ich selber fühlte immer die Schmertzen neben bey in großem Maaße, worüber ich des Mor- gens bald hätte lachen müssen. Doch zu ei- ner andern Zeit, und in einem gewissen andern Jahre, war mir das Bild mit zwey Menschen gar nicht lächerlich; denn ich kunte mich dazu- mahl auf gewisse Weise mit Tentzlern, dem Gärtner in dem ehemahligen Cobers Garten, vergleichen. Dieser kriegte im hitzigen Fieber auch die Einbildung von zwey Menschen, und als ob noch ein anderer Kerl neben ihm läge, und als ob derselbe ihn umbringen wolte. Jn der Dummheit schließt er wohl, daß eine Nothwehre erlaubt sey, und daß es nichts wer- de zu sagen haben, wenn er zuvorkomme, und vielmehr den garstigen Kerl umbringe, als daß er sich von ihm umbringen laße. Aber, se- het da, was ihm vor ein Unglück hätte begeg- nen können! Jn der Fieber-Hitze confundi- ret er, und vermenget sich mit dem eingebilde- ten Kerle, der ihn tödten wollen, und denckt nicht, daß er der Tentzler, sondern siehet sich selbst vor den fremden Kerl an, und kriegt sich selbst bey dem Leibe, sucht ein Messer, und will dem Kerl dasselbe in Leib stechen. Er hats uns mit allen diesen Umständen erzehlet; und was ich damahls kaum glauben kunte, kan ich nun ietzt gar wohl glauben, und wie es möglich
sey,
inſodnerheitMelancholici,
ich ſelber fuͤhlte immer die Schmertzen neben bey in großem Maaße, woruͤber ich des Mor- gens bald haͤtte lachen muͤſſen. Doch zu ei- ner andern Zeit, und in einem gewiſſen andern Jahre, war mir das Bild mit zwey Menſchen gar nicht laͤcherlich; denn ich kunte mich dazu- mahl auf gewiſſe Weiſe mit Tentzlern, dem Gaͤrtner in dem ehemahligen Cobers Garten, vergleichen. Dieſer kriegte im hitzigen Fieber auch die Einbildung von zwey Menſchen, und als ob noch ein anderer Kerl neben ihm laͤge, und als ob derſelbe ihn umbringen wolte. Jn der Dummheit ſchließt er wohl, daß eine Nothwehre erlaubt ſey, und daß es nichts wer- de zu ſagen haben, wenn er zuvorkomme, und vielmehr den garſtigen Kerl umbringe, als daß er ſich von ihm umbringen laße. Aber, ſe- het da, was ihm vor ein Ungluͤck haͤtte begeg- nen koͤnnen! Jn der Fieber-Hitze confundi- ret er, und vermenget ſich mit dem eingebilde- ten Kerle, der ihn toͤdten wollen, und denckt nicht, daß er der Tentzler, ſondern ſiehet ſich ſelbſt vor den fremden Kerl an, und kriegt ſich ſelbſt bey dem Leibe, ſucht ein Meſſer, und will dem Kerl daſſelbe in Leib ſtechen. Er hats uns mit allen dieſen Umſtaͤnden erzehlet; und was ich damahls kaum glauben kunte, kan ich nun ietzt gar wohl glauben, und wie es moͤglich
ſey,
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inſodnerheit Melancholici,
ich ſelber fuͤhlte immer die Schmertzen neben
bey in großem Maaße, woruͤber ich des Mor-
gens bald haͤtte lachen muͤſſen. Doch zu ei-
ner andern Zeit, und in einem gewiſſen andern
Jahre, war mir das Bild mit zwey Menſchen
gar nicht laͤcherlich; denn ich kunte mich dazu-
mahl auf gewiſſe Weiſe mit Tentzlern, dem
Gaͤrtner in dem ehemahligen Cobers Garten,
vergleichen. Dieſer kriegte im hitzigen Fieber
auch die Einbildung von zwey Menſchen, und
als ob noch ein anderer Kerl neben ihm laͤge,
und als ob derſelbe ihn umbringen wolte.
Jn der Dummheit ſchließt er wohl, daß eine
Nothwehre erlaubt ſey, und daß es nichts wer-
de zu ſagen haben, wenn er zuvorkomme, und
vielmehr den garſtigen Kerl umbringe, als daß
er ſich von ihm umbringen laße. Aber, ſe-
het da, was ihm vor ein Ungluͤck haͤtte begeg-
nen koͤnnen! Jn der Fieber-Hitze confundi-
ret er, und vermenget ſich mit dem eingebilde-
ten Kerle, der ihn toͤdten wollen, und denckt
nicht, daß er der Tentzler, ſondern ſiehet ſich
ſelbſt vor den fremden Kerl an, und kriegt ſich
ſelbſt bey dem Leibe, ſucht ein Meſſer, und will
dem Kerl daſſelbe in Leib ſtechen. Er hats
uns mit allen dieſen Umſtaͤnden erzehlet; und
was ich damahls kaum glauben kunte, kan ich
nun ietzt gar wohl glauben, und wie es moͤglich
ſey,
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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/384>, abgerufen am 22.11.2024.
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