Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

Bild:
<< vorherige Seite

auf dem Heim-Wege,
hub sich ein ziemlicher Streit in Gemüthe, der
mich eine ziemliche Zeit verunruhigte, und mich
nicht einschlafen ließ: ob ich es nemlich solte
weg, und von mir legen, oder ob ich solches bey
mir behalten solte. Solches wegzulegen, schien
ein Mißtrauen auf GOttes Schutz und Provi-
denz
zu seyn, und selbiges zu behalten deuchte
mich eine Verwegenheit und Versuchung GOt-
tes zu seyn. Denn wenn die Imagination ver-
gifftet und angestecket ist, so daß man bey naher
Anwesenheit tödtlicher Waffen mit schrecklichen
Gedancken und Phantasien geplaget wird, so
scheinet es weislich gehandelt zu seyn, daß man
natürliche Mittel brauche, und die Dinge ent-
ferne, welche zu fürchterlichen Gedancken Gele-
genheit geben. Was ich damals endlich resol-
vi
ret, kan ich mich nicht mehr besinnen, ich halte
aber ietzt davor, daß es bey solchen Umständen
noch besser gethan seye, wenn einer, der Imagina-
tion
zu Trutz, der Furcht durch Vertrauen auf
GOtt steuret, und die feste Zuversicht fasset,
GOtt werde nach seiner Weisheit und Macht alles
Böse abzuwenden wissen. Doch kan freylich die
Schwachheit des Leibes und des Gemüthes, und die
natürliche Furcht, welche in Spasinis des Miltzes,
und Contractionen der Nervulorum ihren Grund
hat, manchmal so groß werden, daß einer in die-
sem Stücke auch alsdenn besser thut, wenn er

dem

auf dem Heim-Wege,
hub ſich ein ziemlicher Streit in Gemuͤthe, der
mich eine ziemliche Zeit verunruhigte, und mich
nicht einſchlafen ließ: ob ich es nemlich ſolte
weg, und von mir legen, oder ob ich ſolches bey
mir behalten ſolte. Solches wegzulegen, ſchien
ein Mißtrauen auf GOttes Schutz und Provi-
denz
zu ſeyn, und ſelbiges zu behalten deuchte
mich eine Verwegenheit und Verſuchung GOt-
tes zu ſeyn. Denn wenn die Imagination ver-
gifftet und angeſtecket iſt, ſo daß man bey naher
Anweſenheit toͤdtlicher Waffen mit ſchrecklichen
Gedancken und Phantaſien geplaget wird, ſo
ſcheinet es weislich gehandelt zu ſeyn, daß man
natuͤrliche Mittel brauche, und die Dinge ent-
ferne, welche zu fuͤrchterlichen Gedancken Gele-
genheit geben. Was ich damals endlich reſol-
vi
ret, kan ich mich nicht mehr beſinnen, ich halte
aber ietzt davor, daß es bey ſolchen Umſtaͤnden
noch beſſer gethan ſeye, wenn einer, der Imagina-
tion
zu Trutz, der Furcht durch Vertrauen auf
GOtt ſteuret, und die feſte Zuverſicht faſſet,
GOtt werde nach ſeiner Weisheit und Macht alles
Boͤſe abzuwenden wiſſen. Doch kan freylich die
Schwachheit des Leibes und des Gemuͤthes, und die
natuͤrliche Furcht, welche in Spaſinis des Miltzes,
und Contractionen der Nervulorum ihren Grund
hat, manchmal ſo groß werden, daß einer in die-
ſem Stuͤcke auch alsdenn beſſer thut, wenn er

dem
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0300" n="254"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">auf dem Heim-Wege,</hi></fw><lb/>
hub &#x017F;ich ein ziemlicher Streit in Gemu&#x0364;the, der<lb/>
mich eine ziemliche Zeit verunruhigte, und mich<lb/>
nicht ein&#x017F;chlafen ließ: ob ich es nemlich &#x017F;olte<lb/>
weg, und von mir legen, oder ob ich &#x017F;olches bey<lb/>
mir behalten &#x017F;olte. Solches wegzulegen, &#x017F;chien<lb/>
ein Mißtrauen auf GOttes Schutz und <hi rendition="#aq">Provi-<lb/>
denz</hi> zu &#x017F;eyn, und &#x017F;elbiges zu behalten deuchte<lb/>
mich eine Verwegenheit und Ver&#x017F;uchung GOt-<lb/>
tes zu &#x017F;eyn. Denn wenn die <hi rendition="#aq">Imagination</hi> ver-<lb/>
gifftet und ange&#x017F;tecket i&#x017F;t, &#x017F;o daß man bey naher<lb/>
Anwe&#x017F;enheit to&#x0364;dtlicher Waffen mit &#x017F;chrecklichen<lb/>
Gedancken und <hi rendition="#aq">Phanta&#x017F;i</hi>en geplaget wird, &#x017F;o<lb/>
&#x017F;cheinet es weislich gehandelt zu &#x017F;eyn, daß man<lb/>
natu&#x0364;rliche Mittel brauche, und die Dinge ent-<lb/>
ferne, welche zu fu&#x0364;rchterlichen Gedancken Gele-<lb/>
genheit geben. Was ich damals endlich <hi rendition="#aq">re&#x017F;ol-<lb/>
vi</hi>ret, kan ich mich nicht mehr be&#x017F;innen, ich halte<lb/>
aber ietzt davor, daß es bey &#x017F;olchen Um&#x017F;ta&#x0364;nden<lb/>
noch be&#x017F;&#x017F;er gethan &#x017F;eye, wenn einer, der <hi rendition="#aq">Imagina-<lb/>
tion</hi> zu Trutz, der Furcht durch Vertrauen auf<lb/>
GOtt &#x017F;teuret, und die fe&#x017F;te Zuver&#x017F;icht fa&#x017F;&#x017F;et,<lb/>
GOtt werde nach &#x017F;einer Weisheit und Macht alles<lb/>
Bo&#x0364;&#x017F;e abzuwenden wi&#x017F;&#x017F;en. Doch kan freylich die<lb/>
Schwachheit des Leibes und des Gemu&#x0364;thes, und die<lb/>
natu&#x0364;rliche Furcht, welche in <hi rendition="#aq">Spa&#x017F;inis</hi> des Miltzes,<lb/>
und <hi rendition="#aq">Contraction</hi>en der <hi rendition="#aq">Nervulorum</hi> ihren Grund<lb/>
hat, manchmal &#x017F;o groß werden, daß einer in die-<lb/>
&#x017F;em Stu&#x0364;cke auch alsdenn be&#x017F;&#x017F;er thut, wenn er<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">dem</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[254/0300] auf dem Heim-Wege, hub ſich ein ziemlicher Streit in Gemuͤthe, der mich eine ziemliche Zeit verunruhigte, und mich nicht einſchlafen ließ: ob ich es nemlich ſolte weg, und von mir legen, oder ob ich ſolches bey mir behalten ſolte. Solches wegzulegen, ſchien ein Mißtrauen auf GOttes Schutz und Provi- denz zu ſeyn, und ſelbiges zu behalten deuchte mich eine Verwegenheit und Verſuchung GOt- tes zu ſeyn. Denn wenn die Imagination ver- gifftet und angeſtecket iſt, ſo daß man bey naher Anweſenheit toͤdtlicher Waffen mit ſchrecklichen Gedancken und Phantaſien geplaget wird, ſo ſcheinet es weislich gehandelt zu ſeyn, daß man natuͤrliche Mittel brauche, und die Dinge ent- ferne, welche zu fuͤrchterlichen Gedancken Gele- genheit geben. Was ich damals endlich reſol- viret, kan ich mich nicht mehr beſinnen, ich halte aber ietzt davor, daß es bey ſolchen Umſtaͤnden noch beſſer gethan ſeye, wenn einer, der Imagina- tion zu Trutz, der Furcht durch Vertrauen auf GOtt ſteuret, und die feſte Zuverſicht faſſet, GOtt werde nach ſeiner Weisheit und Macht alles Boͤſe abzuwenden wiſſen. Doch kan freylich die Schwachheit des Leibes und des Gemuͤthes, und die natuͤrliche Furcht, welche in Spaſinis des Miltzes, und Contractionen der Nervulorum ihren Grund hat, manchmal ſo groß werden, daß einer in die- ſem Stuͤcke auch alsdenn beſſer thut, wenn er dem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/300
Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/300>, abgerufen am 22.11.2024.