menschlichen Geschlechts bestimmet. Jede Liebe strebt nach der Vereinigung mit der ge- liebten Sache, dieselbe zu ihrem Wohlseyn und Erquickung zu gebrauchen, und anzuwenden. Nachdem nun das Gut ist, nach dessen Ver- einigung ich strebe: und nachdem die Art und Weise ist, nach welcher ich mit der geliebten Sache kan vereiniget werden, nach dem deh- nen sich auch die Glieder des Leibes und sinn- lichen Werckzeuge aus, und setzen den Men- schen in den Stand, des erkannten Guten durch die Vereinigung theilhafftig zu werden. Obgleich in unsern Ohren und Augen nicht so eine große Erweiterung und Ausdehnung, wie bey andern Gliedern und Gefäßen des Leibes, vorgehen kan; so sperren wir doch Augen und Ohren auf, wenn was angenehmes zu hören und zu sehen ist, damit wir solches desto besser wollen sehen, hören, und genießen. Ja un- ser Hertz thut sich, wie Paulus von seinem Her- tzen saget, zuweilen vor Freuden auf, und brei- tet sich aus, cor nostrum dilatatum est: gleichwie es sich hingegen vor Furcht, Angst und Traurigkeit zusammen ziehet und preßt, wel- che Zusammenziehung und Zusammenpressung, wenn sie nur nicht allzu starck und groß ist, auch das ihrige zur Erhaltung der Ge- sundheit, und das bevorstehende Ubel abzu-
wenden,
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die groͤſte Furcht hatten,
menſchlichen Geſchlechts beſtimmet. Jede Liebe ſtrebt nach der Vereinigung mit der ge- liebten Sache, dieſelbe zu ihrem Wohlſeyn und Erquickung zu gebrauchen, und anzuwenden. Nachdem nun das Gut iſt, nach deſſen Ver- einigung ich ſtrebe: und nachdem die Art und Weiſe iſt, nach welcher ich mit der geliebten Sache kan vereiniget werden, nach dem deh- nen ſich auch die Glieder des Leibes und ſinn- lichen Werckzeuge aus, und ſetzen den Men- ſchen in den Stand, des erkannten Guten durch die Vereinigung theilhafftig zu werden. Obgleich in unſern Ohren und Augen nicht ſo eine große Erweiterung und Ausdehnung, wie bey andern Gliedern und Gefaͤßen des Leibes, vorgehen kan; ſo ſperren wir doch Augen und Ohren auf, wenn was angenehmes zu hoͤren und zu ſehen iſt, damit wir ſolches deſto beſſer wollen ſehen, hoͤren, und genießen. Ja un- ſer Hertz thut ſich, wie Paulus von ſeinem Her- tzen ſaget, zuweilen vor Freuden auf, und brei- tet ſich aus, cor noſtrum dilatatum eſt: gleichwie es ſich hingegen vor Furcht, Angſt und Traurigkeit zuſammen ziehet und preßt, wel- che Zuſammenziehung und Zuſammenpreſſung, wenn ſie nur nicht allzu ſtarck und groß iſt, auch das ihrige zur Erhaltung der Ge- ſundheit, und das bevorſtehende Ubel abzu-
wenden,
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die groͤſte Furcht hatten,
menſchlichen Geſchlechts beſtimmet. Jede
Liebe ſtrebt nach der Vereinigung mit der ge-
liebten Sache, dieſelbe zu ihrem Wohlſeyn und
Erquickung zu gebrauchen, und anzuwenden.
Nachdem nun das Gut iſt, nach deſſen Ver-
einigung ich ſtrebe: und nachdem die Art und
Weiſe iſt, nach welcher ich mit der geliebten
Sache kan vereiniget werden, nach dem deh-
nen ſich auch die Glieder des Leibes und ſinn-
lichen Werckzeuge aus, und ſetzen den Men-
ſchen in den Stand, des erkannten Guten
durch die Vereinigung theilhafftig zu werden.
Obgleich in unſern Ohren und Augen nicht ſo
eine große Erweiterung und Ausdehnung, wie
bey andern Gliedern und Gefaͤßen des Leibes,
vorgehen kan; ſo ſperren wir doch Augen und
Ohren auf, wenn was angenehmes zu hoͤren
und zu ſehen iſt, damit wir ſolches deſto beſſer
wollen ſehen, hoͤren, und genießen. Ja un-
ſer Hertz thut ſich, wie Paulus von ſeinem Her-
tzen ſaget, zuweilen vor Freuden auf, und brei-
tet ſich aus, cor noſtrum dilatatum eſt:
gleichwie es ſich hingegen vor Furcht, Angſt und
Traurigkeit zuſammen ziehet und preßt, wel-
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iſt, auch das ihrige zur Erhaltung der Ge-
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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/323>, abgerufen am 22.11.2024.
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