Th. I. Bestrafung d. Verbr. u. Vergehen im Allg. Tit. II. Von d. Versuche.
Gesetzbücher übergegangen, aber sie hat doch keine allgemeine Anerken- nung gefunden, p) und was die Hauptsache ist, aus allgemeinen Rechts- begriffen läßt sie sich nicht mit Sicherheit herleiten. Daher bedurfte es der Gesetzgebung, um diesen Rechtssatz zur unbezweifelten Geltung zu bringen.
Im Allgemeinen Landrecht Th. II. Tit. 20. §. 43. ist nur bestimmt, daß derjenige, welcher aus eigener Bewegung von der Ausführung des Verbrechens absteht, und dabei solche Anstalten trifft, daß die gesetz- widrige Wirkung gar nicht erfolgen kann, einen Anspruch auf Begna- digung hat. Bei der Revision des Strafrechts ward unbedingt die Straflosigkeit ausgesprochen, wenn der Thäter aus eigener Bewegung von der Vollendung des Verbrechens absteht, und wo dies nöthig ist, solche Anstalten trifft, wodurch die beabsichtigte schädliche Wirkung ver- hindert wird. q) Beide Momente sind jetzt nach dem Vorgange des Rheinischen Rechts in die Begriffsbestimmung über den strafbaren Ver- such mit hineingezogen worden.
1) Der Versuch ist strafbar, wenn er nur durch äußere, von dem Willen des Thäters unabhängige Umstände gehindert worden; er ist also straflos, wenn der Thäter aus eigener Bewegung von der Vollendung des Verbrechens absteht, freiwillig davon zurücktritt. Ob dieß aus Reue, aus Furcht vor der Strafe geschehen, ist gleichgültig, denn auf den Beweggrund kommt es hier nicht an. Aber der Rücktritt muß wirklich ein freiwilliger gewesen sein, so daß äußere, von dem Willen des Thä- ters unabhängige Umstände ihn nicht bewirkt haben: z. B. jemand ist in eine Wohnung eingestiegen, um zu stehlen; er wird vor der Begehung des Diebstahls ergriffen, und behauptet nun, vorher schon zum freiwilligen Aufgeben des Planes entschlossen gewesen zu sein. Hier wird man nicht annehmen können, daß es aus eigener Bewegung geschehen sei, wie denn überhaupt die Frage, wann durch freiwilligen Rücktritt der Versuch straflos werde, eine rein thatsächliche ist und aus der Erwägung der Umstände entschieden werden muß.
2) Die letzte in §. 31. aufgeführte Voraussetzung, unter welcher der Versuch strafbar sein soll, ist die, wenn derselbe nur durch äußere, von dem Willen des Thäters unabhängige Umstände ohne Erfolg ge- blieben ist. Diese Vorschrift ist, auch im Sinne der früheren Gesetz- entwürfe so zu verstehen, daß der Versuch straflos bleiben soll, wenn derjenige, welcher ihn unternommen, durch freie Thätigkeit die beabsich- tigte schädliche Wirkung seiner Handlungen verhindert hat. Hier ist
p) Vgl. Zachariä a. a. D. II. S. 230-322.
q)Entwurf von 1843. §. 62. Entwurf von 1847. §. 42. --
Th. I. Beſtrafung d. Verbr. u. Vergehen im Allg. Tit. II. Von d. Verſuche.
Geſetzbücher übergegangen, aber ſie hat doch keine allgemeine Anerken- nung gefunden, p) und was die Hauptſache iſt, aus allgemeinen Rechts- begriffen läßt ſie ſich nicht mit Sicherheit herleiten. Daher bedurfte es der Geſetzgebung, um dieſen Rechtsſatz zur unbezweifelten Geltung zu bringen.
Im Allgemeinen Landrecht Th. II. Tit. 20. §. 43. iſt nur beſtimmt, daß derjenige, welcher aus eigener Bewegung von der Ausführung des Verbrechens abſteht, und dabei ſolche Anſtalten trifft, daß die geſetz- widrige Wirkung gar nicht erfolgen kann, einen Anſpruch auf Begna- digung hat. Bei der Reviſion des Strafrechts ward unbedingt die Strafloſigkeit ausgeſprochen, wenn der Thäter aus eigener Bewegung von der Vollendung des Verbrechens abſteht, und wo dies nöthig iſt, ſolche Anſtalten trifft, wodurch die beabſichtigte ſchädliche Wirkung ver- hindert wird. q) Beide Momente ſind jetzt nach dem Vorgange des Rheiniſchen Rechts in die Begriffsbeſtimmung über den ſtrafbaren Ver- ſuch mit hineingezogen worden.
1) Der Verſuch iſt ſtrafbar, wenn er nur durch äußere, von dem Willen des Thäters unabhängige Umſtände gehindert worden; er iſt alſo ſtraflos, wenn der Thäter aus eigener Bewegung von der Vollendung des Verbrechens abſteht, freiwillig davon zurücktritt. Ob dieß aus Reue, aus Furcht vor der Strafe geſchehen, iſt gleichgültig, denn auf den Beweggrund kommt es hier nicht an. Aber der Rücktritt muß wirklich ein freiwilliger geweſen ſein, ſo daß äußere, von dem Willen des Thä- ters unabhängige Umſtände ihn nicht bewirkt haben: z. B. jemand iſt in eine Wohnung eingeſtiegen, um zu ſtehlen; er wird vor der Begehung des Diebſtahls ergriffen, und behauptet nun, vorher ſchon zum freiwilligen Aufgeben des Planes entſchloſſen geweſen zu ſein. Hier wird man nicht annehmen können, daß es aus eigener Bewegung geſchehen ſei, wie denn überhaupt die Frage, wann durch freiwilligen Rücktritt der Verſuch ſtraflos werde, eine rein thatſächliche iſt und aus der Erwägung der Umſtände entſchieden werden muß.
2) Die letzte in §. 31. aufgeführte Vorausſetzung, unter welcher der Verſuch ſtrafbar ſein ſoll, iſt die, wenn derſelbe nur durch äußere, von dem Willen des Thäters unabhängige Umſtände ohne Erfolg ge- blieben iſt. Dieſe Vorſchrift iſt, auch im Sinne der früheren Geſetz- entwürfe ſo zu verſtehen, daß der Verſuch ſtraflos bleiben ſoll, wenn derjenige, welcher ihn unternommen, durch freie Thätigkeit die beabſich- tigte ſchädliche Wirkung ſeiner Handlungen verhindert hat. Hier iſt
p) Vgl. Zachariä a. a. D. II. S. 230-322.
q)Entwurf von 1843. §. 62. Entwurf von 1847. §. 42. —
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Th. I. Beſtrafung d. Verbr. u. Vergehen im Allg. Tit. II. Von d. Verſuche.
Geſetzbücher übergegangen, aber ſie hat doch keine allgemeine Anerken-
nung gefunden, p) und was die Hauptſache iſt, aus allgemeinen Rechts-
begriffen läßt ſie ſich nicht mit Sicherheit herleiten. Daher bedurfte es
der Geſetzgebung, um dieſen Rechtsſatz zur unbezweifelten Geltung zu
bringen.
Im Allgemeinen Landrecht Th. II. Tit. 20. §. 43. iſt nur beſtimmt,
daß derjenige, welcher aus eigener Bewegung von der Ausführung des
Verbrechens abſteht, und dabei ſolche Anſtalten trifft, daß die geſetz-
widrige Wirkung gar nicht erfolgen kann, einen Anſpruch auf Begna-
digung hat. Bei der Reviſion des Strafrechts ward unbedingt die
Strafloſigkeit ausgeſprochen, wenn der Thäter aus eigener Bewegung
von der Vollendung des Verbrechens abſteht, und wo dies nöthig iſt,
ſolche Anſtalten trifft, wodurch die beabſichtigte ſchädliche Wirkung ver-
hindert wird. q) Beide Momente ſind jetzt nach dem Vorgange des
Rheiniſchen Rechts in die Begriffsbeſtimmung über den ſtrafbaren Ver-
ſuch mit hineingezogen worden.
1) Der Verſuch iſt ſtrafbar, wenn er nur durch äußere, von dem
Willen des Thäters unabhängige Umſtände gehindert worden; er iſt alſo
ſtraflos, wenn der Thäter aus eigener Bewegung von der Vollendung
des Verbrechens abſteht, freiwillig davon zurücktritt. Ob dieß aus Reue,
aus Furcht vor der Strafe geſchehen, iſt gleichgültig, denn auf den
Beweggrund kommt es hier nicht an. Aber der Rücktritt muß wirklich
ein freiwilliger geweſen ſein, ſo daß äußere, von dem Willen des Thä-
ters unabhängige Umſtände ihn nicht bewirkt haben: z. B. jemand iſt in
eine Wohnung eingeſtiegen, um zu ſtehlen; er wird vor der Begehung des
Diebſtahls ergriffen, und behauptet nun, vorher ſchon zum freiwilligen
Aufgeben des Planes entſchloſſen geweſen zu ſein. Hier wird man
nicht annehmen können, daß es aus eigener Bewegung geſchehen ſei,
wie denn überhaupt die Frage, wann durch freiwilligen Rücktritt der
Verſuch ſtraflos werde, eine rein thatſächliche iſt und aus der Erwägung
der Umſtände entſchieden werden muß.
2) Die letzte in §. 31. aufgeführte Vorausſetzung, unter welcher
der Verſuch ſtrafbar ſein ſoll, iſt die, wenn derſelbe nur durch äußere,
von dem Willen des Thäters unabhängige Umſtände ohne Erfolg ge-
blieben iſt. Dieſe Vorſchrift iſt, auch im Sinne der früheren Geſetz-
entwürfe ſo zu verſtehen, daß der Verſuch ſtraflos bleiben ſoll, wenn
derjenige, welcher ihn unternommen, durch freie Thätigkeit die beabſich-
tigte ſchädliche Wirkung ſeiner Handlungen verhindert hat. Hier iſt
p) Vgl. Zachariä a. a. D. II. S. 230-322.
q) Entwurf von 1843. §. 62. Entwurf von 1847. §. 42. —
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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/152>, abgerufen am 24.11.2024.
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