bloß vom Leibe herkommen, und die Melancho- lie nur ihren Grund in verstopfften Gefäßen, und verbranten Geblüte hat, so kan ich nicht anders, ich muß der Aertzte ihren Rath billi- gen, nach welchem sie in solchen Fällen das Aderlassen vorschlagen, sintemahln sie die Erfah- rung gelehret, daß dieses die Patienten offt von solchem Ubel befreyet. Wenn aber bey solcher Schwermuth und Melancholie, und derglei- chen betrübten Einfällen ein Gewissens-Kum- mer, und eine Angst wegen begangener Sünden zu finden, so hat mich die Erfahrung in meinem Amte gelehret, daß alsdenn das Aderlassen die Kranckheit nicht hebe, ja daß, weil durch Ader- lassen die Kräffte des Menschen noch mehr ge- schwächet werden, das Ubel nur desto ärger werde, wenn das Gewissen durch GOTTes Wort nicht zuvor geheilet, und beruhiget wor- den; sintemahl die große Gewissens-Angst hernach desto leichter die durch das Aderlassen ge- schwächte Lebens-Geister verwirren, und den Menschen seines Verstandes berauben kan, so daß derselbe hernach ohne Verstand nach dem er- schrecklichen Bilde würcket, was in seinem Haupte entstanden, und selbst Hand an sich leget.
Ob der Satan solche Gedancken würcke, und die Imagination mit einem solchem mörderi-
schen
findet keinen Troſt in
bloß vom Leibe herkommen, und die Melancho- lie nur ihren Grund in verſtopfften Gefaͤßen, und verbranten Gebluͤte hat, ſo kan ich nicht anders, ich muß der Aertzte ihren Rath billi- gen, nach welchem ſie in ſolchen Faͤllen das Aderlaſſen vorſchlagen, ſintemahln ſie die Erfah- rung gelehret, daß dieſes die Patienten offt von ſolchem Ubel befreyet. Wenn aber bey ſolcher Schwermuth und Melancholie, und derglei- chen betruͤbten Einfaͤllen ein Gewiſſens-Kum- mer, und eine Angſt wegen begangener Suͤnden zu finden, ſo hat mich die Erfahrung in meinem Amte gelehret, daß alsdenn das Aderlaſſen die Kranckheit nicht hebe, ja daß, weil durch Ader- laſſen die Kraͤffte des Menſchen noch mehr ge- ſchwaͤchet werden, das Ubel nur deſto aͤrger werde, wenn das Gewiſſen durch GOTTes Wort nicht zuvor geheilet, und beruhiget wor- den; ſintemahl die große Gewiſſens-Angſt hernach deſto leichter die durch das Aderlaſſen ge- ſchwaͤchte Lebens-Geiſter verwirren, und den Menſchen ſeines Verſtandes berauben kan, ſo daß derſelbe hernach ohne Verſtand nach dem er- ſchrecklichen Bilde wuͤrcket, was in ſeinem Haupte entſtanden, und ſelbſt Hand an ſich leget.
Ob der Satan ſolche Gedancken wuͤrcke, und die Imagination mit einem ſolchem moͤrderi-
ſchen
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0265"n="219"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">findet keinen Troſt in</hi></fw><lb/>
bloß vom Leibe herkommen, und die <hirendition="#aq">Melancho-<lb/>
lie</hi> nur ihren Grund in verſtopfften Gefaͤßen,<lb/>
und verbranten Gebluͤte hat, ſo kan ich nicht<lb/>
anders, ich muß der Aertzte ihren Rath billi-<lb/>
gen, nach welchem ſie in ſolchen Faͤllen das<lb/>
Aderlaſſen vorſchlagen, ſintemahln ſie die Erfah-<lb/>
rung gelehret, daß dieſes die <hirendition="#aq">Patient</hi>en offt von<lb/>ſolchem Ubel befreyet. Wenn aber bey ſolcher<lb/>
Schwermuth und <hirendition="#aq">Melancholie,</hi> und derglei-<lb/>
chen betruͤbten Einfaͤllen ein Gewiſſens-Kum-<lb/>
mer, und eine Angſt wegen begangener Suͤnden<lb/>
zu finden, ſo hat mich die Erfahrung in meinem<lb/>
Amte gelehret, daß alsdenn das Aderlaſſen die<lb/>
Kranckheit nicht hebe, ja daß, weil durch Ader-<lb/>
laſſen die Kraͤffte des Menſchen noch mehr ge-<lb/>ſchwaͤchet werden, das Ubel nur deſto aͤrger<lb/>
werde, wenn das Gewiſſen durch GOTTes<lb/>
Wort nicht zuvor geheilet, und beruhiget wor-<lb/>
den; ſintemahl die große Gewiſſens-Angſt<lb/>
hernach deſto leichter die durch das Aderlaſſen ge-<lb/>ſchwaͤchte Lebens-Geiſter verwirren, und den<lb/>
Menſchen ſeines Verſtandes berauben kan, ſo<lb/>
daß derſelbe hernach ohne Verſtand nach dem er-<lb/>ſchrecklichen Bilde wuͤrcket, was in ſeinem<lb/>
Haupte entſtanden, und ſelbſt Hand an ſich<lb/>
leget.</p><lb/><p>Ob der Satan ſolche Gedancken wuͤrcke,<lb/>
und die <hirendition="#aq">Imagination</hi> mit einem ſolchem moͤrderi-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ſchen</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[219/0265]
findet keinen Troſt in
bloß vom Leibe herkommen, und die Melancho-
lie nur ihren Grund in verſtopfften Gefaͤßen,
und verbranten Gebluͤte hat, ſo kan ich nicht
anders, ich muß der Aertzte ihren Rath billi-
gen, nach welchem ſie in ſolchen Faͤllen das
Aderlaſſen vorſchlagen, ſintemahln ſie die Erfah-
rung gelehret, daß dieſes die Patienten offt von
ſolchem Ubel befreyet. Wenn aber bey ſolcher
Schwermuth und Melancholie, und derglei-
chen betruͤbten Einfaͤllen ein Gewiſſens-Kum-
mer, und eine Angſt wegen begangener Suͤnden
zu finden, ſo hat mich die Erfahrung in meinem
Amte gelehret, daß alsdenn das Aderlaſſen die
Kranckheit nicht hebe, ja daß, weil durch Ader-
laſſen die Kraͤffte des Menſchen noch mehr ge-
ſchwaͤchet werden, das Ubel nur deſto aͤrger
werde, wenn das Gewiſſen durch GOTTes
Wort nicht zuvor geheilet, und beruhiget wor-
den; ſintemahl die große Gewiſſens-Angſt
hernach deſto leichter die durch das Aderlaſſen ge-
ſchwaͤchte Lebens-Geiſter verwirren, und den
Menſchen ſeines Verſtandes berauben kan, ſo
daß derſelbe hernach ohne Verſtand nach dem er-
ſchrecklichen Bilde wuͤrcket, was in ſeinem
Haupte entſtanden, und ſelbſt Hand an ſich
leget.
Ob der Satan ſolche Gedancken wuͤrcke,
und die Imagination mit einem ſolchem moͤrderi-
ſchen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/265>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.