Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

Bild:
<< vorherige Seite

vor der That gegen
bracht hatte. Jch erinnerte mich auch selbst,
daß dergleichen in meinem Vaterlande sich mit
einem begeben hatte. Kaum hatte ich diese
Historie mit Furcht und Zittern angehöret, so
übersiel mich den Augenblick die Furcht, und
Einbildung, es würde mit mir auch dahin kom-
men, daß ich an diesem Tage auf eine so mise-
rable
Weise mein Leben enden würde. O eine
rechte Marter-Woche, die ich dazumal gehabt!
Von dieser Furcht und Einbildung befreyete
mich auch nicht, daß in meinem Leben der öffent-
liche Gottesdienst an diesem Tage allemal so un-
gemeine gute Bewegungen in meinem Hertzen
gemacht hatte; wie nicht selten bey Christen zu
geschehen pflegt, die auch nur einen Anfang im
guten, und im Christenthum haben. Jch hatte
bey einigen Jahren her allemahl am Char-Frey-
tage einen Macht- und Trost-Spruch, der mir
sehr zu Hertzen gegangen, in die Wand meiner
Schlaf-Cammer, und in ein Buch geschrieben,
um solchen das gantze Jahr zu meinem Troste
und zu meiner Regel vor Augen zu haben; wie
ich denn solches auch 39. Jahr bis auf den jüngst-
verflossenen Char-Freytag continuiret und beob-
achtet habe. Mein GOtt, dachte ich offt bey
mir selbst, solst du an dem Tage so jämmerlich
sterben, an welchem du GOtt allezeit am in-
brünstigsten geliebet, und GOttes Liebe im hohen

Maaße

vor der That gegen
bracht hatte. Jch erinnerte mich auch ſelbſt,
daß dergleichen in meinem Vaterlande ſich mit
einem begeben hatte. Kaum hatte ich dieſe
Hiſtorie mit Furcht und Zittern angehoͤret, ſo
uͤberſiel mich den Augenblick die Furcht, und
Einbildung, es wuͤrde mit mir auch dahin kom-
men, daß ich an dieſem Tage auf eine ſo miſe-
rable
Weiſe mein Leben enden wuͤrde. O eine
rechte Marter-Woche, die ich dazumal gehabt!
Von dieſer Furcht und Einbildung befreyete
mich auch nicht, daß in meinem Leben der oͤffent-
liche Gottesdienſt an dieſem Tage allemal ſo un-
gemeine gute Bewegungen in meinem Hertzen
gemacht hatte; wie nicht ſelten bey Chriſten zu
geſchehen pflegt, die auch nur einen Anfang im
guten, und im Chriſtenthum haben. Jch hatte
bey einigen Jahren her allemahl am Char-Frey-
tage einen Macht- und Troſt-Spruch, der mir
ſehr zu Hertzen gegangen, in die Wand meiner
Schlaf-Cammer, und in ein Buch geſchrieben,
um ſolchen das gantze Jahr zu meinem Troſte
und zu meiner Regel vor Augen zu haben; wie
ich denn ſolches auch 39. Jahr bis auf den juͤngſt-
verfloſſenen Char-Freytag continuiret und beob-
achtet habe. Mein GOtt, dachte ich offt bey
mir ſelbſt, ſolſt du an dem Tage ſo jaͤmmerlich
ſterben, an welchem du GOtt allezeit am in-
bruͤnſtigſten geliebet, und GOttes Liebe im hohen

Maaße
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0269" n="223"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">vor der That gegen</hi></fw><lb/>
bracht hatte. Jch erinnerte mich auch &#x017F;elb&#x017F;t,<lb/>
daß dergleichen in meinem Vaterlande &#x017F;ich mit<lb/>
einem begeben hatte. Kaum hatte ich die&#x017F;e<lb/>
Hi&#x017F;torie mit Furcht und Zittern angeho&#x0364;ret, &#x017F;o<lb/>
u&#x0364;ber&#x017F;iel mich den Augenblick die Furcht, und<lb/>
Einbildung, es wu&#x0364;rde mit mir auch dahin kom-<lb/>
men, daß ich an die&#x017F;em Tage auf eine &#x017F;o <hi rendition="#aq">mi&#x017F;e-<lb/>
rable</hi> Wei&#x017F;e mein Leben enden wu&#x0364;rde. O eine<lb/>
rechte Marter-Woche, die ich dazumal gehabt!<lb/>
Von die&#x017F;er Furcht und Einbildung befreyete<lb/>
mich auch nicht, daß in meinem Leben der o&#x0364;ffent-<lb/>
liche Gottesdien&#x017F;t an die&#x017F;em Tage allemal &#x017F;o un-<lb/>
gemeine gute Bewegungen in meinem Hertzen<lb/>
gemacht hatte; wie nicht &#x017F;elten bey Chri&#x017F;ten zu<lb/>
ge&#x017F;chehen pflegt, die auch nur einen Anfang im<lb/>
guten, und im Chri&#x017F;tenthum haben. Jch hatte<lb/>
bey einigen Jahren her allemahl am Char-Frey-<lb/>
tage einen Macht- und Tro&#x017F;t-Spruch, der mir<lb/>
&#x017F;ehr zu Hertzen gegangen, in die Wand meiner<lb/>
Schlaf-Cammer, und in ein Buch ge&#x017F;chrieben,<lb/>
um &#x017F;olchen das gantze Jahr zu meinem Tro&#x017F;te<lb/>
und zu meiner Regel vor Augen zu haben; wie<lb/>
ich denn &#x017F;olches auch 39. Jahr bis auf den ju&#x0364;ng&#x017F;t-<lb/>
verflo&#x017F;&#x017F;enen Char-Freytag <hi rendition="#aq">continui</hi>ret und beob-<lb/>
achtet habe. Mein GOtt, dachte ich offt bey<lb/>
mir &#x017F;elb&#x017F;t, &#x017F;ol&#x017F;t du an dem Tage &#x017F;o ja&#x0364;mmerlich<lb/>
&#x017F;terben, an welchem du GOtt allezeit am in-<lb/>
bru&#x0364;n&#x017F;tig&#x017F;ten geliebet, und GOttes Liebe im hohen<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Maaße</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[223/0269] vor der That gegen bracht hatte. Jch erinnerte mich auch ſelbſt, daß dergleichen in meinem Vaterlande ſich mit einem begeben hatte. Kaum hatte ich dieſe Hiſtorie mit Furcht und Zittern angehoͤret, ſo uͤberſiel mich den Augenblick die Furcht, und Einbildung, es wuͤrde mit mir auch dahin kom- men, daß ich an dieſem Tage auf eine ſo miſe- rable Weiſe mein Leben enden wuͤrde. O eine rechte Marter-Woche, die ich dazumal gehabt! Von dieſer Furcht und Einbildung befreyete mich auch nicht, daß in meinem Leben der oͤffent- liche Gottesdienſt an dieſem Tage allemal ſo un- gemeine gute Bewegungen in meinem Hertzen gemacht hatte; wie nicht ſelten bey Chriſten zu geſchehen pflegt, die auch nur einen Anfang im guten, und im Chriſtenthum haben. Jch hatte bey einigen Jahren her allemahl am Char-Frey- tage einen Macht- und Troſt-Spruch, der mir ſehr zu Hertzen gegangen, in die Wand meiner Schlaf-Cammer, und in ein Buch geſchrieben, um ſolchen das gantze Jahr zu meinem Troſte und zu meiner Regel vor Augen zu haben; wie ich denn ſolches auch 39. Jahr bis auf den juͤngſt- verfloſſenen Char-Freytag continuiret und beob- achtet habe. Mein GOtt, dachte ich offt bey mir ſelbſt, ſolſt du an dem Tage ſo jaͤmmerlich ſterben, an welchem du GOtt allezeit am in- bruͤnſtigſten geliebet, und GOttes Liebe im hohen Maaße

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/269
Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/269>, abgerufen am 23.07.2024.