einander in Dingen, worüber sie eher ihr Mitleiden bezeugen solten; und rühmen und erheben einander in Sa- chen, worinnen sie nur den Nächsten glücklich schätzen solten; oder, wie es D. Ridiger ehedessen deutlicher aus- drückte: sie vituperiren, wo sie condo- liren, und loben und rühmen einander, wo sie einander nur gratuliren solten. Jn Wahrheit, die Furcht ist vielfältig- mahl nicht sowohl ein Laster, als eine natürliche Würckung eines melancho- lischen Temperamentes, und die mit schwachen Nerven und Spasmis schier durch ein unzertrennlich Band zusam- men hänget. Aber wer ist in der Welt verachter, als ein furchtsamer und blöder Mensch? Man kan eher einen zornigen, als furchtsamen Men-
schen
b 3
Vorrede.
einander in Dingen, woruͤber ſie eher ihr Mitleiden bezeugen ſolten; und ruͤhmen und erheben einander in Sa- chen, worinnen ſie nur den Naͤchſten gluͤcklich ſchaͤtzen ſolten; oder, wie es D. Ridiger ehedeſſen deutlicher aus- druͤckte: ſie vituperiren, wo ſie condo- liren, und loben und ruͤhmen einander, wo ſie einander nur gratuliren ſolten. Jn Wahrheit, die Furcht iſt vielfaͤltig- mahl nicht ſowohl ein Laſter, als eine natuͤrliche Wuͤrckung eines melancho- liſchen Temperamentes, und die mit ſchwachen Nerven und Spasmis ſchier durch ein unzertrennlich Band zuſam- men haͤnget. Aber wer iſt in der Welt verachter, als ein furchtſamer und bloͤder Menſch? Man kan eher einen zornigen, als furchtſamen Men-
ſchen
b 3
<TEI><text><front><divn="1"><p><pbfacs="#f0027"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Vorrede.</hi></fw><lb/>
einander in Dingen, woruͤber ſie eher<lb/>
ihr Mitleiden bezeugen ſolten; und<lb/>
ruͤhmen und erheben einander in Sa-<lb/>
chen, worinnen ſie nur den Naͤchſten<lb/>
gluͤcklich ſchaͤtzen ſolten; oder, wie es<lb/><hirendition="#aq">D.</hi> Ridiger ehedeſſen deutlicher aus-<lb/>
druͤckte: ſie <hirendition="#aq">vituperi</hi>ren, wo ſie <hirendition="#aq">condo-<lb/>
li</hi>ren, und loben und ruͤhmen einander,<lb/>
wo ſie einander nur <hirendition="#aq">gratuli</hi>ren ſolten.<lb/>
Jn Wahrheit, die Furcht iſt vielfaͤltig-<lb/>
mahl nicht ſowohl ein Laſter, als eine<lb/>
natuͤrliche Wuͤrckung eines <hirendition="#aq">melancho-<lb/>
li</hi>ſchen <hirendition="#aq">Temperament</hi>es, und die mit<lb/>ſchwachen Nerven und <hirendition="#aq">Spasmis</hi>ſchier<lb/>
durch ein unzertrennlich Band zuſam-<lb/>
men haͤnget. Aber wer iſt in der<lb/>
Welt verachter, als ein furchtſamer<lb/>
und bloͤder Menſch? Man kan eher<lb/>
einen zornigen, als furchtſamen Men-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">b 3</fw><fwplace="bottom"type="catch">ſchen</fw><lb/></p></div></front></text></TEI>
[0027]
Vorrede.
einander in Dingen, woruͤber ſie eher
ihr Mitleiden bezeugen ſolten; und
ruͤhmen und erheben einander in Sa-
chen, worinnen ſie nur den Naͤchſten
gluͤcklich ſchaͤtzen ſolten; oder, wie es
D. Ridiger ehedeſſen deutlicher aus-
druͤckte: ſie vituperiren, wo ſie condo-
liren, und loben und ruͤhmen einander,
wo ſie einander nur gratuliren ſolten.
Jn Wahrheit, die Furcht iſt vielfaͤltig-
mahl nicht ſowohl ein Laſter, als eine
natuͤrliche Wuͤrckung eines melancho-
liſchen Temperamentes, und die mit
ſchwachen Nerven und Spasmis ſchier
durch ein unzertrennlich Band zuſam-
men haͤnget. Aber wer iſt in der
Welt verachter, als ein furchtſamer
und bloͤder Menſch? Man kan eher
einen zornigen, als furchtſamen Men-
ſchen
b 3
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/27>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.