Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

Bild:
<< vorherige Seite

Vorrede.
ben müssen, und bin es auch gewesen;
sage, ob wohl leicht iemand, so bald
derselbe mein Leben gelesen, ins künff-
tige auf der Gasse vor mir vorbey ge-
hen werde, ohne heimlich im Hertzen
zu lachen, oder doch einen verächtlichen
und eckelhafftigen Affect gegen mich
bey sich zu spühren.

Du sprichst: Was ist es aber nöthig,
und wozu nützet es, daß du deine Fehler und
Gebrechen aufschreibest, und andern Leuten
offenbarest, nemo tenetur allegare pro-
priam turpitudinem?
Was ist doch der
Welt dran gelegen, ob sie weiß, daß du ver-
zagt, oder behertzt gewesen, ein Löwen- oder
ein Haasen-Hertze gehabt: ob du in einem
gewissen Kriege einen Herculem hättest ab-
geben können, oder ob man, wenn du zu der
Zeit der Königin Candaces aus Mohrenland
gelebet, einen Cämmerer aus dir hätte ma-
chen können? Ja, lieber Freund, ich

dencke

Vorrede.
ben muͤſſen, und bin es auch geweſen;
ſage, ob wohl leicht iemand, ſo bald
derſelbe mein Leben geleſen, ins kuͤnff-
tige auf der Gaſſe vor mir vorbey ge-
hen werde, ohne heimlich im Hertzen
zu lachen, oder doch einen veraͤchtlichen
und eckelhafftigen Affect gegen mich
bey ſich zu ſpuͤhren.

Du ſprichſt: Was iſt es aber noͤthig,
und wozu nuͤtzet es, daß du deine Fehler und
Gebrechen aufſchreibeſt, und andern Leuten
offenbareſt, nemo tenetur allegare pro-
priam turpitudinem?
Was iſt doch der
Welt dran gelegen, ob ſie weiß, daß du ver-
zagt, oder behertzt geweſen, ein Loͤwen- oder
ein Haaſen-Hertze gehabt: ob du in einem
gewiſſen Kriege einen Herculem haͤtteſt ab-
geben koͤnnen, oder ob man, wenn du zu der
Zeit der Koͤnigin Candaces aus Mohrenland
gelebet, einen Caͤmmerer aus dir haͤtte ma-
chen koͤnnen? Ja, lieber Freund, ich

dencke
<TEI>
  <text>
    <front>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0033"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Vorrede.</hi></fw><lb/>
ben mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, und bin es auch gewe&#x017F;en;<lb/>
&#x017F;age, ob wohl leicht iemand, &#x017F;o bald<lb/>
der&#x017F;elbe mein Leben gele&#x017F;en, ins ku&#x0364;nff-<lb/>
tige auf der Ga&#x017F;&#x017F;e vor mir vorbey ge-<lb/>
hen werde, ohne heimlich im Hertzen<lb/>
zu lachen, oder doch einen vera&#x0364;chtlichen<lb/>
und eckelhafftigen <hi rendition="#aq">Affect</hi> gegen mich<lb/>
bey &#x017F;ich zu &#x017F;pu&#x0364;hren.</p><lb/>
        <p>Du &#x017F;prich&#x017F;t: Was i&#x017F;t es aber no&#x0364;thig,<lb/>
und wozu nu&#x0364;tzet es, daß du deine Fehler und<lb/>
Gebrechen auf&#x017F;chreibe&#x017F;t, und andern Leuten<lb/>
offenbare&#x017F;t, <hi rendition="#aq">nemo tenetur allegare pro-<lb/>
priam turpitudinem?</hi> Was i&#x017F;t doch der<lb/>
Welt dran gelegen, ob &#x017F;ie weiß, daß du ver-<lb/>
zagt, oder behertzt gewe&#x017F;en, ein Lo&#x0364;wen- oder<lb/>
ein Haa&#x017F;en-Hertze gehabt: ob du in einem<lb/>
gewi&#x017F;&#x017F;en Kriege einen <hi rendition="#aq">Herculem</hi> ha&#x0364;tte&#x017F;t ab-<lb/>
geben ko&#x0364;nnen, oder ob man, wenn du zu der<lb/>
Zeit der Ko&#x0364;nigin <hi rendition="#aq">Candaces</hi> aus Mohrenland<lb/>
gelebet, einen Ca&#x0364;mmerer aus dir ha&#x0364;tte ma-<lb/>
chen ko&#x0364;nnen? <hi rendition="#fr">Ja, lieber Freund, ich</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch">dencke</fw><lb/></p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[0033] Vorrede. ben muͤſſen, und bin es auch geweſen; ſage, ob wohl leicht iemand, ſo bald derſelbe mein Leben geleſen, ins kuͤnff- tige auf der Gaſſe vor mir vorbey ge- hen werde, ohne heimlich im Hertzen zu lachen, oder doch einen veraͤchtlichen und eckelhafftigen Affect gegen mich bey ſich zu ſpuͤhren. Du ſprichſt: Was iſt es aber noͤthig, und wozu nuͤtzet es, daß du deine Fehler und Gebrechen aufſchreibeſt, und andern Leuten offenbareſt, nemo tenetur allegare pro- priam turpitudinem? Was iſt doch der Welt dran gelegen, ob ſie weiß, daß du ver- zagt, oder behertzt geweſen, ein Loͤwen- oder ein Haaſen-Hertze gehabt: ob du in einem gewiſſen Kriege einen Herculem haͤtteſt ab- geben koͤnnen, oder ob man, wenn du zu der Zeit der Koͤnigin Candaces aus Mohrenland gelebet, einen Caͤmmerer aus dir haͤtte ma- chen koͤnnen? Ja, lieber Freund, ich dencke

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/33
Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/33>, abgerufen am 27.11.2024.