a. Die Taubſtummen, deren Unterſcheidungsvermögen nicht ausgebildet worden iſt. n) b. Perſonen, welche ſich zur Zeit der That im Zuſtande völliger Bewußtloſigkeit befunden haben; o) wobei denn noch, namentlich mit Beziehung auf die Trunkenheit, die beſondere Beſtimmung hinzuge- fügt wird, daß die abſichtliche Verſetzung in einen ſolchen Zuſtand, um ein Verbrechen zu begehen, daſſelbe zu einem vorſätzlichen mache, wenn es in dem Zuſtande wirklich begangen worden, daß aber auch die fahr- läſſige Verſetzung in denſelben ſtrafbar werden könne. p) c. Wenn jemand im Nothſtande, um ſein eigenes Leben oder das einer anderen Perſon aus einer gegenwärtigen dringenden Gefahr m) Chauveau l. c. p. 207-10. Hier wird auch ein Urtheil des Pariſer Caſſationshofs angeführt, welcher einen Angeſchuldigten, der in einem Anfall der Epilepſie einen Todtſchlag begangen hatte, frei ſprach. n) Entwurf von 1843. §. 79. Nr. 2. — Sächſ. Criminalgeſetzb. Art. 67. — Braunſchweigſch. Criminalgeſetzb. §. 30. — Hannov. Cri- minalgeſetzb. Art. 83. — Heſſiſches Strafgeſetzb. Art. 37. — Badiſches Strafgeſetzb. Art. 77. — Thüringſch. Strafgeſetzb. Art. 62. o) Entwurf von 1843. §. 79. Nr. 4. p) Ebendaſ. §. 80. 81. Vgl. Sächſ. Criminalgeſetzb. Art. 67. — Würt- temb. Strafgeſetzb. Art. 97. — Braunſchweigſch. Criminalgeſetzb. §. 30. — Hannov. Kriminalgeſetzb. Art. 84. — Heſſiſches Strafgeſetzb. Art. 38. — Badiſches Strafgeſetzb. §. 76. — Thüring. Strafgeſetzb. Art. 62. — Das Mangelhafte ſolcher Beſtimmungen über die abſichtliche Verſetzung in den Zuſtand der Trunkenheit hat v. Savigny in dem vereinigten ſtänd. Ausſchuß treffend entwickelt, ſ. Verhandlungen II. S. 378. „Wenn man annimmt, daß Jemand ein Verbrechen beabſichtigt und ſich durch Trunk in einen völlig bewußtloſen unzurechnungsfähigen Zuſtand verſetzt, um dann ein Verbrechen zu begehen, ſo iſt dies offenbar ein Wider- ſpruch. Hat er völlig das Bewußtſein verloren, iſt er völlig unzurechnungsfähig, ſo kann er auch nicht mehr die früher beabſichtigte Handlung in Folge des früheren Entſchluſſes vollziehen, welches vorausgeſetzt werden müßte. Iſt er aber nicht in dieſem Zuſtand völliger Bewußtloſigkeit, ſondern nur im Zuſtande der Aufregung, ſo wird er der Zurechnung nicht entgehen, und dann iſt keine beſondere Ausnahme noth- wendig, dann wird er vom Richter beſtraft.“ — Der Entwurf von 1847. enthielt übrigens über den Zuſtand der Bewußtloſigkeit als Grund der Unzurechnungsfähigkeit ſchon deswegen keine Beſtimmung, weil die allgemeine Faſſung des §. 50. es unnöthig machte. — Nach Engliſchem Recht ſind Perſonen, welche ſich freiwillig betrunken haben, für alle in dieſem Zuſtande begangenen Verbrechen verantwortlich. Jedoch entſchuldigt Wahnſinn, auch wenn er durch Trunkſucht verurſacht iſt.

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/191>, abgerufen am 24.11.2024.