und die wahre Furcht GOttes im Hertzen hat. Keinen Menschen bethaure ich mehr, wenn ich ihn sehe sündigen, oder wenn ich ihn sehe in dieser oder jener großen Sünde leben, als wenn ich zu- gleich weiß, daß er eines Temperamenti melan- cholici ist. Denn wenn einmahl die Sünde erkannt wird, so sind die Melancholici vor allen andern Menschen zu schrecklichen Zufällen ge- neigt. Haben nun fromme Leute, die sich doch keiner großen Sünden bewust sind, mit dem Satan, mit der Hölle, und mit der Gewissens- Angst gar schrecklich zu kämpffen, sobald sie als Melancholici mit der Furcht, daß sie sich selbst tödten werden, angestecket werden; so kan man leicht erachten, was es vor harte Kämpffe und Aengste bey denen setzen muß, die ihr gantzes Le- ben in großen Sünden und Lastern zugebracht, ja wie es um die stehen muß, die bey solcher me- lancholischen Kranckheit überzeuget werden, daß sie bisher Atheisten gewesen, und in der Religion nichts geglaubet. Sie fangen wohl alsdann an zu glauben, und kommt ihnen der Glaube, so zu reden, in die Hand, wenn sie die Höllischen Mord-Klauen des Teufels fühlen, die sie zuvor vor Kinder-Spiel gehalten, und nicht bedacht, daß des Teufels Anfechtungen alsdenn am stärck- sten, wenn der Mensch am schwächsten; aber sie haben alle Noth, und hält sehr schwer bey
ihnen,
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Unterſucht die Frage:
und die wahre Furcht GOttes im Hertzen hat. Keinen Menſchen bethaure ich mehr, wenn ich ihn ſehe ſuͤndigen, oder wenn ich ihn ſehe in dieſer oder jener großen Suͤnde leben, als wenn ich zu- gleich weiß, daß er eines Temperamenti melan- cholici iſt. Denn wenn einmahl die Suͤnde erkannt wird, ſo ſind die Melancholici vor allen andern Menſchen zu ſchrecklichen Zufaͤllen ge- neigt. Haben nun fromme Leute, die ſich doch keiner großen Suͤnden bewuſt ſind, mit dem Satan, mit der Hoͤlle, und mit der Gewiſſens- Angſt gar ſchrecklich zu kaͤmpffen, ſobald ſie als Melancholici mit der Furcht, daß ſie ſich ſelbſt toͤdten werden, angeſtecket werden; ſo kan man leicht erachten, was es vor harte Kaͤmpffe und Aengſte bey denen ſetzen muß, die ihr gantzes Le- ben in großen Suͤnden und Laſtern zugebracht, ja wie es um die ſtehen muß, die bey ſolcher me- lancholiſchen Kranckheit uͤberzeuget werden, daß ſie bisher Atheiſten geweſen, und in der Religion nichts geglaubet. Sie fangen wohl alsdann an zu glauben, und kommt ihnen der Glaube, ſo zu reden, in die Hand, wenn ſie die Hoͤlliſchen Mord-Klauen des Teufels fuͤhlen, die ſie zuvor vor Kinder-Spiel gehalten, und nicht bedacht, daß des Teufels Anfechtungen alsdenn am ſtaͤrck- ſten, wenn der Menſch am ſchwaͤchſten; aber ſie haben alle Noth, und haͤlt ſehr ſchwer bey
ihnen,
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Unterſucht die Frage:
und die wahre Furcht GOttes im Hertzen hat.
Keinen Menſchen bethaure ich mehr, wenn ich
ihn ſehe ſuͤndigen, oder wenn ich ihn ſehe in dieſer
oder jener großen Suͤnde leben, als wenn ich zu-
gleich weiß, daß er eines Temperamenti melan-
cholici iſt. Denn wenn einmahl die Suͤnde
erkannt wird, ſo ſind die Melancholici vor allen
andern Menſchen zu ſchrecklichen Zufaͤllen ge-
neigt. Haben nun fromme Leute, die ſich doch
keiner großen Suͤnden bewuſt ſind, mit dem
Satan, mit der Hoͤlle, und mit der Gewiſſens-
Angſt gar ſchrecklich zu kaͤmpffen, ſobald ſie als
Melancholici mit der Furcht, daß ſie ſich ſelbſt
toͤdten werden, angeſtecket werden; ſo kan man
leicht erachten, was es vor harte Kaͤmpffe und
Aengſte bey denen ſetzen muß, die ihr gantzes Le-
ben in großen Suͤnden und Laſtern zugebracht,
ja wie es um die ſtehen muß, die bey ſolcher me-
lancholiſchen Kranckheit uͤberzeuget werden, daß
ſie bisher Atheiſten geweſen, und in der Religion
nichts geglaubet. Sie fangen wohl alsdann
an zu glauben, und kommt ihnen der Glaube,
ſo zu reden, in die Hand, wenn ſie die Hoͤlliſchen
Mord-Klauen des Teufels fuͤhlen, die ſie zuvor
vor Kinder-Spiel gehalten, und nicht bedacht,
daß des Teufels Anfechtungen alsdenn am ſtaͤrck-
ſten, wenn der Menſch am ſchwaͤchſten; aber
ſie haben alle Noth, und haͤlt ſehr ſchwer bey
ihnen,
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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 359. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/405>, abgerufen am 22.11.2024.
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