Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Berthold, Franz [d. i. Adelheid Reinbold]: Irrwisch-Fritze. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–115. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

es auf und sah hinein. Der Titel war abgerissen und die Schrift von sonderbarer Art; es war wohl deutsch, hochdeutsch sogar, aber man konnte es nicht verstehen; hin und wieder befanden sich Zeichen am Rande, die es dem Eingeweihten vielleicht erläuterten, rothe und schwarze Punkte, Figuren hier und dorthin gemalt; an einem Ort schien ein Blatt herausgerissen, am Ende des Buches hörte der Druck ganz auf, und einige vergelbte Blätter folgten, auf welchen wunderliche Krakeleien verzeichnet standen, zwischen denen man Mond und Sonne unterschied.

Als Fritz, unfähig mit dem magischen Buch aufs Reine zu kommen, aus der Hütte trat, erschrak er, die Sonne schon so tief am Himmel zu sehen. Es ward ihm plötzlich bang ums Herz, und wie zu seinem Troste ließ er sein Halloh! durch die Gegend ertönen; doch da nichts als der Schall der eigenen Laute ihm antwortete, schlug er den Rückweg ein. Er lief, als sei Jemand hinter ihm, und es dämmerte erst, als er, von Schweiß triefend, den Rand des Föhrenwäldchens erreichte, von welchem aus man sein Dorf erblicken konnte. Schon seit einer Weile war ihm gewesen, als sehe er in einiger Ferne einen Schatten sich von Stamm zu Stamm winden, jetzt entdeckte er, daß es ein Mann sei, der auf ihn zu komme. Aber obgleich der Mann zu gehen schien, kam er nicht näher, und er ging doch auch. Fritz stand still, das Phänomen zu beobachten. Erhitzt wie er war, mußte er sich getäuscht haben, denn

es auf und sah hinein. Der Titel war abgerissen und die Schrift von sonderbarer Art; es war wohl deutsch, hochdeutsch sogar, aber man konnte es nicht verstehen; hin und wieder befanden sich Zeichen am Rande, die es dem Eingeweihten vielleicht erläuterten, rothe und schwarze Punkte, Figuren hier und dorthin gemalt; an einem Ort schien ein Blatt herausgerissen, am Ende des Buches hörte der Druck ganz auf, und einige vergelbte Blätter folgten, auf welchen wunderliche Krakeleien verzeichnet standen, zwischen denen man Mond und Sonne unterschied.

Als Fritz, unfähig mit dem magischen Buch aufs Reine zu kommen, aus der Hütte trat, erschrak er, die Sonne schon so tief am Himmel zu sehen. Es ward ihm plötzlich bang ums Herz, und wie zu seinem Troste ließ er sein Halloh! durch die Gegend ertönen; doch da nichts als der Schall der eigenen Laute ihm antwortete, schlug er den Rückweg ein. Er lief, als sei Jemand hinter ihm, und es dämmerte erst, als er, von Schweiß triefend, den Rand des Föhrenwäldchens erreichte, von welchem aus man sein Dorf erblicken konnte. Schon seit einer Weile war ihm gewesen, als sehe er in einiger Ferne einen Schatten sich von Stamm zu Stamm winden, jetzt entdeckte er, daß es ein Mann sei, der auf ihn zu komme. Aber obgleich der Mann zu gehen schien, kam er nicht näher, und er ging doch auch. Fritz stand still, das Phänomen zu beobachten. Erhitzt wie er war, mußte er sich getäuscht haben, denn

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0055"/>
es auf und sah hinein. Der Titel war                abgerissen und die Schrift von sonderbarer Art; es war wohl deutsch, hochdeutsch                sogar, aber man konnte es nicht verstehen; hin und wieder befanden sich Zeichen am                Rande, die es dem Eingeweihten vielleicht erläuterten, rothe und schwarze Punkte,                Figuren hier und dorthin gemalt; an einem Ort schien ein Blatt herausgerissen, am                Ende des Buches hörte der Druck ganz auf, und einige vergelbte Blätter folgten, auf                welchen wunderliche Krakeleien verzeichnet standen, zwischen denen man Mond und Sonne                unterschied.</p><lb/>
        <p>Als Fritz, unfähig mit dem magischen Buch aufs Reine zu kommen, aus der Hütte trat,                erschrak er, die Sonne schon so tief am Himmel zu sehen. Es ward ihm plötzlich bang                ums Herz, und wie zu seinem Troste ließ er sein Halloh! durch die Gegend ertönen;                doch da nichts als der Schall der eigenen Laute ihm antwortete, schlug er den Rückweg                ein. Er lief, als sei Jemand hinter ihm, und es dämmerte erst, als er, von Schweiß                triefend, den Rand des Föhrenwäldchens erreichte, von welchem aus man sein Dorf                erblicken konnte. Schon seit einer Weile war ihm gewesen, als sehe er in einiger                Ferne einen Schatten sich von Stamm zu Stamm winden, jetzt entdeckte er, daß es ein                Mann sei, der auf ihn zu komme. Aber obgleich der Mann zu gehen schien, kam er nicht                näher, und er ging doch auch. Fritz stand still, das Phänomen zu beobachten. Erhitzt                wie er war, mußte er sich getäuscht haben, denn<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0055] es auf und sah hinein. Der Titel war abgerissen und die Schrift von sonderbarer Art; es war wohl deutsch, hochdeutsch sogar, aber man konnte es nicht verstehen; hin und wieder befanden sich Zeichen am Rande, die es dem Eingeweihten vielleicht erläuterten, rothe und schwarze Punkte, Figuren hier und dorthin gemalt; an einem Ort schien ein Blatt herausgerissen, am Ende des Buches hörte der Druck ganz auf, und einige vergelbte Blätter folgten, auf welchen wunderliche Krakeleien verzeichnet standen, zwischen denen man Mond und Sonne unterschied. Als Fritz, unfähig mit dem magischen Buch aufs Reine zu kommen, aus der Hütte trat, erschrak er, die Sonne schon so tief am Himmel zu sehen. Es ward ihm plötzlich bang ums Herz, und wie zu seinem Troste ließ er sein Halloh! durch die Gegend ertönen; doch da nichts als der Schall der eigenen Laute ihm antwortete, schlug er den Rückweg ein. Er lief, als sei Jemand hinter ihm, und es dämmerte erst, als er, von Schweiß triefend, den Rand des Föhrenwäldchens erreichte, von welchem aus man sein Dorf erblicken konnte. Schon seit einer Weile war ihm gewesen, als sehe er in einiger Ferne einen Schatten sich von Stamm zu Stamm winden, jetzt entdeckte er, daß es ein Mann sei, der auf ihn zu komme. Aber obgleich der Mann zu gehen schien, kam er nicht näher, und er ging doch auch. Fritz stand still, das Phänomen zu beobachten. Erhitzt wie er war, mußte er sich getäuscht haben, denn

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt, c/o Prof. Dr. Thomas Weitin, TU Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-10T13:46:34Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget: conversion of OCR output to TEI-conformant markup and general correction. (2017-03-10T13:46:34Z)
Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-10T13:46:34Z)

Weitere Informationen:

Die Transkription erfolgte nach den unter http://www.deutschestextarchiv.de/doku/basisformat/ formulierten Richtlinien.

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: nicht gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/berthold_irrwischfritze_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/berthold_irrwischfritze_1910/55
Zitationshilfe: Berthold, Franz [d. i. Adelheid Reinbold]: Irrwisch-Fritze. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–115. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berthold_irrwischfritze_1910/55>, abgerufen am 23.11.2024.