Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

Bild:
<< vorherige Seite

So furchtsam er ist,
trabender, oder hoher Geist, allemahl eine Frucht
des sündlichen Hochmuths, und eines stoltzen
Geistes sey; so viel habe ich immer von mir
selbst geglaubet, daß, ob mich wohl stets das er-
habene und scharffsinnige divertiret, und ergötzet,
und afflatum & Enthusiasmum Oratorium bey
mir verursachet; doch mein Gemüth und Geist
durch die oben beschriebene und A. 1695. ausgestan-
dene Buß- und Seelen-Angst, und andere
Ubungen, so damit verknüpfft gewesen, eine viel
größere Erhöhung bekommen, als ich sonst ge-
habt hatte, ipsis regenerationis angoribus ma-
gnum animum nactus.

Anno 1698.
§. 33.

Doch so hoch offters mein Geist war, nach
großen und ewigen Dingen strebte, hohe Projecte
machte, und Muth, Hertze, und Verwegenheit
genung hatte, schwere und wichtige Dinge zu un-
ternehmen; so war ich doch vielfältigmahl auch
wohl nur bey kleinen Dingen, wenn sie kaum
unterfangen worden, der verzagteste Mensch,
welches sattsam von meinem großen Maaße der
Melancholie zeuget, so ich durch die Natur em-
pfangen. Die natürliche Furcht, und Blödig-
keit hat mich nicht in der Welt lassen aufkom-
men, sondern gemacht, daß ich nur etwas we-

niges,

So furchtſam er iſt,
trabender, oder hoher Geiſt, allemahl eine Frucht
des ſuͤndlichen Hochmuths, und eines ſtoltzen
Geiſtes ſey; ſo viel habe ich immer von mir
ſelbſt geglaubet, daß, ob mich wohl ſtets das er-
habene und ſcharffſinnige divertiret, und ergoͤtzet,
und afflatum & Enthuſiaſmum Oratorium bey
mir verurſachet; doch mein Gemuͤth und Geiſt
durch die oben beſchriebene und A. 1695. ausgeſtan-
dene Buß- und Seelen-Angſt, und andere
Ubungen, ſo damit verknuͤpfft geweſen, eine viel
groͤßere Erhoͤhung bekommen, als ich ſonſt ge-
habt hatte, ipſis regenerationis angoribus ma-
gnum animum nactus.

Anno 1698.
§. 33.

Doch ſo hoch offters mein Geiſt war, nach
großen und ewigen Dingen ſtrebte, hohe Projecte
machte, und Muth, Hertze, und Verwegenheit
genung hatte, ſchwere und wichtige Dinge zu un-
ternehmen; ſo war ich doch vielfaͤltigmahl auch
wohl nur bey kleinen Dingen, wenn ſie kaum
unterfangen worden, der verzagteſte Menſch,
welches ſattſam von meinem großen Maaße der
Melancholie zeuget, ſo ich durch die Natur em-
pfangen. Die natuͤrliche Furcht, und Bloͤdig-
keit hat mich nicht in der Welt laſſen aufkom-
men, ſondern gemacht, daß ich nur etwas we-

niges,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0180" n="134"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">So furcht&#x017F;am er i&#x017F;t,</hi></fw><lb/>
trabender, oder hoher Gei&#x017F;t, allemahl eine Frucht<lb/>
des &#x017F;u&#x0364;ndlichen Hochmuths, und eines &#x017F;toltzen<lb/>
Gei&#x017F;tes &#x017F;ey; &#x017F;o viel habe ich immer von mir<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t geglaubet, daß, ob mich wohl &#x017F;tets das er-<lb/>
habene und &#x017F;charff&#x017F;innige <hi rendition="#aq">diverti</hi>ret, und ergo&#x0364;tzet,<lb/>
und <hi rendition="#aq">afflatum &amp; Enthu&#x017F;ia&#x017F;mum Oratorium</hi> bey<lb/>
mir verur&#x017F;achet; doch mein Gemu&#x0364;th und Gei&#x017F;t<lb/>
durch die oben be&#x017F;chriebene und <hi rendition="#aq">A.</hi> 1695. ausge&#x017F;tan-<lb/>
dene Buß- und Seelen-Ang&#x017F;t, und andere<lb/>
Ubungen, &#x017F;o damit verknu&#x0364;pfft gewe&#x017F;en, eine viel<lb/>
gro&#x0364;ßere Erho&#x0364;hung bekommen, als ich &#x017F;on&#x017F;t ge-<lb/>
habt hatte, <hi rendition="#aq">ip&#x017F;is regenerationis angoribus ma-<lb/>
gnum animum nactus.</hi></p>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">Anno</hi></hi> 1698.</hi><lb/>
§. 33.</head><lb/>
        <p>Doch &#x017F;o hoch offters mein Gei&#x017F;t war, nach<lb/>
großen und ewigen Dingen &#x017F;trebte, hohe <hi rendition="#aq">Project</hi>e<lb/>
machte, und Muth, Hertze, und Verwegenheit<lb/>
genung hatte, &#x017F;chwere und wichtige Dinge zu un-<lb/>
ternehmen; &#x017F;o war ich doch vielfa&#x0364;ltigmahl auch<lb/>
wohl nur bey kleinen Dingen, wenn &#x017F;ie kaum<lb/>
unterfangen worden, der verzagte&#x017F;te Men&#x017F;ch,<lb/>
welches &#x017F;att&#x017F;am von meinem großen Maaße der<lb/>
Melancholie zeuget, &#x017F;o ich durch die Natur em-<lb/>
pfangen. Die natu&#x0364;rliche Furcht, und Blo&#x0364;dig-<lb/>
keit hat mich nicht in der Welt la&#x017F;&#x017F;en aufkom-<lb/>
men, &#x017F;ondern gemacht, daß ich nur etwas we-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">niges,</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[134/0180] So furchtſam er iſt, trabender, oder hoher Geiſt, allemahl eine Frucht des ſuͤndlichen Hochmuths, und eines ſtoltzen Geiſtes ſey; ſo viel habe ich immer von mir ſelbſt geglaubet, daß, ob mich wohl ſtets das er- habene und ſcharffſinnige divertiret, und ergoͤtzet, und afflatum & Enthuſiaſmum Oratorium bey mir verurſachet; doch mein Gemuͤth und Geiſt durch die oben beſchriebene und A. 1695. ausgeſtan- dene Buß- und Seelen-Angſt, und andere Ubungen, ſo damit verknuͤpfft geweſen, eine viel groͤßere Erhoͤhung bekommen, als ich ſonſt ge- habt hatte, ipſis regenerationis angoribus ma- gnum animum nactus. Anno 1698. §. 33. Doch ſo hoch offters mein Geiſt war, nach großen und ewigen Dingen ſtrebte, hohe Projecte machte, und Muth, Hertze, und Verwegenheit genung hatte, ſchwere und wichtige Dinge zu un- ternehmen; ſo war ich doch vielfaͤltigmahl auch wohl nur bey kleinen Dingen, wenn ſie kaum unterfangen worden, der verzagteſte Menſch, welches ſattſam von meinem großen Maaße der Melancholie zeuget, ſo ich durch die Natur em- pfangen. Die natuͤrliche Furcht, und Bloͤdig- keit hat mich nicht in der Welt laſſen aufkom- men, ſondern gemacht, daß ich nur etwas we- niges,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/180
Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/180>, abgerufen am 13.10.2024.