Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

Bild:
<< vorherige Seite

Worte: Meinen lieben GOtt etc.
genug beschreiben und ausdrücken, was dieser
Vers im Liede, als in welchem sich ein Christ des
seligen Anschauens GOttes in der zukünfftigen
Welt tröstet und versichert, in meinem Leben so-
wol zur Stunde der Anfechtung, als auch außer
solchem Zustande, so offt ich durch Göttliche und
geistliche Betrachtungen, Liebe, Freude und
Hoffnung zu GOtt erwecket, und das Zeugniß
des Heiligen Geistes in meiner Seelen gefühlet,
vor wunderbare, und ungemeine Krafft noch im-
mer gehabt, mein Leben hier auf Erden in einen
halben Himmel zu verwandeln. Bey dem voll-
gedruckten, und gerüttelten Maaß des himmli-
schen Trostes, das bey gewissen Fällen GOtt in
meinen Schooß und Seele ausschüttet, sind diese
Worte gemeiniglich das letzte, und beynahe wie
das Siegel, welches der Geist GOttes auf alle
vorhergegangene Tröstungen drücket, oder das,
was gleichsam bey diesem Maaße überlaufft.
Und wenn ich gleich eine zeitlang dieselben
Worte ohne Bewegung ansehe, und singe,
und schier auf die Gedancken kommen will,
als ob sie nun die ehemalige alte Krafft zu bewe-
gen, und das Hertze zu rühren verlohren hätten,
so findet sich solche doch wieder, sobald der Hei-
lige Geist, als der Gnaden-Wind GOttes, der
da bläßet, wenn er will, bey gewissen Gelegen-
heiten wiederum zu wehen anfänget. So gar

wun-
H 5

Worte: Meinen lieben GOtt ꝛc.
genug beſchreiben und ausdruͤcken, was dieſer
Vers im Liede, als in welchem ſich ein Chriſt des
ſeligen Anſchauens GOttes in der zukuͤnfftigen
Welt troͤſtet und verſichert, in meinem Leben ſo-
wol zur Stunde der Anfechtung, als auch außer
ſolchem Zuſtande, ſo offt ich durch Goͤttliche und
geiſtliche Betrachtungen, Liebe, Freude und
Hoffnung zu GOtt erwecket, und das Zeugniß
des Heiligen Geiſtes in meiner Seelen gefuͤhlet,
vor wunderbare, und ungemeine Krafft noch im-
mer gehabt, mein Leben hier auf Erden in einen
halben Himmel zu verwandeln. Bey dem voll-
gedruckten, und geruͤttelten Maaß des himmli-
ſchen Troſtes, das bey gewiſſen Faͤllen GOtt in
meinen Schooß und Seele ausſchuͤttet, ſind dieſe
Worte gemeiniglich das letzte, und beynahe wie
das Siegel, welches der Geiſt GOttes auf alle
vorhergegangene Troͤſtungen druͤcket, oder das,
was gleichſam bey dieſem Maaße uͤberlaufft.
Und wenn ich gleich eine zeitlang dieſelben
Worte ohne Bewegung anſehe, und ſinge,
und ſchier auf die Gedancken kommen will,
als ob ſie nun die ehemalige alte Krafft zu bewe-
gen, und das Hertze zu ruͤhren verlohren haͤtten,
ſo findet ſich ſolche doch wieder, ſobald der Hei-
lige Geiſt, als der Gnaden-Wind GOttes, der
da blaͤßet, wenn er will, bey gewiſſen Gelegen-
heiten wiederum zu wehen anfaͤnget. So gar

wun-
H 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0167" n="121"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Worte: Meinen lieben GOtt &#xA75B;c.</hi></fw><lb/>
genug be&#x017F;chreiben und ausdru&#x0364;cken, was die&#x017F;er<lb/>
Vers im Liede, als in welchem &#x017F;ich ein Chri&#x017F;t des<lb/>
&#x017F;eligen An&#x017F;chauens GOttes in der zuku&#x0364;nfftigen<lb/>
Welt tro&#x0364;&#x017F;tet und ver&#x017F;ichert, in meinem Leben &#x017F;o-<lb/>
wol zur Stunde der Anfechtung, als auch außer<lb/>
&#x017F;olchem Zu&#x017F;tande, &#x017F;o offt ich durch Go&#x0364;ttliche und<lb/>
gei&#x017F;tliche Betrachtungen, Liebe, Freude und<lb/>
Hoffnung zu GOtt erwecket, und das Zeugniß<lb/>
des Heiligen Gei&#x017F;tes in meiner Seelen gefu&#x0364;hlet,<lb/>
vor wunderbare, und ungemeine Krafft noch im-<lb/>
mer gehabt, mein Leben hier auf Erden in einen<lb/>
halben Himmel zu verwandeln. Bey dem voll-<lb/>
gedruckten, und geru&#x0364;ttelten Maaß des himmli-<lb/>
&#x017F;chen Tro&#x017F;tes, das bey gewi&#x017F;&#x017F;en Fa&#x0364;llen GOtt in<lb/>
meinen Schooß und Seele aus&#x017F;chu&#x0364;ttet, &#x017F;ind die&#x017F;e<lb/>
Worte gemeiniglich das letzte, und beynahe wie<lb/>
das Siegel, welches der Gei&#x017F;t GOttes auf alle<lb/>
vorhergegangene Tro&#x0364;&#x017F;tungen dru&#x0364;cket, oder das,<lb/>
was gleich&#x017F;am bey die&#x017F;em Maaße u&#x0364;berlaufft.<lb/>
Und wenn ich gleich eine zeitlang die&#x017F;elben<lb/>
Worte ohne Bewegung an&#x017F;ehe, und &#x017F;inge,<lb/>
und &#x017F;chier auf die Gedancken kommen will,<lb/>
als ob &#x017F;ie nun die ehemalige alte Krafft zu bewe-<lb/>
gen, und das Hertze zu ru&#x0364;hren verlohren ha&#x0364;tten,<lb/>
&#x017F;o findet &#x017F;ich &#x017F;olche doch wieder, &#x017F;obald der Hei-<lb/>
lige Gei&#x017F;t, als der Gnaden-Wind GOttes, der<lb/>
da bla&#x0364;ßet, wenn er will, bey gewi&#x017F;&#x017F;en Gelegen-<lb/>
heiten wiederum zu wehen anfa&#x0364;nget. So gar<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">H 5</fw><fw place="bottom" type="catch">wun-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[121/0167] Worte: Meinen lieben GOtt ꝛc. genug beſchreiben und ausdruͤcken, was dieſer Vers im Liede, als in welchem ſich ein Chriſt des ſeligen Anſchauens GOttes in der zukuͤnfftigen Welt troͤſtet und verſichert, in meinem Leben ſo- wol zur Stunde der Anfechtung, als auch außer ſolchem Zuſtande, ſo offt ich durch Goͤttliche und geiſtliche Betrachtungen, Liebe, Freude und Hoffnung zu GOtt erwecket, und das Zeugniß des Heiligen Geiſtes in meiner Seelen gefuͤhlet, vor wunderbare, und ungemeine Krafft noch im- mer gehabt, mein Leben hier auf Erden in einen halben Himmel zu verwandeln. Bey dem voll- gedruckten, und geruͤttelten Maaß des himmli- ſchen Troſtes, das bey gewiſſen Faͤllen GOtt in meinen Schooß und Seele ausſchuͤttet, ſind dieſe Worte gemeiniglich das letzte, und beynahe wie das Siegel, welches der Geiſt GOttes auf alle vorhergegangene Troͤſtungen druͤcket, oder das, was gleichſam bey dieſem Maaße uͤberlaufft. Und wenn ich gleich eine zeitlang dieſelben Worte ohne Bewegung anſehe, und ſinge, und ſchier auf die Gedancken kommen will, als ob ſie nun die ehemalige alte Krafft zu bewe- gen, und das Hertze zu ruͤhren verlohren haͤtten, ſo findet ſich ſolche doch wieder, ſobald der Hei- lige Geiſt, als der Gnaden-Wind GOttes, der da blaͤßet, wenn er will, bey gewiſſen Gelegen- heiten wiederum zu wehen anfaͤnget. So gar wun- H 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/167
Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/167>, abgerufen am 12.10.2024.