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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

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nach der alten Weise
von trincket? Du wirst ohnfehlbar den letzten
in Verdacht ziehen, daß er einmahl lüstern wor-
den, und auch von dem Weine trincken wollen,
den er vor delicater, als seinen gewöhnlichen,
gehalten.

Aber so klug sind die Leute nicht in glei-
chen Fällen. Wenn eine Junge-Magd in
dem Hause eines Haus-Wirths, der sein Ehe-
Weib hat, ein Kind kriegt; ihr Haus-Herr
ist nicht Vater dazu; warum? Er hat ja
sein eigen Weib, das schönste Weib von der
Welt, er wird das ja nicht thun, er müste nicht
klug seyn, weil an der Junge-Magd nichts
schönes ist. Quasi vero, gleich als ob die
Menschen allemahl nach der Vernunfft, und
nicht vielmehr nach ihren Passionen lebten.
Hat aber der Haus-Herr kein Weib, und ist
dem Vorgeben nach noch ein Junggeselle, den
Augenblick muß er es, und kein anderer gethan
haben. Und wenn er schon niemahls die ge-
ringste Neigung zum andern Geschlechte spüh-
ren laßen, die allervortheilhafftesten Heyrathen
beständig ausgeschlagen, und noch dazu wegen
kränckliches Leibes mit seinem blassen, und gelb-
lichten Angesichte einem Todten ähnlicher, als
einem Lebendigen siehet; Das thut alles nichts,
er muß Vater dazu seyn, und niemand anders.
Jch weiß wohl, daß man auch Haus-Väter

gar

nach der alten Weiſe
von trincket? Du wirſt ohnfehlbar den letzten
in Verdacht ziehen, daß er einmahl luͤſtern wor-
den, und auch von dem Weine trincken wollen,
den er vor delicater, als ſeinen gewoͤhnlichen,
gehalten.

Aber ſo klug ſind die Leute nicht in glei-
chen Faͤllen. Wenn eine Junge-Magd in
dem Hauſe eines Haus-Wirths, der ſein Ehe-
Weib hat, ein Kind kriegt; ihr Haus-Herr
iſt nicht Vater dazu; warum? Er hat ja
ſein eigen Weib, das ſchoͤnſte Weib von der
Welt, er wird das ja nicht thun, er muͤſte nicht
klug ſeyn, weil an der Junge-Magd nichts
ſchoͤnes iſt. Quaſi vero, gleich als ob die
Menſchen allemahl nach der Vernunfft, und
nicht vielmehr nach ihren Paſſionen lebten.
Hat aber der Haus-Herr kein Weib, und iſt
dem Vorgeben nach noch ein Junggeſelle, den
Augenblick muß er es, und kein anderer gethan
haben. Und wenn er ſchon niemahls die ge-
ringſte Neigung zum andern Geſchlechte ſpuͤh-
ren laßen, die allervortheilhaffteſten Heyrathen
beſtaͤndig ausgeſchlagen, und noch dazu wegen
kraͤnckliches Leibes mit ſeinem blaſſen, und gelb-
lichten Angeſichte einem Todten aͤhnlicher, als
einem Lebendigen ſiehet; Das thut alles nichts,
er muß Vater dazu ſeyn, und niemand anders.
Jch weiß wohl, daß man auch Haus-Vaͤter

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[554/0600] nach der alten Weiſe von trincket? Du wirſt ohnfehlbar den letzten in Verdacht ziehen, daß er einmahl luͤſtern wor- den, und auch von dem Weine trincken wollen, den er vor delicater, als ſeinen gewoͤhnlichen, gehalten. Aber ſo klug ſind die Leute nicht in glei- chen Faͤllen. Wenn eine Junge-Magd in dem Hauſe eines Haus-Wirths, der ſein Ehe- Weib hat, ein Kind kriegt; ihr Haus-Herr iſt nicht Vater dazu; warum? Er hat ja ſein eigen Weib, das ſchoͤnſte Weib von der Welt, er wird das ja nicht thun, er muͤſte nicht klug ſeyn, weil an der Junge-Magd nichts ſchoͤnes iſt. Quaſi vero, gleich als ob die Menſchen allemahl nach der Vernunfft, und nicht vielmehr nach ihren Paſſionen lebten. Hat aber der Haus-Herr kein Weib, und iſt dem Vorgeben nach noch ein Junggeſelle, den Augenblick muß er es, und kein anderer gethan haben. Und wenn er ſchon niemahls die ge- ringſte Neigung zum andern Geſchlechte ſpuͤh- ren laßen, die allervortheilhaffteſten Heyrathen beſtaͤndig ausgeſchlagen, und noch dazu wegen kraͤnckliches Leibes mit ſeinem blaſſen, und gelb- lichten Angeſichte einem Todten aͤhnlicher, als einem Lebendigen ſiehet; Das thut alles nichts, er muß Vater dazu ſeyn, und niemand anders. Jch weiß wohl, daß man auch Haus-Vaͤter gar

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Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 554. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/600>, abgerufen am 22.11.2024.