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Berthold, Franz [d. i. Adelheid Reinbold]: Irrwisch-Fritze. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–115. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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zu. Wie sie sich näherten, vernahmen sie das Geschrei aufs Neue, jedoch wie erstickt, sie verdoppelten ihre Eile: Hülfe, Hülfe! erklang es wieder. -- Herr Gott! rief Lieschen, es versinkt einer im Moor; gieb Acht, Fritz, gieb Acht! -- Lieschen bleib da, gebot er, hier ist's noch fest -- er wollte sie von sich schütteln, aber Lieschen ließ seinen Arm nicht los, und vorsichtig jede Stelle, auf die er den Fuß setzte, prüfend, ging Fritz weiter. Das Geschrei ward wieder lauter, der Unglückliche schien Kräfte gesammelt zu haben, es war die Stimme eines Weibes oder Kindes. -- Wer ist da? rief Fritz laut. -- Ach, helft mir, rettet mich! klang es näher und näher, Hülfe, Hülfe! -- Was, rief Lieschen, das ist ein Spuk, oder Mariechen, die da schreit. -- Einige Schritte weiterhin entdeckten sie einen Kopf, der die Arme ausstreckte und mit schwacher Stimme schrie; die Beine waren versunken. Sie sprangen hinzu; wer ist's? rief Fritz. -- Ach, Fritz, Lieschen, Mariechen versinkt, antwortete die Kleine, denn sie war es, helft mir, helft! -- Halt dich stille! sagte Fritz, der überlegte, daß der Boden unter ihr wieder fest sein müsse, weil sie schon eine Weile so geschrieen hatte, wir ziehen dich heraus; rühr' dich nicht! bist du schon so lange drin, wie du schreist? -- Ach, erschrecklich lange, rief Mariechen; die abscheulichen Dinger, die haben mich irre geführt! -- Von unbezwinglicher Neugier getrieben, war das Kind der Schwester nachgeschlichen, und als es finster ward, traute sie sich nicht mehr allein

zu. Wie sie sich näherten, vernahmen sie das Geschrei aufs Neue, jedoch wie erstickt, sie verdoppelten ihre Eile: Hülfe, Hülfe! erklang es wieder. — Herr Gott! rief Lieschen, es versinkt einer im Moor; gieb Acht, Fritz, gieb Acht! — Lieschen bleib da, gebot er, hier ist's noch fest — er wollte sie von sich schütteln, aber Lieschen ließ seinen Arm nicht los, und vorsichtig jede Stelle, auf die er den Fuß setzte, prüfend, ging Fritz weiter. Das Geschrei ward wieder lauter, der Unglückliche schien Kräfte gesammelt zu haben, es war die Stimme eines Weibes oder Kindes. — Wer ist da? rief Fritz laut. — Ach, helft mir, rettet mich! klang es näher und näher, Hülfe, Hülfe! — Was, rief Lieschen, das ist ein Spuk, oder Mariechen, die da schreit. — Einige Schritte weiterhin entdeckten sie einen Kopf, der die Arme ausstreckte und mit schwacher Stimme schrie; die Beine waren versunken. Sie sprangen hinzu; wer ist's? rief Fritz. — Ach, Fritz, Lieschen, Mariechen versinkt, antwortete die Kleine, denn sie war es, helft mir, helft! — Halt dich stille! sagte Fritz, der überlegte, daß der Boden unter ihr wieder fest sein müsse, weil sie schon eine Weile so geschrieen hatte, wir ziehen dich heraus; rühr' dich nicht! bist du schon so lange drin, wie du schreist? — Ach, erschrecklich lange, rief Mariechen; die abscheulichen Dinger, die haben mich irre geführt! — Von unbezwinglicher Neugier getrieben, war das Kind der Schwester nachgeschlichen, und als es finster ward, traute sie sich nicht mehr allein

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[0077] zu. Wie sie sich näherten, vernahmen sie das Geschrei aufs Neue, jedoch wie erstickt, sie verdoppelten ihre Eile: Hülfe, Hülfe! erklang es wieder. — Herr Gott! rief Lieschen, es versinkt einer im Moor; gieb Acht, Fritz, gieb Acht! — Lieschen bleib da, gebot er, hier ist's noch fest — er wollte sie von sich schütteln, aber Lieschen ließ seinen Arm nicht los, und vorsichtig jede Stelle, auf die er den Fuß setzte, prüfend, ging Fritz weiter. Das Geschrei ward wieder lauter, der Unglückliche schien Kräfte gesammelt zu haben, es war die Stimme eines Weibes oder Kindes. — Wer ist da? rief Fritz laut. — Ach, helft mir, rettet mich! klang es näher und näher, Hülfe, Hülfe! — Was, rief Lieschen, das ist ein Spuk, oder Mariechen, die da schreit. — Einige Schritte weiterhin entdeckten sie einen Kopf, der die Arme ausstreckte und mit schwacher Stimme schrie; die Beine waren versunken. Sie sprangen hinzu; wer ist's? rief Fritz. — Ach, Fritz, Lieschen, Mariechen versinkt, antwortete die Kleine, denn sie war es, helft mir, helft! — Halt dich stille! sagte Fritz, der überlegte, daß der Boden unter ihr wieder fest sein müsse, weil sie schon eine Weile so geschrieen hatte, wir ziehen dich heraus; rühr' dich nicht! bist du schon so lange drin, wie du schreist? — Ach, erschrecklich lange, rief Mariechen; die abscheulichen Dinger, die haben mich irre geführt! — Von unbezwinglicher Neugier getrieben, war das Kind der Schwester nachgeschlichen, und als es finster ward, traute sie sich nicht mehr allein

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt, c/o Prof. Dr. Thomas Weitin, TU Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-10T13:46:34Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget: conversion of OCR output to TEI-conformant markup and general correction. (2017-03-10T13:46:34Z)
Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-10T13:46:34Z)

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Zitationshilfe: Berthold, Franz [d. i. Adelheid Reinbold]: Irrwisch-Fritze. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–115. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berthold_irrwischfritze_1910/77>, abgerufen am 22.11.2024.