rio privato wolte er keinen Syllogismum condi- tionalem annehmen: der Herr Quicunque, sprach er, ist ein braver Kerl. Es fragte ihn einer einst, ehe die Stunde angieng, da er im- mer gerne mit sich schwatzen ließ, wie viel wohl Sterne im Himmel wären? Jch will es dem Herrn kurtz sagen, sprach er, vierzehen vierzehen; wolte damit andeuten, daß derselben 1414. wä- ren. Zu einem andern, der blaß aussahe, sprach er: Aut nimium studes, aut nimium amas. Der Studiosus war mit der Antwort bald fertig, negirte Majorem und sprach: Datur tertium. Rectissime respondisti, versetzte er, aber was ist das Tertium? Jch will dem Herrn das Tertium sagen: aut nimium studes, aut nimium amas, aut utrumque. Solcher Dinge wolte ich eine große Menge anführen, womit er seine Auditores bey der Lust erhielt, wenn ieman- den damit etwas gedienet wäre. Da das große Sonnen-Finsterniß 1699. im September war, und wir darauf zu Mittag in der Stunde davon urtheilten, schloß ich nach meinem Erkänntniß, daß er kein großer Physicus und Astronomus seyn müsse, wie auch Aristoteles selbst in der Physica ein schlechter Held gewesen.
Mein Vergnügen war damals überaus groß, daß ich das Glücke hatte zu erleben, und das zu se- hen, welches zu sehen sich schon viel Jahre zuvor,
die
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bey einemAriſtotelico:
rio privato wolte er keinen Syllogiſmum condi- tionalem annehmen: der Herr Quicunque, ſprach er, iſt ein braver Kerl. Es fragte ihn einer einſt, ehe die Stunde angieng, da er im- mer gerne mit ſich ſchwatzen ließ, wie viel wohl Sterne im Himmel waͤren? Jch will es dem Herrn kurtz ſagen, ſprach er, vierzehen vierzehen; wolte damit andeuten, daß derſelben 1414. waͤ- ren. Zu einem andern, der blaß ausſahe, ſprach er: Aut nimium ſtudes, aut nimium amas. Der Studioſus war mit der Antwort bald fertig, negirte Majorem und ſprach: Datur tertium. Rectiſſime reſpondiſti, verſetzte er, aber was iſt das Tertium? Jch will dem Herrn das Tertium ſagen: aut nimium ſtudes, aut nimium amas, aut utrumque. Solcher Dinge wolte ich eine große Menge anfuͤhren, womit er ſeine Auditores bey der Luſt erhielt, wenn ieman- den damit etwas gedienet waͤre. Da das große Sonnen-Finſterniß 1699. im September war, und wir darauf zu Mittag in der Stunde davon urtheilten, ſchloß ich nach meinem Erkaͤnntniß, daß er kein großer Phyſicus und Aſtronomus ſeyn muͤſſe, wie auch Ariſtoteles ſelbſt in der Phyſica ein ſchlechter Held geweſen.
Mein Vergnuͤgen war damals uͤberaus groß, daß ich das Gluͤcke hatte zu erleben, und das zu ſe- hen, welches zu ſehen ſich ſchon viel Jahre zuvor,
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bey einem Ariſtotelico:
rio privato wolte er keinen Syllogiſmum condi-
tionalem annehmen: der Herr Quicunque,
ſprach er, iſt ein braver Kerl. Es fragte ihn
einer einſt, ehe die Stunde angieng, da er im-
mer gerne mit ſich ſchwatzen ließ, wie viel wohl
Sterne im Himmel waͤren? Jch will es dem
Herrn kurtz ſagen, ſprach er, vierzehen vierzehen;
wolte damit andeuten, daß derſelben 1414. waͤ-
ren. Zu einem andern, der blaß ausſahe,
ſprach er: Aut nimium ſtudes, aut nimium
amas. Der Studioſus war mit der Antwort
bald fertig, negirte Majorem und ſprach: Datur
tertium. Rectiſſime reſpondiſti, verſetzte er,
aber was iſt das Tertium? Jch will dem Herrn
das Tertium ſagen: aut nimium ſtudes, aut
nimium amas, aut utrumque. Solcher Dinge
wolte ich eine große Menge anfuͤhren, womit er
ſeine Auditores bey der Luſt erhielt, wenn ieman-
den damit etwas gedienet waͤre. Da das große
Sonnen-Finſterniß 1699. im September war,
und wir darauf zu Mittag in der Stunde davon
urtheilten, ſchloß ich nach meinem Erkaͤnntniß,
daß er kein großer Phyſicus und Aſtronomus ſeyn
muͤſſe, wie auch Ariſtoteles ſelbſt in der Phyſica
ein ſchlechter Held geweſen.
Mein Vergnuͤgen war damals uͤberaus groß,
daß ich das Gluͤcke hatte zu erleben, und das zu ſe-
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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/209>, abgerufen am 23.11.2024.
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