stärcker, als iemahls, wieder. Und wenn sich auch die Wellen des Gemüths ein wenig manch- mahl legten, so waren die traurigen Begebenhei- ten, so sich mit andern Leuten zugetragen, gleich- sam neue Sturm-Winde, welche das Schiff des Glaubens umzuwerffen suchten. Jch merckte auch in diesem Jahre gar bald an, daß, wie eine gewisse Himmels-Witterung, manch- mahl Schnupffen, Fieber, Durchfälle etc. also eine andere die Miltz-Kranckheit unter den Menschen mehr als sonst verursache. Denn es vergieng das gantze Jahr, wie oben gedacht, fast keine Woche, da nicht in Zeitungen erschreckliche, und traurige Todes-Fälle bald von da, bald von dort her wären erzehlet worden, welche ohne Zwei- fel in der Melancholia hypochondriaca solcher armen Menschen ihren Grund gehabt hatten.
Mitten im Sommer bekam ich Briefe von meinem Vetter aus Breßlau, der etliche dun- ckele Worte in seinen Brief aus Unvorsichtigkeit einfließen lassen, aus welchen ich nicht wohl an- ders schließen konte, als daß meine noch eintzige Schwester, welche noch 9. Jahr älter, als ich ist, gestorben wäre. Jch redete mit dem Kut- scher und mit dem Fuhrmann, der mir den Brief brachte; und siehe, dieser stellte sich ängst- lich und betrübt an, fragte mich, ob mir denn nicht die Umstände wären geschrieben worden;
sie
und den alten Zufaͤllen
ſtaͤrcker, als iemahls, wieder. Und wenn ſich auch die Wellen des Gemuͤths ein wenig manch- mahl legten, ſo waren die traurigen Begebenhei- ten, ſo ſich mit andern Leuten zugetragen, gleich- ſam neue Sturm-Winde, welche das Schiff des Glaubens umzuwerffen ſuchten. Jch merckte auch in dieſem Jahre gar bald an, daß, wie eine gewiſſe Himmels-Witterung, manch- mahl Schnupffen, Fieber, Durchfaͤlle ꝛc. alſo eine andere die Miltz-Kranckheit unter den Menſchen mehr als ſonſt verurſache. Denn es vergieng das gantze Jahr, wie oben gedacht, faſt keine Woche, da nicht in Zeitungen erſchreckliche, und traurige Todes-Faͤlle bald von da, bald von dort her waͤren erzehlet worden, welche ohne Zwei- fel in der Melancholia hypochondriaca ſolcher armen Menſchen ihren Grund gehabt hatten.
Mitten im Sommer bekam ich Briefe von meinem Vetter aus Breßlau, der etliche dun- ckele Worte in ſeinen Brief aus Unvorſichtigkeit einfließen laſſen, aus welchen ich nicht wohl an- ders ſchließen konte, als daß meine noch eintzige Schweſter, welche noch 9. Jahr aͤlter, als ich iſt, geſtorben waͤre. Jch redete mit dem Kut- ſcher und mit dem Fuhrmann, der mir den Brief brachte; und ſiehe, dieſer ſtellte ſich aͤngſt- lich und betruͤbt an, fragte mich, ob mir denn nicht die Umſtaͤnde waͤren geſchrieben worden;
ſie
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und den alten Zufaͤllen
ſtaͤrcker, als iemahls, wieder. Und wenn ſich
auch die Wellen des Gemuͤths ein wenig manch-
mahl legten, ſo waren die traurigen Begebenhei-
ten, ſo ſich mit andern Leuten zugetragen, gleich-
ſam neue Sturm-Winde, welche das Schiff
des Glaubens umzuwerffen ſuchten. Jch
merckte auch in dieſem Jahre gar bald an, daß,
wie eine gewiſſe Himmels-Witterung, manch-
mahl Schnupffen, Fieber, Durchfaͤlle ꝛc. alſo
eine andere die Miltz-Kranckheit unter den
Menſchen mehr als ſonſt verurſache. Denn es
vergieng das gantze Jahr, wie oben gedacht, faſt
keine Woche, da nicht in Zeitungen erſchreckliche,
und traurige Todes-Faͤlle bald von da, bald von
dort her waͤren erzehlet worden, welche ohne Zwei-
fel in der Melancholia hypochondriaca ſolcher
armen Menſchen ihren Grund gehabt hatten.
Mitten im Sommer bekam ich Briefe von
meinem Vetter aus Breßlau, der etliche dun-
ckele Worte in ſeinen Brief aus Unvorſichtigkeit
einfließen laſſen, aus welchen ich nicht wohl an-
ders ſchließen konte, als daß meine noch eintzige
Schweſter, welche noch 9. Jahr aͤlter, als ich
iſt, geſtorben waͤre. Jch redete mit dem Kut-
ſcher und mit dem Fuhrmann, der mir den
Brief brachte; und ſiehe, dieſer ſtellte ſich aͤngſt-
lich und betruͤbt an, fragte mich, ob mir denn
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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 708. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/754>, abgerufen am 24.11.2024.
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