Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Berthold, Franz [d. i. Adelheid Reinbold]: Irrwisch-Fritze. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–115. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

Alle kamen überein, daß dieser Rath der einzige sei; der Umweg ward eingeschlagen, man fuhr ruhig weiter und unterhielt sich noch eine Stunde lang von der bestandenen Gefahr; Jeder erzählte seine Empfindungen und seine Bemerkungen dabei, Jeder hatte das Abenteuer anders erblickt; Grete wollte überhaupt nur zwei Flammen gesehen haben, Töffel gar bloß eine, Else hatte hinter sich Lachen gehört, als die Pferde sich gewendet, und meinte, es sei also doch wahr, was ihr Vater ihr immer von den Irrlichtern erzählt -- denn der Tischler war der weise Mann des Dorfs -- daß sie Geister böser Leute wären, die man ins Moor gebannt hätte; ebenso kämen auch alle Die dahin, die durch Hexerei oder Sympathie verunglückt wären. Fritz dachte an sein Versinken im Moor und schwieg, aber er faßte den Bäcker wie von Ungefähr an dem Arm und freute sich, daß er noch Fleisch und Bein sei. Das gefürchtete Wiedersehen war in dieser Verwirrung auch überstanden, sie wußten selbst nicht wie, denn jetzt dämmerte es stark, die kühle Morgenluft erhob sich, und der Tag brach an, ohne daß die Sonne sich zeigte; ein röthlich gefärbter Wolkenschleier überzog den Himmel, der sich bald in das fahle Weißgrau eines trüben Herbsttags umwandelte. Im Vorüberfahren sahen sie ganz in der Ferne die verhängnißvolle Waldspitze liegen, die in der Nüchternheit des Morgens als nichts Außerordentliches mehr erschien, und fast hätten sie ihrer vergangenen Furcht gelacht, wenn nicht der Blick

Alle kamen überein, daß dieser Rath der einzige sei; der Umweg ward eingeschlagen, man fuhr ruhig weiter und unterhielt sich noch eine Stunde lang von der bestandenen Gefahr; Jeder erzählte seine Empfindungen und seine Bemerkungen dabei, Jeder hatte das Abenteuer anders erblickt; Grete wollte überhaupt nur zwei Flammen gesehen haben, Töffel gar bloß eine, Else hatte hinter sich Lachen gehört, als die Pferde sich gewendet, und meinte, es sei also doch wahr, was ihr Vater ihr immer von den Irrlichtern erzählt — denn der Tischler war der weise Mann des Dorfs — daß sie Geister böser Leute wären, die man ins Moor gebannt hätte; ebenso kämen auch alle Die dahin, die durch Hexerei oder Sympathie verunglückt wären. Fritz dachte an sein Versinken im Moor und schwieg, aber er faßte den Bäcker wie von Ungefähr an dem Arm und freute sich, daß er noch Fleisch und Bein sei. Das gefürchtete Wiedersehen war in dieser Verwirrung auch überstanden, sie wußten selbst nicht wie, denn jetzt dämmerte es stark, die kühle Morgenluft erhob sich, und der Tag brach an, ohne daß die Sonne sich zeigte; ein röthlich gefärbter Wolkenschleier überzog den Himmel, der sich bald in das fahle Weißgrau eines trüben Herbsttags umwandelte. Im Vorüberfahren sahen sie ganz in der Ferne die verhängnißvolle Waldspitze liegen, die in der Nüchternheit des Morgens als nichts Außerordentliches mehr erschien, und fast hätten sie ihrer vergangenen Furcht gelacht, wenn nicht der Blick

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0099"/>
        <p>Alle kamen überein, daß dieser Rath der einzige sei; der Umweg ward eingeschlagen, man fuhr ruhig weiter und unterhielt sich noch eine Stunde lang von der bestandenen Gefahr; Jeder erzählte seine Empfindungen und seine Bemerkungen dabei, Jeder hatte das Abenteuer anders erblickt; Grete wollte überhaupt nur zwei Flammen gesehen haben, Töffel gar bloß eine, Else hatte hinter sich Lachen gehört, als die Pferde sich gewendet, und meinte, es sei also doch wahr, was ihr Vater ihr immer von den Irrlichtern erzählt &#x2014; denn der Tischler war der weise Mann des Dorfs &#x2014; daß sie Geister böser Leute wären, die man ins Moor gebannt hätte; ebenso kämen auch alle Die dahin, die durch Hexerei oder Sympathie verunglückt wären. Fritz dachte an sein Versinken im Moor und schwieg, aber er faßte den Bäcker wie von Ungefähr an dem Arm und freute sich, daß er noch Fleisch und Bein sei. Das gefürchtete Wiedersehen war in dieser Verwirrung auch überstanden, sie wußten selbst nicht wie, denn jetzt dämmerte es stark, die kühle Morgenluft erhob sich, und der Tag brach an, ohne daß die Sonne sich zeigte; ein röthlich gefärbter Wolkenschleier überzog den Himmel, der sich bald in das fahle Weißgrau eines trüben Herbsttags umwandelte. Im Vorüberfahren sahen sie ganz in der Ferne die verhängnißvolle Waldspitze liegen, die in der Nüchternheit des Morgens als nichts Außerordentliches mehr erschien, und fast hätten sie ihrer vergangenen Furcht gelacht, wenn nicht der Blick<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0099] Alle kamen überein, daß dieser Rath der einzige sei; der Umweg ward eingeschlagen, man fuhr ruhig weiter und unterhielt sich noch eine Stunde lang von der bestandenen Gefahr; Jeder erzählte seine Empfindungen und seine Bemerkungen dabei, Jeder hatte das Abenteuer anders erblickt; Grete wollte überhaupt nur zwei Flammen gesehen haben, Töffel gar bloß eine, Else hatte hinter sich Lachen gehört, als die Pferde sich gewendet, und meinte, es sei also doch wahr, was ihr Vater ihr immer von den Irrlichtern erzählt — denn der Tischler war der weise Mann des Dorfs — daß sie Geister böser Leute wären, die man ins Moor gebannt hätte; ebenso kämen auch alle Die dahin, die durch Hexerei oder Sympathie verunglückt wären. Fritz dachte an sein Versinken im Moor und schwieg, aber er faßte den Bäcker wie von Ungefähr an dem Arm und freute sich, daß er noch Fleisch und Bein sei. Das gefürchtete Wiedersehen war in dieser Verwirrung auch überstanden, sie wußten selbst nicht wie, denn jetzt dämmerte es stark, die kühle Morgenluft erhob sich, und der Tag brach an, ohne daß die Sonne sich zeigte; ein röthlich gefärbter Wolkenschleier überzog den Himmel, der sich bald in das fahle Weißgrau eines trüben Herbsttags umwandelte. Im Vorüberfahren sahen sie ganz in der Ferne die verhängnißvolle Waldspitze liegen, die in der Nüchternheit des Morgens als nichts Außerordentliches mehr erschien, und fast hätten sie ihrer vergangenen Furcht gelacht, wenn nicht der Blick

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt, c/o Prof. Dr. Thomas Weitin, TU Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-10T13:46:34Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget: conversion of OCR output to TEI-conformant markup and general correction. (2017-03-10T13:46:34Z)
Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-10T13:46:34Z)

Weitere Informationen:

Die Transkription erfolgte nach den unter http://www.deutschestextarchiv.de/doku/basisformat/ formulierten Richtlinien.

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: nicht gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/berthold_irrwischfritze_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/berthold_irrwischfritze_1910/99
Zitationshilfe: Berthold, Franz [d. i. Adelheid Reinbold]: Irrwisch-Fritze. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–115. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berthold_irrwischfritze_1910/99>, abgerufen am 24.04.2024.