stünde. Nun wiese mir GOtt in der That, und aus der Erfahrung, daß er Mittel, und Wege genug habe, sündlichen Thorheiten, so im Kampffe wider die Sünde aus Schwach- heit noch begangen werden, und die dem Men- schen eine Last sind, zu steuren, und Einhalt zu thun. Denn diese 5. Jahre wurde ich so ge- demüthiget, daß von allen den Sünden, die mir noch ein Dorn in Augen, und ein Eckel in der Seele bisher gewesen waren, nichts übrig blieb, ja nach meinem Erächten nun schier ohne Sünde zu seyn schien, ohne daß die Furcht, Zweiffelung, und das Mißtrauen, ob ich bey GOTT in Gnaden wäre, welches durch die schrecklichen Zufälle bey mir war erreget worden, von mir als Sünde angesehen wurde.
Großer Zorn ziehet offters Schwermuth nach sich. Sonnabend vor Reminiscere 1715. gerieth ich in einen unmäßigen Zorn über mei- nen Famulum, der zwar auch mehr, als iemahls mit Ungestüm mich anfiel, daß ich ihm nicht mehr zu Peruque, und Kleidung geben wolle, dergleichen ich ihm doch versprochen hätte; den ich aber doch wol zu harte deßwegen schalt und strafte. Doch mochte wol auch mein damah- liger Zorn schon aus einem gallichten, und ver- schleimten Leibe großen Theils herkommen. Denn ich kunte mich gar nicht darein finden,
warum
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wird er abermahl mit
ſtuͤnde. Nun wieſe mir GOtt in der That, und aus der Erfahrung, daß er Mittel, und Wege genug habe, ſuͤndlichen Thorheiten, ſo im Kampffe wider die Suͤnde aus Schwach- heit noch begangen werden, und die dem Men- ſchen eine Laſt ſind, zu ſteuren, und Einhalt zu thun. Denn dieſe 5. Jahre wurde ich ſo ge- demuͤthiget, daß von allen den Suͤnden, die mir noch ein Dorn in Augen, und ein Eckel in der Seele bisher geweſen waren, nichts uͤbrig blieb, ja nach meinem Eraͤchten nun ſchier ohne Suͤnde zu ſeyn ſchien, ohne daß die Furcht, Zweiffelung, und das Mißtrauen, ob ich bey GOTT in Gnaden waͤre, welches durch die ſchrecklichen Zufaͤlle bey mir war erreget worden, von mir als Suͤnde angeſehen wurde.
Großer Zorn ziehet offters Schwermuth nach ſich. Sonnabend vor Reminiſcere 1715. gerieth ich in einen unmaͤßigen Zorn uͤber mei- nen Famulum, der zwar auch mehr, als iemahls mit Ungeſtuͤm mich anfiel, daß ich ihm nicht mehr zu Peruque, und Kleidung geben wolle, dergleichen ich ihm doch verſprochen haͤtte; den ich aber doch wol zu harte deßwegen ſchalt und ſtrafte. Doch mochte wol auch mein damah- liger Zorn ſchon aus einem gallichten, und ver- ſchleimten Leibe großen Theils herkommen. Denn ich kunte mich gar nicht darein finden,
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wird er abermahl mit
ſtuͤnde. Nun wieſe mir GOtt in der That,
und aus der Erfahrung, daß er Mittel, und
Wege genug habe, ſuͤndlichen Thorheiten, ſo
im Kampffe wider die Suͤnde aus Schwach-
heit noch begangen werden, und die dem Men-
ſchen eine Laſt ſind, zu ſteuren, und Einhalt zu
thun. Denn dieſe 5. Jahre wurde ich ſo ge-
demuͤthiget, daß von allen den Suͤnden, die
mir noch ein Dorn in Augen, und ein Eckel
in der Seele bisher geweſen waren, nichts uͤbrig
blieb, ja nach meinem Eraͤchten nun ſchier ohne
Suͤnde zu ſeyn ſchien, ohne daß die Furcht,
Zweiffelung, und das Mißtrauen, ob ich bey
GOTT in Gnaden waͤre, welches durch die
ſchrecklichen Zufaͤlle bey mir war erreget worden,
von mir als Suͤnde angeſehen wurde.
Großer Zorn ziehet offters Schwermuth
nach ſich. Sonnabend vor Reminiſcere 1715.
gerieth ich in einen unmaͤßigen Zorn uͤber mei-
nen Famulum, der zwar auch mehr, als iemahls
mit Ungeſtuͤm mich anfiel, daß ich ihm nicht
mehr zu Peruque, und Kleidung geben wolle,
dergleichen ich ihm doch verſprochen haͤtte; den
ich aber doch wol zu harte deßwegen ſchalt und
ſtrafte. Doch mochte wol auch mein damah-
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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 595. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/641>, abgerufen am 30.01.2025.
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