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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

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Proceß auf ein halbes Jahr,
hören laßen, ob ich dessen, was ich geredet,
noch geständig. Nun gehörten wir Gymna-
siast
en wol nicht vor die Voigtthey; und, wenn
ich auch ein Primaner gewesen wäre, so muste
man mich doch bey dem Rector verklagen;
Allein dieses wuste ich nicht; ich war auch in
secundo Ordine in großem Ansehen, worinnen
ich schon drittehalb Jahr gesessen: Die Praece-
ptores
stellten mich den andern Schülern zum
Exempel vor: man hatte noch nichts Böses
iemals von mir gehöret: Jch hätte mich zu
Tode geschämet, wenn diese Sache, und Klät-
scherey vor die Praeceptores und Commilitones
gekommen wäre. Darum gieng und erschien
ich vor dem Stadt-Voigt, und suchte diese Af-
faire
in der Schule zu verbergen, so lange es
möglich war. Jch würde thöricht seyn, wenn
ich mich bey dieser Klätscherey lange auf halten
wolte, so viel Angst sie mir auch gemacht, daß
ich offt des Nachts nicht schlafen können. Jch
gestund alles, was ich dem Herr Magister er-
zehlet hatte; da ich aber nicht zu sagen wuste,
oder nicht sagen wolte, von wem, und wo ich es
gehöret, so kam es einst so weit, daß ich der
Klägerin ein Ehren-Versorg, zwey Thaler hei-
ligen Christ, zwey Thaler Lohn, und sechs Tha-
ler Kost-Geld geben, oder in Ermangelung des-
sen, in den Stock gehen solte. Hier muste ich

nun,

Proceß auf ein halbes Jahr,
hoͤren laßen, ob ich deſſen, was ich geredet,
noch geſtaͤndig. Nun gehoͤrten wir Gymna-
ſiaſt
en wol nicht vor die Voigtthey; und, wenn
ich auch ein Primaner geweſen waͤre, ſo muſte
man mich doch bey dem Rector verklagen;
Allein dieſes wuſte ich nicht; ich war auch in
ſecundo Ordine in großem Anſehen, worinnen
ich ſchon drittehalb Jahr geſeſſen: Die Præce-
ptores
ſtellten mich den andern Schuͤlern zum
Exempel vor: man hatte noch nichts Boͤſes
iemals von mir gehoͤret: Jch haͤtte mich zu
Tode geſchaͤmet, wenn dieſe Sache, und Klaͤt-
ſcherey vor die Præceptores und Commilitones
gekommen waͤre. Darum gieng und erſchien
ich vor dem Stadt-Voigt, und ſuchte dieſe Af-
faire
in der Schule zu verbergen, ſo lange es
moͤglich war. Jch wuͤrde thoͤricht ſeyn, wenn
ich mich bey dieſer Klaͤtſcherey lange auf halten
wolte, ſo viel Angſt ſie mir auch gemacht, daß
ich offt des Nachts nicht ſchlafen koͤnnen. Jch
geſtund alles, was ich dem Herr Magiſter er-
zehlet hatte; da ich aber nicht zu ſagen wuſte,
oder nicht ſagen wolte, von wem, und wo ich es
gehoͤret, ſo kam es einſt ſo weit, daß ich der
Klaͤgerin ein Ehren-Verſorg, zwey Thaler hei-
ligen Chriſt, zwey Thaler Lohn, und ſechs Tha-
ler Koſt-Geld geben, oder in Ermangelung deſ-
ſen, in den Stock gehen ſolte. Hier muſte ich

nun,
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[77/0123] Proceß auf ein halbes Jahr, hoͤren laßen, ob ich deſſen, was ich geredet, noch geſtaͤndig. Nun gehoͤrten wir Gymna- ſiaſten wol nicht vor die Voigtthey; und, wenn ich auch ein Primaner geweſen waͤre, ſo muſte man mich doch bey dem Rector verklagen; Allein dieſes wuſte ich nicht; ich war auch in ſecundo Ordine in großem Anſehen, worinnen ich ſchon drittehalb Jahr geſeſſen: Die Præce- ptores ſtellten mich den andern Schuͤlern zum Exempel vor: man hatte noch nichts Boͤſes iemals von mir gehoͤret: Jch haͤtte mich zu Tode geſchaͤmet, wenn dieſe Sache, und Klaͤt- ſcherey vor die Præceptores und Commilitones gekommen waͤre. Darum gieng und erſchien ich vor dem Stadt-Voigt, und ſuchte dieſe Af- faire in der Schule zu verbergen, ſo lange es moͤglich war. Jch wuͤrde thoͤricht ſeyn, wenn ich mich bey dieſer Klaͤtſcherey lange auf halten wolte, ſo viel Angſt ſie mir auch gemacht, daß ich offt des Nachts nicht ſchlafen koͤnnen. Jch geſtund alles, was ich dem Herr Magiſter er- zehlet hatte; da ich aber nicht zu ſagen wuſte, oder nicht ſagen wolte, von wem, und wo ich es gehoͤret, ſo kam es einſt ſo weit, daß ich der Klaͤgerin ein Ehren-Verſorg, zwey Thaler hei- ligen Chriſt, zwey Thaler Lohn, und ſechs Tha- ler Koſt-Geld geben, oder in Ermangelung deſ- ſen, in den Stock gehen ſolte. Hier muſte ich nun,

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Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/123>, abgerufen am 24.11.2024.