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Berthold, Franz [d. i. Adelheid Reinbold]: Irrwisch-Fritze. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–115. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Wirthshaus gelassen, gab dem Bäcker die Hand, entschuldigte sich; ja, ja, Herrendienst, lachte er, Wilddieberei für unser eins -- so was kömmt denn in die Quer, kömmt aber auch nicht alle Tage -- und einmal ist keinmal -- besser spät als gar nicht -- nun, Herr Baumann, ich hoffe, meine Frau hat Ihnen die Zeit nicht zu lang werden lassen -- ich will mich nur geschwind ins Zeug werfen -- und damit ging er in seine Kammer.

In wenig Minuten kam er angekleidet zurück und Lieschen zitterte, als sie sah, daß nun Ernst werden sollte und Alles zu Ende ging. Die Paare drängten sich durch die Thür auf den Kirchplatz. Draußen zupfte der Kantor den Herrn Pastor am Aermel -- Herr Pastor, sagte er, ich sollte wohl eigentlich die Lichter auf dem Altare anstecken, aber die letzten sind ganz heruntergebrannt, und die Botenfrau hat in der Fabrik keine bekommen, die bestellte Sorte war eben ausgegangen -- morgen kommen wieder welche, aber heute? -- Wer konnte auch das erwarten! --

Liebe Frau! rief der Prediger seiner Gattin zu, die noch auf der Schwelle stand und den Hochzeitsleuten nachsah. -- Sie näherte sich. -- Hast du nicht noch die alten Wachsenden von neulich? -- flüsterte er. -- Die sind ja zu Bettenwichse eingeschmolzen worden, wie du weißt. -- Nun, so laßt's gut sein, ich kann noch sehen, ich weiß Alles auswendig! Es ist gut, Herr Kantor, sagte der Pastor, und setzte sich nach der

Wirthshaus gelassen, gab dem Bäcker die Hand, entschuldigte sich; ja, ja, Herrendienst, lachte er, Wilddieberei für unser eins — so was kömmt denn in die Quer, kömmt aber auch nicht alle Tage — und einmal ist keinmal — besser spät als gar nicht — nun, Herr Baumann, ich hoffe, meine Frau hat Ihnen die Zeit nicht zu lang werden lassen — ich will mich nur geschwind ins Zeug werfen — und damit ging er in seine Kammer.

In wenig Minuten kam er angekleidet zurück und Lieschen zitterte, als sie sah, daß nun Ernst werden sollte und Alles zu Ende ging. Die Paare drängten sich durch die Thür auf den Kirchplatz. Draußen zupfte der Kantor den Herrn Pastor am Aermel — Herr Pastor, sagte er, ich sollte wohl eigentlich die Lichter auf dem Altare anstecken, aber die letzten sind ganz heruntergebrannt, und die Botenfrau hat in der Fabrik keine bekommen, die bestellte Sorte war eben ausgegangen — morgen kommen wieder welche, aber heute? — Wer konnte auch das erwarten! —

Liebe Frau! rief der Prediger seiner Gattin zu, die noch auf der Schwelle stand und den Hochzeitsleuten nachsah. — Sie näherte sich. — Hast du nicht noch die alten Wachsenden von neulich? — flüsterte er. — Die sind ja zu Bettenwichse eingeschmolzen worden, wie du weißt. — Nun, so laßt's gut sein, ich kann noch sehen, ich weiß Alles auswendig! Es ist gut, Herr Kantor, sagte der Pastor, und setzte sich nach der

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[0108] Wirthshaus gelassen, gab dem Bäcker die Hand, entschuldigte sich; ja, ja, Herrendienst, lachte er, Wilddieberei für unser eins — so was kömmt denn in die Quer, kömmt aber auch nicht alle Tage — und einmal ist keinmal — besser spät als gar nicht — nun, Herr Baumann, ich hoffe, meine Frau hat Ihnen die Zeit nicht zu lang werden lassen — ich will mich nur geschwind ins Zeug werfen — und damit ging er in seine Kammer. In wenig Minuten kam er angekleidet zurück und Lieschen zitterte, als sie sah, daß nun Ernst werden sollte und Alles zu Ende ging. Die Paare drängten sich durch die Thür auf den Kirchplatz. Draußen zupfte der Kantor den Herrn Pastor am Aermel — Herr Pastor, sagte er, ich sollte wohl eigentlich die Lichter auf dem Altare anstecken, aber die letzten sind ganz heruntergebrannt, und die Botenfrau hat in der Fabrik keine bekommen, die bestellte Sorte war eben ausgegangen — morgen kommen wieder welche, aber heute? — Wer konnte auch das erwarten! — Liebe Frau! rief der Prediger seiner Gattin zu, die noch auf der Schwelle stand und den Hochzeitsleuten nachsah. — Sie näherte sich. — Hast du nicht noch die alten Wachsenden von neulich? — flüsterte er. — Die sind ja zu Bettenwichse eingeschmolzen worden, wie du weißt. — Nun, so laßt's gut sein, ich kann noch sehen, ich weiß Alles auswendig! Es ist gut, Herr Kantor, sagte der Pastor, und setzte sich nach der

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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt, c/o Prof. Dr. Thomas Weitin, TU Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-10T13:46:34Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget: conversion of OCR output to TEI-conformant markup and general correction. (2017-03-10T13:46:34Z)
Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-10T13:46:34Z)

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Zitationshilfe: Berthold, Franz [d. i. Adelheid Reinbold]: Irrwisch-Fritze. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–115. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berthold_irrwischfritze_1910/108>, abgerufen am 25.04.2024.