Berthold, Franz [d. i. Adelheid Reinbold]: Irrwisch-Fritze. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–115. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.eigenes Feld zum Kornschneiden, da sahen sie ihn gerade auf sie zukommen. Aber sobald er sie gewahr ward, wandte er sich um, als habe ihn eine Schlange gestochen. Das machte sie sehr traurig, und schon dachte sie die verzweifeltsten Entwürfe aus, ihn zu sprechen, als sie ganz nahe bei sich ein Husten hörte; Mariechen schnitt eben am anderen Ende des Feldes. Es war Fritz, der in dem Ackergraben hinter einem Busche auf der Lauer lag. Lieschen ging dahin, als wolle sie sich einen Zweig brechen, die Fliegen damit aus der Stube zu jagen, und flüsterte: Fritz! bist du's -- Freilich, Liese, wer sonst? Bist du mir noch gut? Ach, Liese, das war eine schreckliche Zeit! -- Fritz, sagte sie, geh hier weg, aber ich will dich noch einmal sprechen. -- Nur einmal? unterbrach sie Fritz. -- Komm heut Nacht um elf Uhr an unsern Gartenzaun, wo das Loch ist, durch das man den Kopf stecken kann, und denke bis dahin nichts Schlimmes von mir. Heirathest du ihn, Liese, fragte er, heirathest du ihn? Ach Fritz! erwiderte sie. Mariechen sah sich um, und Liese riß einen großen Zweig ab, kehrte zurück und legte ihn neben ihr Bündelchen. Warum hast du ihn denn jetzt schon abgerissen? Nun wird er trocken, bis wir nach Hause gehen! sagte Mariechen. Fritz entfernte sich kriechend, wie er gekommen, bis ihn das hohe Korn verbarg. Der sehnlich erwartete Abend kam endlich. Alles eigenes Feld zum Kornschneiden, da sahen sie ihn gerade auf sie zukommen. Aber sobald er sie gewahr ward, wandte er sich um, als habe ihn eine Schlange gestochen. Das machte sie sehr traurig, und schon dachte sie die verzweifeltsten Entwürfe aus, ihn zu sprechen, als sie ganz nahe bei sich ein Husten hörte; Mariechen schnitt eben am anderen Ende des Feldes. Es war Fritz, der in dem Ackergraben hinter einem Busche auf der Lauer lag. Lieschen ging dahin, als wolle sie sich einen Zweig brechen, die Fliegen damit aus der Stube zu jagen, und flüsterte: Fritz! bist du's — Freilich, Liese, wer sonst? Bist du mir noch gut? Ach, Liese, das war eine schreckliche Zeit! — Fritz, sagte sie, geh hier weg, aber ich will dich noch einmal sprechen. — Nur einmal? unterbrach sie Fritz. — Komm heut Nacht um elf Uhr an unsern Gartenzaun, wo das Loch ist, durch das man den Kopf stecken kann, und denke bis dahin nichts Schlimmes von mir. Heirathest du ihn, Liese, fragte er, heirathest du ihn? Ach Fritz! erwiderte sie. Mariechen sah sich um, und Liese riß einen großen Zweig ab, kehrte zurück und legte ihn neben ihr Bündelchen. Warum hast du ihn denn jetzt schon abgerissen? Nun wird er trocken, bis wir nach Hause gehen! sagte Mariechen. Fritz entfernte sich kriechend, wie er gekommen, bis ihn das hohe Korn verbarg. Der sehnlich erwartete Abend kam endlich. Alles <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0039"/> eigenes Feld zum Kornschneiden, da sahen sie ihn gerade auf sie zukommen. Aber sobald er sie gewahr ward, wandte er sich um, als habe ihn eine Schlange gestochen. Das machte sie sehr traurig, und schon dachte sie die verzweifeltsten Entwürfe aus, ihn zu sprechen, als sie ganz nahe bei sich ein Husten hörte; Mariechen schnitt eben am anderen Ende des Feldes. Es war Fritz, der in dem Ackergraben hinter einem Busche auf der Lauer lag. Lieschen ging dahin, als wolle sie sich einen Zweig brechen, die Fliegen damit aus der Stube zu jagen, und flüsterte: Fritz! bist du's — Freilich, Liese, wer sonst? Bist du mir noch gut? Ach, Liese, das war eine schreckliche Zeit! — Fritz, sagte sie, geh hier weg, aber ich will dich noch einmal sprechen. — Nur einmal? unterbrach sie Fritz. — Komm heut Nacht um elf Uhr an unsern Gartenzaun, wo das Loch ist, durch das man den Kopf stecken kann, und denke bis dahin nichts Schlimmes von mir.</p><lb/> <p>Heirathest du ihn, Liese, fragte er, heirathest du ihn?</p><lb/> <p>Ach Fritz! erwiderte sie. Mariechen sah sich um, und Liese riß einen großen Zweig ab, kehrte zurück und legte ihn neben ihr Bündelchen. Warum hast du ihn denn jetzt schon abgerissen? Nun wird er trocken, bis wir nach Hause gehen! sagte Mariechen. Fritz entfernte sich kriechend, wie er gekommen, bis ihn das hohe Korn verbarg.</p><lb/> <p>Der sehnlich erwartete Abend kam endlich. Alles<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0039]
eigenes Feld zum Kornschneiden, da sahen sie ihn gerade auf sie zukommen. Aber sobald er sie gewahr ward, wandte er sich um, als habe ihn eine Schlange gestochen. Das machte sie sehr traurig, und schon dachte sie die verzweifeltsten Entwürfe aus, ihn zu sprechen, als sie ganz nahe bei sich ein Husten hörte; Mariechen schnitt eben am anderen Ende des Feldes. Es war Fritz, der in dem Ackergraben hinter einem Busche auf der Lauer lag. Lieschen ging dahin, als wolle sie sich einen Zweig brechen, die Fliegen damit aus der Stube zu jagen, und flüsterte: Fritz! bist du's — Freilich, Liese, wer sonst? Bist du mir noch gut? Ach, Liese, das war eine schreckliche Zeit! — Fritz, sagte sie, geh hier weg, aber ich will dich noch einmal sprechen. — Nur einmal? unterbrach sie Fritz. — Komm heut Nacht um elf Uhr an unsern Gartenzaun, wo das Loch ist, durch das man den Kopf stecken kann, und denke bis dahin nichts Schlimmes von mir.
Heirathest du ihn, Liese, fragte er, heirathest du ihn?
Ach Fritz! erwiderte sie. Mariechen sah sich um, und Liese riß einen großen Zweig ab, kehrte zurück und legte ihn neben ihr Bündelchen. Warum hast du ihn denn jetzt schon abgerissen? Nun wird er trocken, bis wir nach Hause gehen! sagte Mariechen. Fritz entfernte sich kriechend, wie er gekommen, bis ihn das hohe Korn verbarg.
Der sehnlich erwartete Abend kam endlich. Alles
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Zitationshilfe: | Berthold, Franz [d. i. Adelheid Reinbold]: Irrwisch-Fritze. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–115. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berthold_irrwischfritze_1910/39>, abgerufen am 03.07.2024. |