V. So lange ein durch einen Dritten zu vollziehendes Verbrechen oder Vergehen noch in den Grenzen bloßer Versuchshandlungen geblie- ben ist, kann durch den freiwilligen Rücktritt Straflosigkeit erlangt wer- den. Es genügt aber zu diesem Behuf für den Anstifter nicht, daß er seinen Willen ändere; er muß auch dafür Sorge tragen, daß nicht in Folge seines Auftrags strafbare Handlungen begangen werden. Die Regeln über den Widerruf des civilrechtlichen Mandats reichen für das Strafrecht nicht aus. Selbst für Excesse, welche bei der Verübung des Verbrechens begangen wurden, ist der Anstifter verantwortlich, wenn er auch nur die Möglichkeit dieses Ausgangs vorher sehen konnte. -- Mit- telspersonen zwischen dem Anstifter und demjenigen, dessen er sich zur Verübung der That bedient, sind als Gehülfen zu betrachten.
B.Die Gehülfen.
Die zweite Klasse der Theilnehmer, von denen der §. 34. Nr. 2. handelt, sind die Gehülfen. Als solche werden bezeichnet wer dem Thäter zur Begehung des Verbrechens oder Vergehens Anleitung gegeben, wer Waffen, Werkzeuge oder andere Mittel, welche zu der That gedient haben, wissend, daß sie dazu dienen sollten, ver- schafft oder wer in den Handlungen, welche die That vorbereitet, erleichtert oder vollendet haben, dem Thäter wissentlich Hülfe geleistet hat. In dem ersten Fall ist die s. g. intellektuelle Beihülfe gemeint, die sich in der Form des Rathes geltend macht, aber nicht des Rathes schlecht- hin, sondern der "Anleitung." Mit dieser glücklich gewählten Bezeich- nung wird ausgedrückt, daß derjenige, welcher den Rath gegeben, die Absicht hatte, auf die Verübung des Verbrechens fördernd einzuwirken, und daß der Thäter den Rath auch wirklich benutzt hat. f) In den andern Fällen der Beihülfe wird es dagegen ausdrücklich hervorgehoben, daß der Gehülfe mit Wissenschaft gehandelt habe. Die hergegebenen Waffen, Werkzeuge oder anderen Mittel, z. B. das Gift zu einer Ver- giftung, müssen nicht blos zu der That gedient haben, sondern der Gehülfe muß auch gewußt haben, daß sie dazu bestimmt waren. Auch
f) Der Code penal art. 60. stellt die instructions pour commettre l'action neben der intellectuellen Urheberschaft; das Englische Recht, welches für die Beur- theilung der Theilnahme das Hauptgewicht auf die Anwesenheit bei der That legt, rechnet umgekehrt den intellectuellen Urheber, welcher bei der Verübung nicht zugegen war, nicht zu den principals, sondern nur zu den accessaries. -- Die im Text gegebene Erklärung des Wortes "Anleitung", daß es nämlich den Dolus bezeichne, wurde in der Kommission der zweiten Kammer von dem Kommissar des Justizministers besonders hervorgehoben, und deswegen auch die Hinzufügung der Worte: "absichtlich und wissentlich" nicht für nöthig erachtet.
§. 34. Begriff und Arten der Theilnahme.
V. So lange ein durch einen Dritten zu vollziehendes Verbrechen oder Vergehen noch in den Grenzen bloßer Verſuchshandlungen geblie- ben iſt, kann durch den freiwilligen Rücktritt Strafloſigkeit erlangt wer- den. Es genügt aber zu dieſem Behuf für den Anſtifter nicht, daß er ſeinen Willen ändere; er muß auch dafür Sorge tragen, daß nicht in Folge ſeines Auftrags ſtrafbare Handlungen begangen werden. Die Regeln über den Widerruf des civilrechtlichen Mandats reichen für das Strafrecht nicht aus. Selbſt für Exceſſe, welche bei der Verübung des Verbrechens begangen wurden, iſt der Anſtifter verantwortlich, wenn er auch nur die Möglichkeit dieſes Ausgangs vorher ſehen konnte. — Mit- telsperſonen zwiſchen dem Anſtifter und demjenigen, deſſen er ſich zur Verübung der That bedient, ſind als Gehülfen zu betrachten.
B.Die Gehülfen.
Die zweite Klaſſe der Theilnehmer, von denen der §. 34. Nr. 2. handelt, ſind die Gehülfen. Als ſolche werden bezeichnet wer dem Thäter zur Begehung des Verbrechens oder Vergehens Anleitung gegeben, wer Waffen, Werkzeuge oder andere Mittel, welche zu der That gedient haben, wiſſend, daß ſie dazu dienen ſollten, ver- ſchafft oder wer in den Handlungen, welche die That vorbereitet, erleichtert oder vollendet haben, dem Thäter wiſſentlich Hülfe geleiſtet hat. In dem erſten Fall iſt die ſ. g. intellektuelle Beihülfe gemeint, die ſich in der Form des Rathes geltend macht, aber nicht des Rathes ſchlecht- hin, ſondern der „Anleitung.“ Mit dieſer glücklich gewählten Bezeich- nung wird ausgedrückt, daß derjenige, welcher den Rath gegeben, die Abſicht hatte, auf die Verübung des Verbrechens fördernd einzuwirken, und daß der Thäter den Rath auch wirklich benutzt hat. f) In den andern Fällen der Beihülfe wird es dagegen ausdrücklich hervorgehoben, daß der Gehülfe mit Wiſſenſchaft gehandelt habe. Die hergegebenen Waffen, Werkzeuge oder anderen Mittel, z. B. das Gift zu einer Ver- giftung, müſſen nicht blos zu der That gedient haben, ſondern der Gehülfe muß auch gewußt haben, daß ſie dazu beſtimmt waren. Auch
f) Der Code pénal art. 60. ſtellt die instructions pour commettre l'action neben der intellectuellen Urheberſchaft; das Engliſche Recht, welches für die Beur- theilung der Theilnahme das Hauptgewicht auf die Anweſenheit bei der That legt, rechnet umgekehrt den intellectuellen Urheber, welcher bei der Verübung nicht zugegen war, nicht zu den principals, ſondern nur zu den accessaries. — Die im Text gegebene Erklärung des Wortes „Anleitung“, daß es nämlich den Dolus bezeichne, wurde in der Kommiſſion der zweiten Kammer von dem Kommiſſar des Juſtizminiſters beſonders hervorgehoben, und deswegen auch die Hinzufügung der Worte: „abſichtlich und wiſſentlich“ nicht für nöthig erachtet.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><pbfacs="#f0167"n="157"/><fwplace="top"type="header">§. 34. Begriff und Arten der Theilnahme.</fw><lb/><p>V. So lange ein durch einen Dritten zu vollziehendes Verbrechen<lb/>
oder Vergehen noch in den Grenzen bloßer Verſuchshandlungen geblie-<lb/>
ben iſt, kann durch den freiwilligen Rücktritt Strafloſigkeit erlangt wer-<lb/>
den. Es genügt aber zu dieſem Behuf für den Anſtifter nicht, daß er<lb/>ſeinen Willen ändere; er muß auch dafür Sorge tragen, daß nicht in<lb/>
Folge ſeines Auftrags ſtrafbare Handlungen begangen werden. Die<lb/>
Regeln über den Widerruf des civilrechtlichen Mandats reichen für das<lb/>
Strafrecht nicht aus. Selbſt für Exceſſe, welche bei der Verübung des<lb/>
Verbrechens begangen wurden, iſt der Anſtifter verantwortlich, wenn er<lb/>
auch nur die Möglichkeit dieſes Ausgangs vorher ſehen konnte. — Mit-<lb/>
telsperſonen zwiſchen dem Anſtifter und demjenigen, deſſen er ſich zur<lb/>
Verübung der That bedient, ſind als Gehülfen zu betrachten.</p><lb/><p><hirendition="#aq">B.</hi><hirendition="#g">Die Gehülfen</hi>.</p><lb/><p>Die zweite Klaſſe der Theilnehmer, von denen der §. 34. Nr. 2.<lb/>
handelt, ſind die Gehülfen. Als ſolche werden bezeichnet<lb/><hirendition="#et">wer dem Thäter zur Begehung des Verbrechens oder Vergehens<lb/>
Anleitung gegeben,<lb/>
wer Waffen, Werkzeuge oder andere Mittel, welche zu der<lb/>
That gedient haben, wiſſend, daß ſie dazu dienen ſollten, ver-<lb/>ſchafft oder<lb/>
wer in den Handlungen, welche die That vorbereitet, erleichtert<lb/>
oder vollendet haben, dem Thäter wiſſentlich Hülfe geleiſtet hat.</hi><lb/>
In dem erſten Fall iſt die ſ. g. intellektuelle Beihülfe gemeint, die ſich<lb/>
in der Form des Rathes geltend macht, aber nicht des Rathes ſchlecht-<lb/>
hin, ſondern der „Anleitung.“ Mit dieſer glücklich gewählten Bezeich-<lb/>
nung wird ausgedrückt, daß derjenige, welcher den Rath gegeben, die<lb/>
Abſicht hatte, auf die Verübung des Verbrechens fördernd einzuwirken,<lb/>
und daß der Thäter den Rath auch wirklich benutzt hat. <noteplace="foot"n="f)">Der <hirendition="#aq">Code pénal art.</hi> 60. ſtellt die <hirendition="#aq">instructions pour commettre l'action</hi><lb/>
neben der intellectuellen Urheberſchaft; das Engliſche Recht, welches für die Beur-<lb/>
theilung der Theilnahme das Hauptgewicht auf die Anweſenheit bei der That legt,<lb/>
rechnet umgekehrt den intellectuellen Urheber, welcher bei der Verübung nicht zugegen<lb/>
war, nicht zu den <hirendition="#aq">principals,</hi>ſondern nur zu den <hirendition="#aq">accessaries.</hi>— Die im Text<lb/>
gegebene Erklärung des Wortes „Anleitung“, daß es nämlich den Dolus bezeichne,<lb/>
wurde in der Kommiſſion der zweiten Kammer von dem Kommiſſar des Juſtizminiſters<lb/>
beſonders hervorgehoben, und deswegen auch die Hinzufügung der Worte: „abſichtlich<lb/>
und wiſſentlich“ nicht für nöthig erachtet.</note> In den<lb/>
andern Fällen der Beihülfe wird es dagegen ausdrücklich hervorgehoben,<lb/>
daß der Gehülfe mit Wiſſenſchaft gehandelt habe. Die hergegebenen<lb/>
Waffen, Werkzeuge oder anderen Mittel, z. B. das Gift zu einer Ver-<lb/>
giftung, müſſen nicht blos zu der That gedient haben, ſondern der<lb/>
Gehülfe muß auch gewußt haben, daß ſie dazu beſtimmt waren. Auch<lb/></p></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[157/0167]
§. 34. Begriff und Arten der Theilnahme.
V. So lange ein durch einen Dritten zu vollziehendes Verbrechen
oder Vergehen noch in den Grenzen bloßer Verſuchshandlungen geblie-
ben iſt, kann durch den freiwilligen Rücktritt Strafloſigkeit erlangt wer-
den. Es genügt aber zu dieſem Behuf für den Anſtifter nicht, daß er
ſeinen Willen ändere; er muß auch dafür Sorge tragen, daß nicht in
Folge ſeines Auftrags ſtrafbare Handlungen begangen werden. Die
Regeln über den Widerruf des civilrechtlichen Mandats reichen für das
Strafrecht nicht aus. Selbſt für Exceſſe, welche bei der Verübung des
Verbrechens begangen wurden, iſt der Anſtifter verantwortlich, wenn er
auch nur die Möglichkeit dieſes Ausgangs vorher ſehen konnte. — Mit-
telsperſonen zwiſchen dem Anſtifter und demjenigen, deſſen er ſich zur
Verübung der That bedient, ſind als Gehülfen zu betrachten.
B. Die Gehülfen.
Die zweite Klaſſe der Theilnehmer, von denen der §. 34. Nr. 2.
handelt, ſind die Gehülfen. Als ſolche werden bezeichnet
wer dem Thäter zur Begehung des Verbrechens oder Vergehens
Anleitung gegeben,
wer Waffen, Werkzeuge oder andere Mittel, welche zu der
That gedient haben, wiſſend, daß ſie dazu dienen ſollten, ver-
ſchafft oder
wer in den Handlungen, welche die That vorbereitet, erleichtert
oder vollendet haben, dem Thäter wiſſentlich Hülfe geleiſtet hat.
In dem erſten Fall iſt die ſ. g. intellektuelle Beihülfe gemeint, die ſich
in der Form des Rathes geltend macht, aber nicht des Rathes ſchlecht-
hin, ſondern der „Anleitung.“ Mit dieſer glücklich gewählten Bezeich-
nung wird ausgedrückt, daß derjenige, welcher den Rath gegeben, die
Abſicht hatte, auf die Verübung des Verbrechens fördernd einzuwirken,
und daß der Thäter den Rath auch wirklich benutzt hat. f) In den
andern Fällen der Beihülfe wird es dagegen ausdrücklich hervorgehoben,
daß der Gehülfe mit Wiſſenſchaft gehandelt habe. Die hergegebenen
Waffen, Werkzeuge oder anderen Mittel, z. B. das Gift zu einer Ver-
giftung, müſſen nicht blos zu der That gedient haben, ſondern der
Gehülfe muß auch gewußt haben, daß ſie dazu beſtimmt waren. Auch
f) Der Code pénal art. 60. ſtellt die instructions pour commettre l'action
neben der intellectuellen Urheberſchaft; das Engliſche Recht, welches für die Beur-
theilung der Theilnahme das Hauptgewicht auf die Anweſenheit bei der That legt,
rechnet umgekehrt den intellectuellen Urheber, welcher bei der Verübung nicht zugegen
war, nicht zu den principals, ſondern nur zu den accessaries. — Die im Text
gegebene Erklärung des Wortes „Anleitung“, daß es nämlich den Dolus bezeichne,
wurde in der Kommiſſion der zweiten Kammer von dem Kommiſſar des Juſtizminiſters
beſonders hervorgehoben, und deswegen auch die Hinzufügung der Worte: „abſichtlich
und wiſſentlich“ nicht für nöthig erachtet.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/167>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.