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Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871.

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Der Bannwald.
sella), der gemeine Kellerhals (Daphne Mezereum), die kugel¬
köpfige Klettendistel (Carduus personata), die wollköpfige
Kratzdistel (Cirsium eriophorum), der kriechende, schlangen¬
ähnliche Bärlapp (Lycopodium annotinum), die keck aufstreben¬
den Zirkelgruppen von Farrenkräutern, namentlich Aspidium
lonchitis
, lobatum, Cystopteris montana und Polypodium al¬
pestre
, der weiße Germer (Veratrum album), und wo es noch
luftiger und freier wird: das niedrige Gestrüpp des Zwergwach¬
holders
(Juniperus nana), das Berg-Johanniskraut (Hype¬
ricum montanum
), das Weidenröschen (Epilobium alpestre
und Gesneri) mit seinen karminglühenden Kronen, die heideartige
reizende Azalea procumbens mit ihren lederartigen Blättern und
viele andere Alpenpflanzen sich emporgekämpft und dominiren über
die Moose.

Wir verlassen aber den Bannwald noch lange nicht; wir
dringen erst recht in seine stillen, geheimnißvollen Verstecke ein.
Der Weg bergauf, durch das die Füße immer mehr umstrickende
Moos, in welches man bis in die Kniee einsinkt, wird immer be¬
schwerlicher. Bald versperrt ein entwurzelter, bleich vermodernder
Stamm das Fortkommen. Er muß überstiegen werden. Es folgen
noch ein zweiter, dritter und weiter hinauf ein ganzes Verhau,
eine förmliche Naturbarrikade. Gleich zerbrochenen Schwefelhöl¬
zern liegen die entschalten, grau-vermodernden Todtenknochen des
Waldes umher; --

In dunkler Nacht, wenn Stern' und Mond nicht glänzen,
Umquillt phosphorisch Licht den morschen Baum.
Traun ihn umwallt von seinen todten Lenzen
Ein leuchtender und schöner Grabestraum.
    (A. Grün.)

Es ist das Schlachtfeld einer Lauine, die der Frühling als
donnernden Liebesgruß seinen Kindern herabsandte. Daneben liegt
die Bahn, die sie durchfahren; die alten, bleichen, vermorschten
Stämme, die ihre Umarmung tödtete, bezeichnen den Weg, an dem
die Schleppe ihres Schneekleides hinstreifte. -- Welch ein Bild

Der Bannwald.
sella), der gemeine Kellerhals (Daphne Mezereum), die kugel¬
köpfige Klettendiſtel (Carduus personata), die wollköpfige
Kratzdiſtel (Cirsium eriophorum), der kriechende, ſchlangen¬
ähnliche Bärlapp (Lycopodium annotinum), die keck aufſtreben¬
den Zirkelgruppen von Farrenkräutern, namentlich Aspidium
lonchitis
, lobatum, Cystopteris montana und Polypodium al¬
pestre
, der weiße Germer (Veratrum album), und wo es noch
luftiger und freier wird: das niedrige Geſtrüpp des Zwergwach¬
holders
(Juniperus nana), das Berg-Johanniskraut (Hype¬
ricum montanum
), das Weidenröschen (Epilobium alpestre
und Gesneri) mit ſeinen karminglühenden Kronen, die heideartige
reizende Azalea procumbens mit ihren lederartigen Blättern und
viele andere Alpenpflanzen ſich emporgekämpft und dominiren über
die Mooſe.

Wir verlaſſen aber den Bannwald noch lange nicht; wir
dringen erſt recht in ſeine ſtillen, geheimnißvollen Verſtecke ein.
Der Weg bergauf, durch das die Füße immer mehr umſtrickende
Moos, in welches man bis in die Kniee einſinkt, wird immer be¬
ſchwerlicher. Bald verſperrt ein entwurzelter, bleich vermodernder
Stamm das Fortkommen. Er muß überſtiegen werden. Es folgen
noch ein zweiter, dritter und weiter hinauf ein ganzes Verhau,
eine förmliche Naturbarrikade. Gleich zerbrochenen Schwefelhöl¬
zern liegen die entſchalten, grau-vermodernden Todtenknochen des
Waldes umher; —

In dunkler Nacht, wenn Stern' und Mond nicht glänzen,
Umquillt phosphoriſch Licht den morſchen Baum.
Traun ihn umwallt von ſeinen todten Lenzen
Ein leuchtender und ſchöner Grabestraum.
    (A. Grün.)

Es iſt das Schlachtfeld einer Lauine, die der Frühling als
donnernden Liebesgruß ſeinen Kindern herabſandte. Daneben liegt
die Bahn, die ſie durchfahren; die alten, bleichen, vermorſchten
Stämme, die ihre Umarmung tödtete, bezeichnen den Weg, an dem
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[73/0095] Der Bannwald. sella), der gemeine Kellerhals (Daphne Mezereum), die kugel¬ köpfige Klettendiſtel (Carduus personata), die wollköpfige Kratzdiſtel (Cirsium eriophorum), der kriechende, ſchlangen¬ ähnliche Bärlapp (Lycopodium annotinum), die keck aufſtreben¬ den Zirkelgruppen von Farrenkräutern, namentlich Aspidium lonchitis, lobatum, Cystopteris montana und Polypodium al¬ pestre, der weiße Germer (Veratrum album), und wo es noch luftiger und freier wird: das niedrige Geſtrüpp des Zwergwach¬ holders (Juniperus nana), das Berg-Johanniskraut (Hype¬ ricum montanum), das Weidenröschen (Epilobium alpestre und Gesneri) mit ſeinen karminglühenden Kronen, die heideartige reizende Azalea procumbens mit ihren lederartigen Blättern und viele andere Alpenpflanzen ſich emporgekämpft und dominiren über die Mooſe. Wir verlaſſen aber den Bannwald noch lange nicht; wir dringen erſt recht in ſeine ſtillen, geheimnißvollen Verſtecke ein. Der Weg bergauf, durch das die Füße immer mehr umſtrickende Moos, in welches man bis in die Kniee einſinkt, wird immer be¬ ſchwerlicher. Bald verſperrt ein entwurzelter, bleich vermodernder Stamm das Fortkommen. Er muß überſtiegen werden. Es folgen noch ein zweiter, dritter und weiter hinauf ein ganzes Verhau, eine förmliche Naturbarrikade. Gleich zerbrochenen Schwefelhöl¬ zern liegen die entſchalten, grau-vermodernden Todtenknochen des Waldes umher; — In dunkler Nacht, wenn Stern' und Mond nicht glänzen, Umquillt phosphoriſch Licht den morſchen Baum. Traun ihn umwallt von ſeinen todten Lenzen Ein leuchtender und ſchöner Grabestraum. (A. Grün.) Es iſt das Schlachtfeld einer Lauine, die der Frühling als donnernden Liebesgruß ſeinen Kindern herabſandte. Daneben liegt die Bahn, die ſie durchfahren; die alten, bleichen, vermorſchten Stämme, die ihre Umarmung tödtete, bezeichnen den Weg, an dem die Schleppe ihres Schneekleides hinſtreifte. — Welch ein Bild

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Zitationshilfe: Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berlepsch_alpen_1861/95>, abgerufen am 22.11.2024.