Berthold, Franz [d. i. Adelheid Reinbold]: Irrwisch-Fritze. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–115. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Wundert Euch das? Eine so hübsche Dirne, die eine gute Aussteuer mitbringt, wird doch wohl noch an den Mann kommen? Sie heirathet den Bäcker -- Liese! rief Fritz, die Geliebte ansehend. Liese zitterte und wagte nicht zu antworten, der Blick des Vaters hatte sie wieder getroffen. Und Ihr werdet mir einen Gefallen thun, fuhr der Bauer, als ob jener nichts gesagt hätte, fort, wenn Ihr uns nicht mehr heimsuchen wollt, weil es sich nicht schicken würde. Meiner Tochter Bräutigam ist ein wohlhabender und ein rechtlicher Mann, und ich werde sie Keinem geben, der nichts hat, als sein Paar gesunde Arme. Lieschen schwieg noch immer. Fritzens Blick haftete auf ihr, aber er begegnete dem ihrigen nicht. Gut, sagte er, Herr Jürgen; Ihr sollt den armen Irrwischjungen nicht wieder auf Eurer Schwelle sehn. -- Er schlug die Thür zu und ging. Liesen war schrecklich zu Muth. Die folgenden Tage ließ man sie nicht ausgehen, dann gab man ihr Mariechen unter irgend einem Vorwand zur Begleitung mit und schickte sie nur dahin, wo man sicher war, daß sie Fritzen nicht traf; vermuthlich wurde Mariechen dazu gebraucht, die Orte, wo er Arbeit hatte, auszukundschaften. Liese begriff nicht, daß sie ihn nirgends sah. Schmollte er? Ach, wenn er ihr auch zürnte, dann war sie ganz verloren! Oder hatte er sich schon getröstet? -- Einmal ging sie mit Mariechen auf ihr Wundert Euch das? Eine so hübsche Dirne, die eine gute Aussteuer mitbringt, wird doch wohl noch an den Mann kommen? Sie heirathet den Bäcker — Liese! rief Fritz, die Geliebte ansehend. Liese zitterte und wagte nicht zu antworten, der Blick des Vaters hatte sie wieder getroffen. Und Ihr werdet mir einen Gefallen thun, fuhr der Bauer, als ob jener nichts gesagt hätte, fort, wenn Ihr uns nicht mehr heimsuchen wollt, weil es sich nicht schicken würde. Meiner Tochter Bräutigam ist ein wohlhabender und ein rechtlicher Mann, und ich werde sie Keinem geben, der nichts hat, als sein Paar gesunde Arme. Lieschen schwieg noch immer. Fritzens Blick haftete auf ihr, aber er begegnete dem ihrigen nicht. Gut, sagte er, Herr Jürgen; Ihr sollt den armen Irrwischjungen nicht wieder auf Eurer Schwelle sehn. — Er schlug die Thür zu und ging. Liesen war schrecklich zu Muth. Die folgenden Tage ließ man sie nicht ausgehen, dann gab man ihr Mariechen unter irgend einem Vorwand zur Begleitung mit und schickte sie nur dahin, wo man sicher war, daß sie Fritzen nicht traf; vermuthlich wurde Mariechen dazu gebraucht, die Orte, wo er Arbeit hatte, auszukundschaften. Liese begriff nicht, daß sie ihn nirgends sah. Schmollte er? Ach, wenn er ihr auch zürnte, dann war sie ganz verloren! Oder hatte er sich schon getröstet? — Einmal ging sie mit Mariechen auf ihr <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0038"/> <p>Wundert Euch das? Eine so hübsche Dirne, die eine gute Aussteuer mitbringt, wird doch wohl noch an den Mann kommen? Sie heirathet den Bäcker —</p><lb/> <p>Liese! rief Fritz, die Geliebte ansehend.</p><lb/> <p>Liese zitterte und wagte nicht zu antworten, der Blick des Vaters hatte sie wieder getroffen.</p><lb/> <p>Und Ihr werdet mir einen Gefallen thun, fuhr der Bauer, als ob jener nichts gesagt hätte, fort, wenn Ihr uns nicht mehr heimsuchen wollt, weil es sich nicht schicken würde. Meiner Tochter Bräutigam ist ein wohlhabender und ein rechtlicher Mann, und ich werde sie Keinem geben, der nichts hat, als sein Paar gesunde Arme.</p><lb/> <p>Lieschen schwieg noch immer. Fritzens Blick haftete auf ihr, aber er begegnete dem ihrigen nicht. Gut, sagte er, Herr Jürgen; Ihr sollt den armen Irrwischjungen nicht wieder auf Eurer Schwelle sehn. — Er schlug die Thür zu und ging.</p><lb/> <p>Liesen war schrecklich zu Muth. Die folgenden Tage ließ man sie nicht ausgehen, dann gab man ihr Mariechen unter irgend einem Vorwand zur Begleitung mit und schickte sie nur dahin, wo man sicher war, daß sie Fritzen nicht traf; vermuthlich wurde Mariechen dazu gebraucht, die Orte, wo er Arbeit hatte, auszukundschaften. Liese begriff nicht, daß sie ihn nirgends sah. Schmollte er? Ach, wenn er ihr auch zürnte, dann war sie ganz verloren! Oder hatte er sich schon getröstet? — Einmal ging sie mit Mariechen auf ihr<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0038]
Wundert Euch das? Eine so hübsche Dirne, die eine gute Aussteuer mitbringt, wird doch wohl noch an den Mann kommen? Sie heirathet den Bäcker —
Liese! rief Fritz, die Geliebte ansehend.
Liese zitterte und wagte nicht zu antworten, der Blick des Vaters hatte sie wieder getroffen.
Und Ihr werdet mir einen Gefallen thun, fuhr der Bauer, als ob jener nichts gesagt hätte, fort, wenn Ihr uns nicht mehr heimsuchen wollt, weil es sich nicht schicken würde. Meiner Tochter Bräutigam ist ein wohlhabender und ein rechtlicher Mann, und ich werde sie Keinem geben, der nichts hat, als sein Paar gesunde Arme.
Lieschen schwieg noch immer. Fritzens Blick haftete auf ihr, aber er begegnete dem ihrigen nicht. Gut, sagte er, Herr Jürgen; Ihr sollt den armen Irrwischjungen nicht wieder auf Eurer Schwelle sehn. — Er schlug die Thür zu und ging.
Liesen war schrecklich zu Muth. Die folgenden Tage ließ man sie nicht ausgehen, dann gab man ihr Mariechen unter irgend einem Vorwand zur Begleitung mit und schickte sie nur dahin, wo man sicher war, daß sie Fritzen nicht traf; vermuthlich wurde Mariechen dazu gebraucht, die Orte, wo er Arbeit hatte, auszukundschaften. Liese begriff nicht, daß sie ihn nirgends sah. Schmollte er? Ach, wenn er ihr auch zürnte, dann war sie ganz verloren! Oder hatte er sich schon getröstet? — Einmal ging sie mit Mariechen auf ihr
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Zitationshilfe: | Berthold, Franz [d. i. Adelheid Reinbold]: Irrwisch-Fritze. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–115. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berthold_irrwischfritze_1910/38>, abgerufen am 22.07.2024. |