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Berthold, Franz [d. i. Adelheid Reinbold]: Irrwisch-Fritze. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–115. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Eine Pfeife Taback weiter fand er wirklich des Immekers Wohnung, vor der eine Menge leerer Bienenkörbe standen, doch war sie gleich diesen leer; der Mann mußte grade heute gegangen sein, Vorräthe zu holen. In der Hoffnung, er könne noch wiederkommen, entschloß sich Fritz, ein wenig zu warten, und trat in die Hütte. Hier war das Reich der Natur und der Freiheit. Da lag ein angefangener Bienenkorb, dort Stroh und Weidenruthen, Messer, Kleider und Geräthschaften aller Art; auf einem hölzernen Tischchen stand eine schräggestellte Schüssel mit Honigscheiben, deren Saft in ein auf der Erde befindliches Gefäß auströpfelte. Niemand stahl hier als die kleinen Bienen, welche wieder von dem Honig naschten, den man ihnen geraubt, und wenn auch Jemand in diese Einöde kam, der Immeker war ein gefürchteter Mann, der Jedem, der ihm etwas genommen, ein Leides anthun konnte, Keiner wußte wie; denn ein Immeker versteht sich auf vielerlei Dinge, unter andern darauf, jeden Dieb ausfindig zu machen. Fritz betrachtete alles um sich her mit einer Art religiöser Scheu, kaum wagte er etwas anzurühren; er sah in der Sicherheit dieser preisgegebenen Gegenstände einen Beweis ihrer Heiligkeit und der Macht des Immekers, den er sich vornahm auf alle Weise zu Rathe zu ziehen, und wenn er noch mehr als einmal wiederkommen müßte. Auf dem Tische lag ein abgenutztes Spiel deutscher Karten, daneben ein altes Buch in schweinsledernem Einbande; Fritz machte

Eine Pfeife Taback weiter fand er wirklich des Immekers Wohnung, vor der eine Menge leerer Bienenkörbe standen, doch war sie gleich diesen leer; der Mann mußte grade heute gegangen sein, Vorräthe zu holen. In der Hoffnung, er könne noch wiederkommen, entschloß sich Fritz, ein wenig zu warten, und trat in die Hütte. Hier war das Reich der Natur und der Freiheit. Da lag ein angefangener Bienenkorb, dort Stroh und Weidenruthen, Messer, Kleider und Geräthschaften aller Art; auf einem hölzernen Tischchen stand eine schräggestellte Schüssel mit Honigscheiben, deren Saft in ein auf der Erde befindliches Gefäß auströpfelte. Niemand stahl hier als die kleinen Bienen, welche wieder von dem Honig naschten, den man ihnen geraubt, und wenn auch Jemand in diese Einöde kam, der Immeker war ein gefürchteter Mann, der Jedem, der ihm etwas genommen, ein Leides anthun konnte, Keiner wußte wie; denn ein Immeker versteht sich auf vielerlei Dinge, unter andern darauf, jeden Dieb ausfindig zu machen. Fritz betrachtete alles um sich her mit einer Art religiöser Scheu, kaum wagte er etwas anzurühren; er sah in der Sicherheit dieser preisgegebenen Gegenstände einen Beweis ihrer Heiligkeit und der Macht des Immekers, den er sich vornahm auf alle Weise zu Rathe zu ziehen, und wenn er noch mehr als einmal wiederkommen müßte. Auf dem Tische lag ein abgenutztes Spiel deutscher Karten, daneben ein altes Buch in schweinsledernem Einbande; Fritz machte

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[0054] Eine Pfeife Taback weiter fand er wirklich des Immekers Wohnung, vor der eine Menge leerer Bienenkörbe standen, doch war sie gleich diesen leer; der Mann mußte grade heute gegangen sein, Vorräthe zu holen. In der Hoffnung, er könne noch wiederkommen, entschloß sich Fritz, ein wenig zu warten, und trat in die Hütte. Hier war das Reich der Natur und der Freiheit. Da lag ein angefangener Bienenkorb, dort Stroh und Weidenruthen, Messer, Kleider und Geräthschaften aller Art; auf einem hölzernen Tischchen stand eine schräggestellte Schüssel mit Honigscheiben, deren Saft in ein auf der Erde befindliches Gefäß auströpfelte. Niemand stahl hier als die kleinen Bienen, welche wieder von dem Honig naschten, den man ihnen geraubt, und wenn auch Jemand in diese Einöde kam, der Immeker war ein gefürchteter Mann, der Jedem, der ihm etwas genommen, ein Leides anthun konnte, Keiner wußte wie; denn ein Immeker versteht sich auf vielerlei Dinge, unter andern darauf, jeden Dieb ausfindig zu machen. Fritz betrachtete alles um sich her mit einer Art religiöser Scheu, kaum wagte er etwas anzurühren; er sah in der Sicherheit dieser preisgegebenen Gegenstände einen Beweis ihrer Heiligkeit und der Macht des Immekers, den er sich vornahm auf alle Weise zu Rathe zu ziehen, und wenn er noch mehr als einmal wiederkommen müßte. Auf dem Tische lag ein abgenutztes Spiel deutscher Karten, daneben ein altes Buch in schweinsledernem Einbande; Fritz machte

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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt, c/o Prof. Dr. Thomas Weitin, TU Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-10T13:46:34Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget: conversion of OCR output to TEI-conformant markup and general correction. (2017-03-10T13:46:34Z)
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Zitationshilfe: Berthold, Franz [d. i. Adelheid Reinbold]: Irrwisch-Fritze. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–115. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berthold_irrwischfritze_1910/54>, abgerufen am 27.04.2024.