ich vor diesem sehr selten getruncken, mich stär- cken, und meine Leibes-Kräffte vermehren solte, gieng deshalben offters zu Gaste, wenn ich ein- geladen wurde, und trug kein Bedencken eine und die andere Gesundheit in einem Glase Wein Bescheid zu thun, befand aber nach der Zeit, daß der Wein meiner Natur gar nicht zuträg- lich, und daß ein Trunck Bier, insonderheit nach der Predigt, und bey, und nach der Mahlzeit mir mehr Kräffte, als ein Glaß Wein gäbe; ob ich wohl nicht leugne, daß man auf eine kurtze Zeit den Leib, und sonderlich die Lunge, so man zum Reden braucht, durch einen Trunck Wein gantz ungemein stärcken könne. Dannenhero ich auch, so offt ich in der Vesper geprediget, aus Noth, nicht aus Wollust, zwey oder aufs höchste drey Gläser Wein getruncken, weil sonst bey Unter- lassung desselben, wenn ich nur eine halbe Stunde geprediget, die Krafft zu schreyen mich schon zu verlassen, und die Brust und Lunge wehe zu thun, anfiengen. Und weil dieses gar bald einigen von meinen übel-gesinnten Zuhörern kund wurde, so schrieben sie meine Einfälle und Meditationes dem Glase Weine zu, das ich vor der Predigt tranck, welches hingegen andere wohl-gesinnte ei- ner höhern Krafft, oder doch einer fleißigen Prae- meditation auf die Predigt zuschrieben.
§. 124.
N n 5
und um ein leichtes
ich vor dieſem ſehr ſelten getruncken, mich ſtaͤr- cken, und meine Leibes-Kraͤffte vermehren ſolte, gieng deshalben offters zu Gaſte, wenn ich ein- geladen wurde, und trug kein Bedencken eine und die andere Geſundheit in einem Glaſe Wein Beſcheid zu thun, befand aber nach der Zeit, daß der Wein meiner Natur gar nicht zutraͤg- lich, und daß ein Trunck Bier, inſonderheit nach der Predigt, und bey, und nach der Mahlzeit mir mehr Kraͤffte, als ein Glaß Wein gaͤbe; ob ich wohl nicht leugne, daß man auf eine kurtze Zeit den Leib, und ſonderlich die Lunge, ſo man zum Reden braucht, durch einen Trunck Wein gantz ungemein ſtaͤrcken koͤnne. Dannenhero ich auch, ſo offt ich in der Veſper geprediget, aus Noth, nicht aus Wolluſt, zwey oder aufs hoͤchſte drey Glaͤſer Wein getruncken, weil ſonſt bey Unter- laſſung deſſelben, wenn ich nur eine halbe Stunde geprediget, die Krafft zu ſchreyen mich ſchon zu verlaſſen, und die Bruſt und Lunge wehe zu thun, anfiengen. Und weil dieſes gar bald einigen von meinen uͤbel-geſinnten Zuhoͤrern kund wurde, ſo ſchrieben ſie meine Einfaͤlle und Meditationes dem Glaſe Weine zu, das ich vor der Predigt tranck, welches hingegen andere wohl-geſinnte ei- ner hoͤhern Krafft, oder doch einer fleißigen Præ- meditation auf die Predigt zuſchrieben.
§. 124.
N n 5
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und um ein leichtes
ich vor dieſem ſehr ſelten getruncken, mich ſtaͤr-
cken, und meine Leibes-Kraͤffte vermehren ſolte,
gieng deshalben offters zu Gaſte, wenn ich ein-
geladen wurde, und trug kein Bedencken eine
und die andere Geſundheit in einem Glaſe Wein
Beſcheid zu thun, befand aber nach der Zeit,
daß der Wein meiner Natur gar nicht zutraͤg-
lich, und daß ein Trunck Bier, inſonderheit nach
der Predigt, und bey, und nach der Mahlzeit
mir mehr Kraͤffte, als ein Glaß Wein gaͤbe; ob
ich wohl nicht leugne, daß man auf eine kurtze
Zeit den Leib, und ſonderlich die Lunge, ſo man
zum Reden braucht, durch einen Trunck Wein
gantz ungemein ſtaͤrcken koͤnne. Dannenhero ich
auch, ſo offt ich in der Veſper geprediget, aus
Noth, nicht aus Wolluſt, zwey oder aufs hoͤchſte
drey Glaͤſer Wein getruncken, weil ſonſt bey Unter-
laſſung deſſelben, wenn ich nur eine halbe Stunde
geprediget, die Krafft zu ſchreyen mich ſchon zu
verlaſſen, und die Bruſt und Lunge wehe zu thun,
anfiengen. Und weil dieſes gar bald einigen
von meinen uͤbel-geſinnten Zuhoͤrern kund wurde,
ſo ſchrieben ſie meine Einfaͤlle und Meditationes
dem Glaſe Weine zu, das ich vor der Predigt
tranck, welches hingegen andere wohl-geſinnte ei-
ner hoͤhern Krafft, oder doch einer fleißigen Præ-
meditation auf die Predigt zuſchrieben.
§. 124.
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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 569. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/615>, abgerufen am 21.11.2024.
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