hat jener geurtheilet, daß, wo man den Menschen auf einer Seite betrachte, nichts klüger, als derselbe sey; wo man ihn aber auf der andern Seite ansähe, nichts när- rischers als derselbe gefunden werde. Warlich, wenn einer die Menschen auch in diesem Stücke betrachtete, und doch glauben und vorgeben wolte, daß sie noch in ihrem ersten Zustande, und daß sie so, wie sie ietzo sind, aus den Händen GOttes, als ihres Schöpf- fers und Werckmeisters, gekommen, der müste wohl von wenigem Ver- stande, und schlechtem Nachsinnen seyn. Nun, Leser, siehe, diese Ge- müths- und Leibes-Mängel habe ich alle von mir zu erzehlen kein Bedencken getragen: ich habe mich als das furchtsamste Thier auf Erden beschrei-
ben
Vorrede.
hat jener geurtheilet, daß, wo man den Menſchen auf einer Seite betrachte, nichts kluͤger, als derſelbe ſey; wo man ihn aber auf der andern Seite anſaͤhe, nichts naͤr- riſchers als derſelbe gefunden werde. Warlich, wenn einer die Menſchen auch in dieſem Stuͤcke betrachtete, und doch glauben und vorgeben wolte, daß ſie noch in ihrem erſten Zuſtande, und daß ſie ſo, wie ſie ietzo ſind, aus den Haͤnden GOttes, als ihres Schoͤpf- fers und Werckmeiſters, gekommen, der muͤſte wohl von wenigem Ver- ſtande, und ſchlechtem Nachſinnen ſeyn. Nun, Leſer, ſiehe, dieſe Ge- muͤths- und Leibes-Maͤngel habe ich alle von mir zu erzehlen kein Bedencken getragen: ich habe mich als das furchtſamſte Thier auf Erden beſchrei-
ben
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[0032]
Vorrede.
hat jener geurtheilet, daß, wo man den
Menſchen auf einer Seite betrachte, nichts
kluͤger, als derſelbe ſey; wo man ihn aber
auf der andern Seite anſaͤhe, nichts naͤr-
riſchers als derſelbe gefunden werde.
Warlich, wenn einer die Menſchen
auch in dieſem Stuͤcke betrachtete, und
doch glauben und vorgeben wolte, daß
ſie noch in ihrem erſten Zuſtande, und
daß ſie ſo, wie ſie ietzo ſind, aus den
Haͤnden GOttes, als ihres Schoͤpf-
fers und Werckmeiſters, gekommen,
der muͤſte wohl von wenigem Ver-
ſtande, und ſchlechtem Nachſinnen
ſeyn. Nun, Leſer, ſiehe, dieſe Ge-
muͤths- und Leibes-Maͤngel habe ich
alle von mir zu erzehlen kein Bedencken
getragen: ich habe mich als das
furchtſamſte Thier auf Erden beſchrei-
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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/32>, abgerufen am 27.11.2024.
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