Berthold, Franz [d. i. Adelheid Reinbold]: Irrwisch-Fritze. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–115. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Gilt's denn nicht wie wir's gemeint haben? fragte Töffel. Gott allein kennt die Herzen, erwiderte der Pfarrer, nicht aber die menschliche Gerechtigkeit -- Dann hat Gott bei uns recht gesehn, unterbrach ihn Fritz -- Ich muß darüber ans Konsistorium berichten, fuhr der Pfarrer, ohne auf ihn zu achten, fort; ihr müßt geschieden werden, ihr guten Leute, und nachher muß ich euch noch einmal kopuliren -- Ach, das wäre ja eine erschreckliche Weitläufigkeit! rief Klaus. -- Der Pastor verwünschte im Stillen das Vergnügen, welches ihm diesen bösen Handel zugezogen hatte. Es ist doch nicht anders, sagte er. Der Bäcker schwieg. Aber Fritz, der mit Lieschen geflüstert hatte, trat jetzt vor. Herr Pastor, sagte er, wenn nun einer von uns sich nicht scheiden lassen will? Wer wäre denn das? fragte der Pfarrer. Ich! rief Fritz. Die ist meine Frau, und Keiner kann sie mir nehmen. Wir haben uns lange lieb gehabt, und ich habe den lieben Gott Tag und Nacht gebeten, er solle sie mir zur Frau geben, denn die Aeltern wollten nicht; nun hat Gott es zu Stande gebracht, wir wissen selbst nicht wie, und ich sollte sie mir wieder nehmen lassen? Das ist ja eine kuriose Sprache, rief der Bäcker; meine Braut! Gilt's denn nicht wie wir's gemeint haben? fragte Töffel. Gott allein kennt die Herzen, erwiderte der Pfarrer, nicht aber die menschliche Gerechtigkeit — Dann hat Gott bei uns recht gesehn, unterbrach ihn Fritz — Ich muß darüber ans Konsistorium berichten, fuhr der Pfarrer, ohne auf ihn zu achten, fort; ihr müßt geschieden werden, ihr guten Leute, und nachher muß ich euch noch einmal kopuliren — Ach, das wäre ja eine erschreckliche Weitläufigkeit! rief Klaus. — Der Pastor verwünschte im Stillen das Vergnügen, welches ihm diesen bösen Handel zugezogen hatte. Es ist doch nicht anders, sagte er. Der Bäcker schwieg. Aber Fritz, der mit Lieschen geflüstert hatte, trat jetzt vor. Herr Pastor, sagte er, wenn nun einer von uns sich nicht scheiden lassen will? Wer wäre denn das? fragte der Pfarrer. Ich! rief Fritz. Die ist meine Frau, und Keiner kann sie mir nehmen. Wir haben uns lange lieb gehabt, und ich habe den lieben Gott Tag und Nacht gebeten, er solle sie mir zur Frau geben, denn die Aeltern wollten nicht; nun hat Gott es zu Stande gebracht, wir wissen selbst nicht wie, und ich sollte sie mir wieder nehmen lassen? Das ist ja eine kuriose Sprache, rief der Bäcker; meine Braut! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0112"/> <p>Gilt's denn nicht wie wir's gemeint haben? fragte Töffel.</p><lb/> <p>Gott allein kennt die Herzen, erwiderte der Pfarrer, nicht aber die menschliche Gerechtigkeit —</p><lb/> <p>Dann hat Gott bei uns recht gesehn, unterbrach ihn Fritz —</p><lb/> <p>Ich muß darüber ans Konsistorium berichten, fuhr der Pfarrer, ohne auf ihn zu achten, fort; ihr müßt geschieden werden, ihr guten Leute, und nachher muß ich euch noch einmal kopuliren — Ach, das wäre ja eine erschreckliche Weitläufigkeit! rief Klaus. — Der Pastor verwünschte im Stillen das Vergnügen, welches ihm diesen bösen Handel zugezogen hatte. Es ist doch nicht anders, sagte er. Der Bäcker schwieg.</p><lb/> <p>Aber Fritz, der mit Lieschen geflüstert hatte, trat jetzt vor. Herr Pastor, sagte er, wenn nun einer von uns sich nicht scheiden lassen will?</p><lb/> <p>Wer wäre denn das? fragte der Pfarrer.</p><lb/> <p>Ich! rief Fritz. Die ist meine Frau, und Keiner kann sie mir nehmen. Wir haben uns lange lieb gehabt, und ich habe den lieben Gott Tag und Nacht gebeten, er solle sie mir zur Frau geben, denn die Aeltern wollten nicht; nun hat Gott es zu Stande gebracht, wir wissen selbst nicht wie, und ich sollte sie mir wieder nehmen lassen?</p><lb/> <p>Das ist ja eine kuriose Sprache, rief der Bäcker; meine Braut!</p><lb/><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0112]
Gilt's denn nicht wie wir's gemeint haben? fragte Töffel.
Gott allein kennt die Herzen, erwiderte der Pfarrer, nicht aber die menschliche Gerechtigkeit —
Dann hat Gott bei uns recht gesehn, unterbrach ihn Fritz —
Ich muß darüber ans Konsistorium berichten, fuhr der Pfarrer, ohne auf ihn zu achten, fort; ihr müßt geschieden werden, ihr guten Leute, und nachher muß ich euch noch einmal kopuliren — Ach, das wäre ja eine erschreckliche Weitläufigkeit! rief Klaus. — Der Pastor verwünschte im Stillen das Vergnügen, welches ihm diesen bösen Handel zugezogen hatte. Es ist doch nicht anders, sagte er. Der Bäcker schwieg.
Aber Fritz, der mit Lieschen geflüstert hatte, trat jetzt vor. Herr Pastor, sagte er, wenn nun einer von uns sich nicht scheiden lassen will?
Wer wäre denn das? fragte der Pfarrer.
Ich! rief Fritz. Die ist meine Frau, und Keiner kann sie mir nehmen. Wir haben uns lange lieb gehabt, und ich habe den lieben Gott Tag und Nacht gebeten, er solle sie mir zur Frau geben, denn die Aeltern wollten nicht; nun hat Gott es zu Stande gebracht, wir wissen selbst nicht wie, und ich sollte sie mir wieder nehmen lassen?
Das ist ja eine kuriose Sprache, rief der Bäcker; meine Braut!
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Zitationshilfe: | Berthold, Franz [d. i. Adelheid Reinbold]: Irrwisch-Fritze. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–115. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berthold_irrwischfritze_1910/112>, abgerufen am 22.07.2024. |