des Ehrlosen hat ja auch das Gesetzbuch eine Beschränkung hinzuge- fügt, welche eine zu große Härte fern hält.
Auch die Bestimmung, daß der Ehrlose nicht als Sachverständiger eidlich vernommen und nicht als Sollemnitätszeuge bei der Aufnahme von Urkunden zugezogen werden kann, wird keine erhebliche Bedenken erregen; es könnte sich etwa nur fragen, warum in letzterer Beziehung die Vorschrift nicht allgemeiner gefaßt worden. Sehr viel schwieriger und von jeher bestritten ist die Frage, ob der Ehrlose als Zeuge eidlich zu vernehmen und dem Richter die Abmessung seiner Glaubwürdigkeit zu überlassen sei, oder ob auch die Beeidigung unterbleibe, was denn dahin führt, daß er, wie das Rheinische Recht sich ausdrückt, vor Gericht bloße Auskunft zu geben hat. Die Gründe für und gegen werden ge- wöhnlich nicht den Rücksichten auf den Verurtheilten, sondern dem In- teresse des Publikums entnommen; es kommt darauf an, ob die Aus- schließung oder die Zulassung größere Nachtheile für die Rechtssicherheit mit sich führt. In der Kommission der zweiten Kammer, wo beide Ansichten vertreten waren, hat man sich für die Regierungsvorlage ent- schieden. y) Uebrigens liegt die praktische Bedeutung dieser Frage für das gegenwärtige Recht vorzugsweise nur noch im Civilprozesse.
6) Nach der Regierungsvorlage sollte der Verlust der bürgerlichen Ehre die "Unfähigkeit, Waffen zu tragen und in der Armee zu dienen", zur Folge haben. Statt dessen ist auf den Vorschlag der Kommission der zweiten Kammer gesagt worden: "Verlust des Rechts, Waffen zu tragen, und die Unfähigkeit, in die Armee einzutreten". -- "Verlust des Rechts" statt: "Unfähigkeit" ist bloß eine Fassungsänderung; die zweite Abweichung: "die Unfähigkeit, in die Armee einzutre- ten", ist dagegen von sachlicher Bedeutung. Der Kommissar des Kriegs- ministeriums bemerkte nämlich in der Kommission, daß es die Absicht der Staatsregierung sei, mit der Verhängung der Zuchthausstrafe gegen Militairpersonen künftighin stets die Ausstoßung aus dem Soldatenstande zu verbinden, und daß nicht mehr umgekehrt jene Strafe von der Aus- stoßung abhängig gemacht werden solle. Das Militairstrafgesetzbuch werde in diesem Sinne abgeändert werden müssen. Dagegen hielt er nicht für zulässig, daß, wie die Kommission geneigt war, anzunehmen, bei der bloßen Untersagung der Ausübung der bürgerlichen Ehrenrechte auf Zeit
y)Kommissionsbericht zu V. 12. Nr. 4. und 5. -- Im Badischen Strafgesetzbuch §. 17., weches im Uebrigen dem Code penal in dieser Lehre folgt, ist nur die Fähigkeit "bei öffentlichen Beurkundungen als Zeuge mitzuwirken" ge- nommen. Einer brieflichen Mittheilung von Mittermaier entnehme ich die Notiz, daß im Jahre 1848. in England jeder Ausschließungsgrund vom Zeugniß durch das Gesetz aufgehoben ist, und, fügt er hinzu, jeder Praktiker segnet diese Vorschrift.
§. 12. Verluſt der bürgerlichen Ehre.
des Ehrloſen hat ja auch das Geſetzbuch eine Beſchränkung hinzuge- fügt, welche eine zu große Härte fern hält.
Auch die Beſtimmung, daß der Ehrloſe nicht als Sachverſtändiger eidlich vernommen und nicht als Sollemnitätszeuge bei der Aufnahme von Urkunden zugezogen werden kann, wird keine erhebliche Bedenken erregen; es könnte ſich etwa nur fragen, warum in letzterer Beziehung die Vorſchrift nicht allgemeiner gefaßt worden. Sehr viel ſchwieriger und von jeher beſtritten iſt die Frage, ob der Ehrloſe als Zeuge eidlich zu vernehmen und dem Richter die Abmeſſung ſeiner Glaubwürdigkeit zu überlaſſen ſei, oder ob auch die Beeidigung unterbleibe, was denn dahin führt, daß er, wie das Rheiniſche Recht ſich ausdrückt, vor Gericht bloße Auskunft zu geben hat. Die Gründe für und gegen werden ge- wöhnlich nicht den Rückſichten auf den Verurtheilten, ſondern dem In- tereſſe des Publikums entnommen; es kommt darauf an, ob die Aus- ſchließung oder die Zulaſſung größere Nachtheile für die Rechtsſicherheit mit ſich führt. In der Kommiſſion der zweiten Kammer, wo beide Anſichten vertreten waren, hat man ſich für die Regierungsvorlage ent- ſchieden. y) Uebrigens liegt die praktiſche Bedeutung dieſer Frage für das gegenwärtige Recht vorzugsweiſe nur noch im Civilprozeſſe.
6) Nach der Regierungsvorlage ſollte der Verluſt der bürgerlichen Ehre die „Unfähigkeit, Waffen zu tragen und in der Armee zu dienen“, zur Folge haben. Statt deſſen iſt auf den Vorſchlag der Kommiſſion der zweiten Kammer geſagt worden: „Verluſt des Rechts, Waffen zu tragen, und die Unfähigkeit, in die Armee einzutreten“. — „Verluſt des Rechts“ ſtatt: „Unfähigkeit“ iſt bloß eine Faſſungsänderung; die zweite Abweichung: „die Unfähigkeit, in die Armee einzutre- ten“, iſt dagegen von ſachlicher Bedeutung. Der Kommiſſar des Kriegs- miniſteriums bemerkte nämlich in der Kommiſſion, daß es die Abſicht der Staatsregierung ſei, mit der Verhängung der Zuchthausſtrafe gegen Militairperſonen künftighin ſtets die Ausſtoßung aus dem Soldatenſtande zu verbinden, und daß nicht mehr umgekehrt jene Strafe von der Aus- ſtoßung abhängig gemacht werden ſolle. Das Militairſtrafgeſetzbuch werde in dieſem Sinne abgeändert werden müſſen. Dagegen hielt er nicht für zuläſſig, daß, wie die Kommiſſion geneigt war, anzunehmen, bei der bloßen Unterſagung der Ausübung der bürgerlichen Ehrenrechte auf Zeit
y)Kommiſſionsbericht zu V. 12. Nr. 4. und 5. — Im Badiſchen Strafgeſetzbuch §. 17., weches im Uebrigen dem Code pénal in dieſer Lehre folgt, iſt nur die Fähigkeit „bei öffentlichen Beurkundungen als Zeuge mitzuwirken“ ge- nommen. Einer brieflichen Mittheilung von Mittermaier entnehme ich die Notiz, daß im Jahre 1848. in England jeder Ausſchließungsgrund vom Zeugniß durch das Geſetz aufgehoben iſt, und, fügt er hinzu, jeder Praktiker ſegnet dieſe Vorſchrift.
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des Ehrloſen hat ja auch das Geſetzbuch eine Beſchränkung hinzuge-
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Auch die Beſtimmung, daß der Ehrloſe nicht als Sachverſtändiger
eidlich vernommen und nicht als Sollemnitätszeuge bei der Aufnahme
von Urkunden zugezogen werden kann, wird keine erhebliche Bedenken
erregen; es könnte ſich etwa nur fragen, warum in letzterer Beziehung
die Vorſchrift nicht allgemeiner gefaßt worden. Sehr viel ſchwieriger
und von jeher beſtritten iſt die Frage, ob der Ehrloſe als Zeuge eidlich
zu vernehmen und dem Richter die Abmeſſung ſeiner Glaubwürdigkeit
zu überlaſſen ſei, oder ob auch die Beeidigung unterbleibe, was denn
dahin führt, daß er, wie das Rheiniſche Recht ſich ausdrückt, vor Gericht
bloße Auskunft zu geben hat. Die Gründe für und gegen werden ge-
wöhnlich nicht den Rückſichten auf den Verurtheilten, ſondern dem In-
tereſſe des Publikums entnommen; es kommt darauf an, ob die Aus-
ſchließung oder die Zulaſſung größere Nachtheile für die Rechtsſicherheit
mit ſich führt. In der Kommiſſion der zweiten Kammer, wo beide
Anſichten vertreten waren, hat man ſich für die Regierungsvorlage ent-
ſchieden. y) Uebrigens liegt die praktiſche Bedeutung dieſer Frage für
das gegenwärtige Recht vorzugsweiſe nur noch im Civilprozeſſe.
6) Nach der Regierungsvorlage ſollte der Verluſt der bürgerlichen
Ehre die „Unfähigkeit, Waffen zu tragen und in der Armee zu
dienen“, zur Folge haben. Statt deſſen iſt auf den Vorſchlag der
Kommiſſion der zweiten Kammer geſagt worden: „Verluſt des
Rechts,
Waffen zu tragen, und die Unfähigkeit, in die Armee einzutreten“. —
„Verluſt des Rechts“ ſtatt: „Unfähigkeit“ iſt
bloß eine Faſſungsänderung;
die zweite Abweichung: „die Unfähigkeit, in die Armee einzutre-
ten“, iſt dagegen von ſachlicher Bedeutung. Der Kommiſſar des Kriegs-
miniſteriums bemerkte nämlich in der Kommiſſion, daß es die Abſicht
der Staatsregierung ſei, mit der Verhängung der Zuchthausſtrafe gegen
Militairperſonen künftighin ſtets die Ausſtoßung aus dem Soldatenſtande
zu verbinden, und daß nicht mehr umgekehrt jene Strafe von der Aus-
ſtoßung abhängig gemacht werden ſolle. Das Militairſtrafgeſetzbuch werde
in dieſem Sinne abgeändert werden müſſen. Dagegen hielt er nicht für
zuläſſig, daß, wie die Kommiſſion geneigt war, anzunehmen, bei der
bloßen Unterſagung der Ausübung der bürgerlichen Ehrenrechte auf Zeit
y) Kommiſſionsbericht zu V. 12. Nr. 4. und 5. — Im Badiſchen
Strafgeſetzbuch §. 17., weches im Uebrigen dem Code pénal in dieſer Lehre folgt,
iſt nur die Fähigkeit „bei öffentlichen Beurkundungen als Zeuge mitzuwirken“ ge-
nommen. Einer brieflichen Mittheilung von Mittermaier entnehme ich die Notiz,
daß im Jahre 1848. in England jeder Ausſchließungsgrund vom Zeugniß durch das
Geſetz aufgehoben iſt, und, fügt er hinzu, jeder Praktiker ſegnet dieſe Vorſchrift.
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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/119>, abgerufen am 23.07.2024.
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