Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

Bild:
<< vorherige Seite

welches sie niemahls mehr gethan,
Stadt-Richter Götze, und Stadt-Richter
Romanus, Herr Baumeister Wagner, und
Herr Syndicus Job, der sel. Herr Küstner,
und andere, auf die ich mich nicht mehr zu be-
sinnen weiß. Jch schlief dazumahl noch in
geborgten Betten, und sehr elend, und kümmer-
lich; und siehe, weil sie davon benachrichtiget
waren worden, so hatten sie meine Kammer,
ohne mein Wissen, mit dem schönsten gebette-
ten Bette versehen. Jn diesem, oder in fol-
gendem Jahre drauf, am heiligen Weyhnachts-
Abende bekam ich bey dunckeler Abends-Zeit
ein gesiegelt Briefgen. Alß ich es aufmachte,
und bey der Demmerung nicht mehr sehen
konte, fand ich 16. Stücke Geld darinnen, wel-
che ich vor Groschen hielt, und meynte, es
müste etwan ein armer Christ, und redlicher Zu-
hörer mir solche zugeschickt haben, in willens,
auch mit diesem wenigen seine Liebe mir zu be-
zeugen. Jn Wahrheit, wenn mir iemand
drauf, etwan ein armer Mensch, wäre in Wurff
gekommen, ich würde ihm solche ohne Be-
dencken, nach meinem Humeur bey dergleichen
Fällen gegeben haben. Jch würde ihm aber
sehr viel gegeben haben; denn siehe, da das
Licht in meine Stube kam, so waren die ver-
meynten Groschen lauter Ducaten. Jch ver-
muthete, daß sie von der soligen Frau Richterin

wären;

welches ſie niemahls mehr gethan,
Stadt-Richter Goͤtze, und Stadt-Richter
Romanus, Herr Baumeiſter Wagner, und
Herr Syndicus Job, der ſel. Herr Kuͤſtner,
und andere, auf die ich mich nicht mehr zu be-
ſinnen weiß. Jch ſchlief dazumahl noch in
geborgten Betten, und ſehr elend, und kuͤmmer-
lich; und ſiehe, weil ſie davon benachrichtiget
waren worden, ſo hatten ſie meine Kammer,
ohne mein Wiſſen, mit dem ſchoͤnſten gebette-
ten Bette verſehen. Jn dieſem, oder in fol-
gendem Jahre drauf, am heiligen Weyhnachts-
Abende bekam ich bey dunckeler Abends-Zeit
ein geſiegelt Briefgen. Alß ich es aufmachte,
und bey der Demmerung nicht mehr ſehen
konte, fand ich 16. Stuͤcke Geld darinnen, wel-
che ich vor Groſchen hielt, und meynte, es
muͤſte etwan ein armer Chriſt, und redlicher Zu-
hoͤrer mir ſolche zugeſchickt haben, in willens,
auch mit dieſem wenigen ſeine Liebe mir zu be-
zeugen. Jn Wahrheit, wenn mir iemand
drauf, etwan ein armer Menſch, waͤre in Wurff
gekommen, ich wuͤrde ihm ſolche ohne Be-
dencken, nach meinem Humeur bey dergleichen
Faͤllen gegeben haben. Jch wuͤrde ihm aber
ſehr viel gegeben haben; denn ſiehe, da das
Licht in meine Stube kam, ſo waren die ver-
meynten Groſchen lauter Ducaten. Jch ver-
muthete, daß ſie von der ſoligen Frau Richterin

waͤren;
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0580" n="534"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">welches &#x017F;ie niemahls mehr gethan,</hi></fw><lb/>
Stadt-Richter Go&#x0364;tze, und Stadt-Richter<lb/><hi rendition="#aq">Romanus,</hi> Herr Baumei&#x017F;ter Wagner, und<lb/>
Herr <hi rendition="#aq">Syndicus</hi> Job, der &#x017F;el. Herr Ku&#x0364;&#x017F;tner,<lb/>
und andere, auf die ich mich nicht mehr zu be-<lb/>
&#x017F;innen weiß. Jch &#x017F;chlief dazumahl noch in<lb/>
geborgten Betten, und &#x017F;ehr elend, und ku&#x0364;mmer-<lb/>
lich; und &#x017F;iehe, weil &#x017F;ie davon benachrichtiget<lb/>
waren worden, &#x017F;o hatten &#x017F;ie meine Kammer,<lb/>
ohne mein Wi&#x017F;&#x017F;en, mit dem &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;ten gebette-<lb/>
ten Bette ver&#x017F;ehen. Jn die&#x017F;em, oder in fol-<lb/>
gendem Jahre drauf, am heiligen Weyhnachts-<lb/>
Abende bekam ich bey dunckeler Abends-Zeit<lb/>
ein ge&#x017F;iegelt Briefgen. Alß ich es aufmachte,<lb/>
und bey der Demmerung nicht mehr &#x017F;ehen<lb/>
konte, fand ich 16. Stu&#x0364;cke Geld darinnen, wel-<lb/>
che ich vor Gro&#x017F;chen hielt, und meynte, es<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;te etwan ein armer Chri&#x017F;t, und redlicher Zu-<lb/>
ho&#x0364;rer mir &#x017F;olche zuge&#x017F;chickt haben, in willens,<lb/>
auch mit die&#x017F;em wenigen &#x017F;eine Liebe mir zu be-<lb/>
zeugen. Jn Wahrheit, wenn mir iemand<lb/>
drauf, etwan ein armer Men&#x017F;ch, wa&#x0364;re in Wurff<lb/>
gekommen, ich wu&#x0364;rde ihm &#x017F;olche ohne Be-<lb/>
dencken, nach meinem <hi rendition="#aq">Humeur</hi> bey dergleichen<lb/>
Fa&#x0364;llen gegeben haben. Jch wu&#x0364;rde ihm aber<lb/>
&#x017F;ehr viel gegeben haben; denn &#x017F;iehe, da das<lb/>
Licht in meine Stube kam, &#x017F;o waren die ver-<lb/>
meynten Gro&#x017F;chen lauter Ducaten. Jch ver-<lb/>
muthete, daß &#x017F;ie von der &#x017F;oligen Frau Richterin<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">wa&#x0364;ren;</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[534/0580] welches ſie niemahls mehr gethan, Stadt-Richter Goͤtze, und Stadt-Richter Romanus, Herr Baumeiſter Wagner, und Herr Syndicus Job, der ſel. Herr Kuͤſtner, und andere, auf die ich mich nicht mehr zu be- ſinnen weiß. Jch ſchlief dazumahl noch in geborgten Betten, und ſehr elend, und kuͤmmer- lich; und ſiehe, weil ſie davon benachrichtiget waren worden, ſo hatten ſie meine Kammer, ohne mein Wiſſen, mit dem ſchoͤnſten gebette- ten Bette verſehen. Jn dieſem, oder in fol- gendem Jahre drauf, am heiligen Weyhnachts- Abende bekam ich bey dunckeler Abends-Zeit ein geſiegelt Briefgen. Alß ich es aufmachte, und bey der Demmerung nicht mehr ſehen konte, fand ich 16. Stuͤcke Geld darinnen, wel- che ich vor Groſchen hielt, und meynte, es muͤſte etwan ein armer Chriſt, und redlicher Zu- hoͤrer mir ſolche zugeſchickt haben, in willens, auch mit dieſem wenigen ſeine Liebe mir zu be- zeugen. Jn Wahrheit, wenn mir iemand drauf, etwan ein armer Menſch, waͤre in Wurff gekommen, ich wuͤrde ihm ſolche ohne Be- dencken, nach meinem Humeur bey dergleichen Faͤllen gegeben haben. Jch wuͤrde ihm aber ſehr viel gegeben haben; denn ſiehe, da das Licht in meine Stube kam, ſo waren die ver- meynten Groſchen lauter Ducaten. Jch ver- muthete, daß ſie von der ſoligen Frau Richterin waͤren;

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/580
Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 534. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/580>, abgerufen am 22.11.2024.