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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

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Th. I. Bestrafung d. Verbr. u. Vergehen im Allg. Tit. I. Von d. Strafen.
schon oft erörterte Frage vom politischen und rechtlichen Standpunkte
erwogen wurde. Von der einen Seite wurde hervorgehoben, daß nach
der Verfassung (Art. 4.) Standesvorrechte nicht mehr bestehen, der Adel
also in dieser Beziehung keinen Gegenstand der richterlichen Entscheidung
ausmachen könne; als angeborenes Recht der Person, als Theil des
Namens sei er aber der Einwirkung der Staatsgewalt entzogen. Von
der andern Seite legte man hauptsächlich das Gewicht darauf, daß der
Adel eine Auszeichnung darstellte, die noch vom Könige verliehen werden
könne, und daß die Entziehung dieser Auszeichnung wie die eines Titels
durchaus zulässig sein müsse. Die Kommission, obgleich Anfangs geneigt,
diese Bestimmung über den Verlust des Adels zu streichen, entschied sich
in ihrer Mehrheit zuletzt doch für die Beibehaltung, indem bei dem
großen Gewicht, welches von einigen darauf gelegt wurde, das Ein-
verständniß über die Annahme des Gesetzbuchs im Ganzen dadurch
wesentlich gefördert wurde, und die Form der Aberkennung des Adels,
als Folge des von Rechtswegen eintretenden Verlustes der bürgerlichen
Ehre, die ganze Frage weniger schroff heraustreten läßt. Die weitere
Erörterung dieses Gegenstandes, namentlich hinsichtlich der rechtlichen
Wirkungen des Verlustes für die Kinder -- ist in das Civilrecht zu
verweisen.

3) Daß mit dem Verluste der bürgerlichen Ehre die eigentlichen
politischen Rechte aufgehoben werden, folgt aus dem vorher entwickelten
Begriff der ganzen Einrichtung; dagegen ist die Vorschrift, daß

4) auch die Unfähigkeit darunter befaßt wird, als Zeuge oder Sach-
verständiger eidlich vernommen zu werden, oder als Zeuge bei der Auf-
nahme von Urkunden zu dienen, -- eine Neuerung, welche erst in dem
Entwurfe von 1850. sich findet und aus diesem in das Gesetzbuch ge-
kommen ist. Ebenso verhält es sich

5) mit der Unfähigkeit, Vormund, Nebenvormund, Kurator, ge-
richtlicher Beistand oder Mitglied eines Familienrathes zu sein. Beide
Bestimmungen entsprechen im Wesentlichen den Vorschriften des Rheini-
schen Rechts, w) und beruhen zum Theil auf denselben Motiven. Die
Ausschließung des Ehrlosen von der Vormundschaft und den verwandten
Funktionen entspricht nur der höheren Auffassung dieser Institute, deren
Wesen gerade in dem Vertrauen ruht, und für welche erst die rechte
Stelle gefunden ist, wenn man sie im Sinne des Ehrenamtes auffaßt
und gesetzlich normirt. Es spricht sich darin nur die Anschauung des
älteren Deutschen Rechts aus, welches die Rechtlosen und Ehrlosen von
der Vormundschaft ausschloß. x) In Beziehung auf die eigenen Kinder

w) Code penal. Art. 28.
x) Kraut, die Vormundschaft. I. S. 60.

Th. I. Beſtrafung d. Verbr. u. Vergehen im Allg. Tit. I. Von d. Strafen.
ſchon oft erörterte Frage vom politiſchen und rechtlichen Standpunkte
erwogen wurde. Von der einen Seite wurde hervorgehoben, daß nach
der Verfaſſung (Art. 4.) Standesvorrechte nicht mehr beſtehen, der Adel
alſo in dieſer Beziehung keinen Gegenſtand der richterlichen Entſcheidung
ausmachen könne; als angeborenes Recht der Perſon, als Theil des
Namens ſei er aber der Einwirkung der Staatsgewalt entzogen. Von
der andern Seite legte man hauptſächlich das Gewicht darauf, daß der
Adel eine Auszeichnung darſtellte, die noch vom Könige verliehen werden
könne, und daß die Entziehung dieſer Auszeichnung wie die eines Titels
durchaus zuläſſig ſein müſſe. Die Kommiſſion, obgleich Anfangs geneigt,
dieſe Beſtimmung über den Verluſt des Adels zu ſtreichen, entſchied ſich
in ihrer Mehrheit zuletzt doch für die Beibehaltung, indem bei dem
großen Gewicht, welches von einigen darauf gelegt wurde, das Ein-
verſtändniß über die Annahme des Geſetzbuchs im Ganzen dadurch
weſentlich gefördert wurde, und die Form der Aberkennung des Adels,
als Folge des von Rechtswegen eintretenden Verluſtes der bürgerlichen
Ehre, die ganze Frage weniger ſchroff heraustreten läßt. Die weitere
Erörterung dieſes Gegenſtandes, namentlich hinſichtlich der rechtlichen
Wirkungen des Verluſtes für die Kinder — iſt in das Civilrecht zu
verweiſen.

3) Daß mit dem Verluſte der bürgerlichen Ehre die eigentlichen
politiſchen Rechte aufgehoben werden, folgt aus dem vorher entwickelten
Begriff der ganzen Einrichtung; dagegen iſt die Vorſchrift, daß

4) auch die Unfähigkeit darunter befaßt wird, als Zeuge oder Sach-
verſtändiger eidlich vernommen zu werden, oder als Zeuge bei der Auf-
nahme von Urkunden zu dienen, — eine Neuerung, welche erſt in dem
Entwurfe von 1850. ſich findet und aus dieſem in das Geſetzbuch ge-
kommen iſt. Ebenſo verhält es ſich

5) mit der Unfähigkeit, Vormund, Nebenvormund, Kurator, ge-
richtlicher Beiſtand oder Mitglied eines Familienrathes zu ſein. Beide
Beſtimmungen entſprechen im Weſentlichen den Vorſchriften des Rheini-
ſchen Rechts, w) und beruhen zum Theil auf denſelben Motiven. Die
Ausſchließung des Ehrloſen von der Vormundſchaft und den verwandten
Funktionen entſpricht nur der höheren Auffaſſung dieſer Inſtitute, deren
Weſen gerade in dem Vertrauen ruht, und für welche erſt die rechte
Stelle gefunden iſt, wenn man ſie im Sinne des Ehrenamtes auffaßt
und geſetzlich normirt. Es ſpricht ſich darin nur die Anſchauung des
älteren Deutſchen Rechts aus, welches die Rechtloſen und Ehrloſen von
der Vormundſchaft ausſchloß. x) In Beziehung auf die eigenen Kinder

w) Code pénal. Art. 28.
x) Kraut, die Vormundſchaft. I. S. 60.
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[108/0118] Th. I. Beſtrafung d. Verbr. u. Vergehen im Allg. Tit. I. Von d. Strafen. ſchon oft erörterte Frage vom politiſchen und rechtlichen Standpunkte erwogen wurde. Von der einen Seite wurde hervorgehoben, daß nach der Verfaſſung (Art. 4.) Standesvorrechte nicht mehr beſtehen, der Adel alſo in dieſer Beziehung keinen Gegenſtand der richterlichen Entſcheidung ausmachen könne; als angeborenes Recht der Perſon, als Theil des Namens ſei er aber der Einwirkung der Staatsgewalt entzogen. Von der andern Seite legte man hauptſächlich das Gewicht darauf, daß der Adel eine Auszeichnung darſtellte, die noch vom Könige verliehen werden könne, und daß die Entziehung dieſer Auszeichnung wie die eines Titels durchaus zuläſſig ſein müſſe. Die Kommiſſion, obgleich Anfangs geneigt, dieſe Beſtimmung über den Verluſt des Adels zu ſtreichen, entſchied ſich in ihrer Mehrheit zuletzt doch für die Beibehaltung, indem bei dem großen Gewicht, welches von einigen darauf gelegt wurde, das Ein- verſtändniß über die Annahme des Geſetzbuchs im Ganzen dadurch weſentlich gefördert wurde, und die Form der Aberkennung des Adels, als Folge des von Rechtswegen eintretenden Verluſtes der bürgerlichen Ehre, die ganze Frage weniger ſchroff heraustreten läßt. Die weitere Erörterung dieſes Gegenſtandes, namentlich hinſichtlich der rechtlichen Wirkungen des Verluſtes für die Kinder — iſt in das Civilrecht zu verweiſen. 3) Daß mit dem Verluſte der bürgerlichen Ehre die eigentlichen politiſchen Rechte aufgehoben werden, folgt aus dem vorher entwickelten Begriff der ganzen Einrichtung; dagegen iſt die Vorſchrift, daß 4) auch die Unfähigkeit darunter befaßt wird, als Zeuge oder Sach- verſtändiger eidlich vernommen zu werden, oder als Zeuge bei der Auf- nahme von Urkunden zu dienen, — eine Neuerung, welche erſt in dem Entwurfe von 1850. ſich findet und aus dieſem in das Geſetzbuch ge- kommen iſt. Ebenſo verhält es ſich 5) mit der Unfähigkeit, Vormund, Nebenvormund, Kurator, ge- richtlicher Beiſtand oder Mitglied eines Familienrathes zu ſein. Beide Beſtimmungen entſprechen im Weſentlichen den Vorſchriften des Rheini- ſchen Rechts, w) und beruhen zum Theil auf denſelben Motiven. Die Ausſchließung des Ehrloſen von der Vormundſchaft und den verwandten Funktionen entſpricht nur der höheren Auffaſſung dieſer Inſtitute, deren Weſen gerade in dem Vertrauen ruht, und für welche erſt die rechte Stelle gefunden iſt, wenn man ſie im Sinne des Ehrenamtes auffaßt und geſetzlich normirt. Es ſpricht ſich darin nur die Anſchauung des älteren Deutſchen Rechts aus, welches die Rechtloſen und Ehrloſen von der Vormundſchaft ausſchloß. x) In Beziehung auf die eigenen Kinder w) Code pénal. Art. 28. x) Kraut, die Vormundſchaft. I. S. 60.

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/118>, abgerufen am 28.11.2024.