Lebens halten muß. Gegen Weyhnachten 1716. fieng mein Zustand an wieder schlimmer zu wer- den, so daß die ehemahligen betrübten Zufälle sich wiederum mit mähligem bey mir einfanden. Der erste Tag im Jahre 1717. war schon ein ängst- licher Tag vor mich, und gleichsam ein Vorbote vieler anderer Versuchungs-Tage, so dieses Jahr über mich kommen solten. Nach der Vesper hatte ich kaum ein wenig Ruhe im Gemüthe be- kommen, so wurde ich ersucht in Eil zu einem Manne vor das Peters-Thor zu kommen, der großen Anfechtungen und Versuchungen des Teu- fels unterworffen wäre. Er war ein Borten- würcker, so viel ich mich noch besinne, den Namen will ich verschweigen, mein fleißiger Zuhörer, und bey zulänglichen Mitteln. Ob ich gleich oben bey anderer Gelegenheit desselben schon erwehnet habe, so trage ich doch kein Bedencken auch hier, als an dem rechten Orte nochmahls seinen Zu- stand zu beschreiben, weil solche Casus und Ex- empel sowol von geistlichen, als leiblichen Aertzten gar sonderlich verdienen recht erwogen, und in Betrachtung gezogen zu werden, um desto mehr zum Erkänntniß sowol der Zufälle unsers Leibes, als unserer Seele zu gelangen. Jch säumte mich nicht zu ihm zu gehen: mit was vor Her- tzen, und wie mir zu Muthe gewesen, ist leicht zu erachten. Da ich in seine Stube zu ihm
kam,
Q q 3
ſein Zuſtand leidlicher,
Lebens halten muß. Gegen Weyhnachten 1716. fieng mein Zuſtand an wieder ſchlimmer zu wer- den, ſo daß die ehemahligen betruͤbten Zufaͤlle ſich wiederum mit maͤhligem bey mir einfanden. Der erſte Tag im Jahre 1717. war ſchon ein aͤngſt- licher Tag vor mich, und gleichſam ein Vorbote vieler anderer Verſuchungs-Tage, ſo dieſes Jahr uͤber mich kommen ſolten. Nach der Veſper hatte ich kaum ein wenig Ruhe im Gemuͤthe be- kommen, ſo wurde ich erſucht in Eil zu einem Manne vor das Peters-Thor zu kommen, der großen Anfechtungen und Verſuchungen des Teu- fels unterworffen waͤre. Er war ein Borten- wuͤrcker, ſo viel ich mich noch beſinne, den Namen will ich verſchweigen, mein fleißiger Zuhoͤrer, und bey zulaͤnglichen Mitteln. Ob ich gleich oben bey anderer Gelegenheit deſſelben ſchon erwehnet habe, ſo trage ich doch kein Bedencken auch hier, als an dem rechten Orte nochmahls ſeinen Zu- ſtand zu beſchreiben, weil ſolche Caſus und Ex- empel ſowol von geiſtlichen, als leiblichen Aertzten gar ſonderlich verdienen recht erwogen, und in Betrachtung gezogen zu werden, um deſto mehr zum Erkaͤnntniß ſowol der Zufaͤlle unſers Leibes, als unſerer Seele zu gelangen. Jch ſaͤumte mich nicht zu ihm zu gehen: mit was vor Her- tzen, und wie mir zu Muthe geweſen, iſt leicht zu erachten. Da ich in ſeine Stube zu ihm
kam,
Q q 3
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0659"n="613"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">ſein Zuſtand leidlicher,</hi></fw><lb/>
Lebens halten muß. Gegen Weyhnachten 1716.<lb/>
fieng mein Zuſtand an wieder ſchlimmer zu wer-<lb/>
den, ſo daß die ehemahligen betruͤbten Zufaͤlle<lb/>ſich wiederum mit maͤhligem bey mir einfanden.<lb/>
Der erſte Tag im Jahre 1717. war ſchon ein aͤngſt-<lb/>
licher Tag vor mich, und gleichſam ein Vorbote<lb/>
vieler anderer Verſuchungs-Tage, ſo dieſes Jahr<lb/>
uͤber mich kommen ſolten. Nach der <hirendition="#aq">Veſper</hi><lb/>
hatte ich kaum ein wenig Ruhe im Gemuͤthe be-<lb/>
kommen, ſo wurde ich erſucht in Eil zu einem<lb/>
Manne vor das Peters-Thor zu kommen, der<lb/>
großen Anfechtungen und Verſuchungen des Teu-<lb/>
fels unterworffen waͤre. Er war ein Borten-<lb/>
wuͤrcker, ſo viel ich mich noch beſinne, den Namen<lb/>
will ich verſchweigen, mein fleißiger Zuhoͤrer, und<lb/>
bey zulaͤnglichen Mitteln. Ob ich gleich oben<lb/>
bey anderer Gelegenheit deſſelben ſchon erwehnet<lb/>
habe, ſo trage ich doch kein Bedencken auch hier,<lb/>
als an dem rechten Orte nochmahls ſeinen Zu-<lb/>ſtand zu beſchreiben, weil ſolche <hirendition="#aq">Caſus</hi> und Ex-<lb/>
empel ſowol von geiſtlichen, als leiblichen Aertzten<lb/>
gar ſonderlich verdienen recht erwogen, und in<lb/>
Betrachtung gezogen zu werden, um deſto mehr<lb/>
zum Erkaͤnntniß ſowol der Zufaͤlle unſers Leibes,<lb/>
als unſerer Seele zu gelangen. Jch ſaͤumte<lb/>
mich nicht zu ihm zu gehen: mit was vor Her-<lb/>
tzen, und wie mir zu Muthe geweſen, iſt leicht<lb/>
zu erachten. Da ich in ſeine Stube zu ihm<lb/><fwplace="bottom"type="sig">Q q 3</fw><fwplace="bottom"type="catch">kam,</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[613/0659]
ſein Zuſtand leidlicher,
Lebens halten muß. Gegen Weyhnachten 1716.
fieng mein Zuſtand an wieder ſchlimmer zu wer-
den, ſo daß die ehemahligen betruͤbten Zufaͤlle
ſich wiederum mit maͤhligem bey mir einfanden.
Der erſte Tag im Jahre 1717. war ſchon ein aͤngſt-
licher Tag vor mich, und gleichſam ein Vorbote
vieler anderer Verſuchungs-Tage, ſo dieſes Jahr
uͤber mich kommen ſolten. Nach der Veſper
hatte ich kaum ein wenig Ruhe im Gemuͤthe be-
kommen, ſo wurde ich erſucht in Eil zu einem
Manne vor das Peters-Thor zu kommen, der
großen Anfechtungen und Verſuchungen des Teu-
fels unterworffen waͤre. Er war ein Borten-
wuͤrcker, ſo viel ich mich noch beſinne, den Namen
will ich verſchweigen, mein fleißiger Zuhoͤrer, und
bey zulaͤnglichen Mitteln. Ob ich gleich oben
bey anderer Gelegenheit deſſelben ſchon erwehnet
habe, ſo trage ich doch kein Bedencken auch hier,
als an dem rechten Orte nochmahls ſeinen Zu-
ſtand zu beſchreiben, weil ſolche Caſus und Ex-
empel ſowol von geiſtlichen, als leiblichen Aertzten
gar ſonderlich verdienen recht erwogen, und in
Betrachtung gezogen zu werden, um deſto mehr
zum Erkaͤnntniß ſowol der Zufaͤlle unſers Leibes,
als unſerer Seele zu gelangen. Jch ſaͤumte
mich nicht zu ihm zu gehen: mit was vor Her-
tzen, und wie mir zu Muthe geweſen, iſt leicht
zu erachten. Da ich in ſeine Stube zu ihm
kam,
Q q 3
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 613. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/659>, abgerufen am 11.06.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.