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Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871.

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Alpstubete oder Aelplerfest.
suchen sich nur defensiv zu verhalten, jeder nur seinen Fall zu
verhüten und dadurch den Sieg des Gegners unmöglich zu ma¬
chen. Dann weichen beide in der Regel von der gewöhnlichen
Schwingart ab. So wie die beiden, Gymnasten sich ordnungs¬
mäßig gefaßt haben, lassen sie sich, der eine genau die Stellung
des anderen abmessend, aufs rechte Knie nieder und entfernen
sich mit dem ganzen Unterkörper, so weit es Griff und Muskel¬
anspannung erlauben, von einander. Fürchtet der Eine auf diese
Art von seinem Gegner mit übermächtiger Gewalt dennoch gelüpft
zu werden, so legt er sich platt auf den Bauch, worin ihm dann
auch der Mitkämpfer folgen muß. In solch unnatürlicher Stel¬
lung martern Beide einander oft eine halbe Stunde lang, winden
sich am Boden wie kriechende Schlangen, und spannen Sehnen und
Muskeln so übermäßig an, daß von dem furchtbaren Kraftauf¬
wande das Antlitz braunroth erscheint. Vermag nun Keiner durch
Ausdauer, Kraftübermaß oder List den Gegner zu bewältigen, so
stehen sie endlich freiwillig, aber zum Tode erschöpft, vom Kampf¬
platz auf, bekennen einander mit traulichem Handschlag gegen¬
seitig ihre Männerstärke, und keine Partei kann sich des Tages¬
sieges rühmen. -- Sie ist wild, ja fast barbarisch, diese Kund¬
gebung der physischen Kraft; aber sie legt Zeugniß ab für ein
männliches, kampfbereites Volk, für ein Geschlecht, das nicht ver¬
weichlicht ist und noch Muth und Ausdauer genug besitzt, für
seine Ehre, seine Freiheit und sein Vaterland mit äußerster Ent¬
schlossenheit zu kämpfen.

Der originellste Lupf, so weit überhaupt diese Kraftprobe
volksthümlich exerzirt wird, findet im Refektorium des Kapuziner¬
klosters zu Appenzell im Beisein der Mönche statt. Im Herbst
nämlich bringen an einem bestimmten Tage junge kräftige Bursche
von nah und fern Natural-Lieferungen an Wein, Früchten, Holz
u. s. w. dem Kloster freiwillig dar. Für diese Geschenke nun
lassen die Mönche den Lieferanten eine feste Mahlzeit verabfolgen,

Alpſtubete oder Aelplerfeſt.
ſuchen ſich nur defenſiv zu verhalten, jeder nur ſeinen Fall zu
verhüten und dadurch den Sieg des Gegners unmöglich zu ma¬
chen. Dann weichen beide in der Regel von der gewöhnlichen
Schwingart ab. So wie die beiden, Gymnaſten ſich ordnungs¬
mäßig gefaßt haben, laſſen ſie ſich, der eine genau die Stellung
des anderen abmeſſend, aufs rechte Knie nieder und entfernen
ſich mit dem ganzen Unterkörper, ſo weit es Griff und Muskel¬
anſpannung erlauben, von einander. Fürchtet der Eine auf dieſe
Art von ſeinem Gegner mit übermächtiger Gewalt dennoch gelüpft
zu werden, ſo legt er ſich platt auf den Bauch, worin ihm dann
auch der Mitkämpfer folgen muß. In ſolch unnatürlicher Stel¬
lung martern Beide einander oft eine halbe Stunde lang, winden
ſich am Boden wie kriechende Schlangen, und ſpannen Sehnen und
Muskeln ſo übermäßig an, daß von dem furchtbaren Kraftauf¬
wande das Antlitz braunroth erſcheint. Vermag nun Keiner durch
Ausdauer, Kraftübermaß oder Liſt den Gegner zu bewältigen, ſo
ſtehen ſie endlich freiwillig, aber zum Tode erſchöpft, vom Kampf¬
platz auf, bekennen einander mit traulichem Handſchlag gegen¬
ſeitig ihre Männerſtärke, und keine Partei kann ſich des Tages¬
ſieges rühmen. — Sie iſt wild, ja faſt barbariſch, dieſe Kund¬
gebung der phyſiſchen Kraft; aber ſie legt Zeugniß ab für ein
männliches, kampfbereites Volk, für ein Geſchlecht, das nicht ver¬
weichlicht iſt und noch Muth und Ausdauer genug beſitzt, für
ſeine Ehre, ſeine Freiheit und ſein Vaterland mit äußerſter Ent¬
ſchloſſenheit zu kämpfen.

Der originellſte Lupf, ſo weit überhaupt dieſe Kraftprobe
volksthümlich exerzirt wird, findet im Refektorium des Kapuziner¬
kloſters zu Appenzell im Beiſein der Mönche ſtatt. Im Herbſt
nämlich bringen an einem beſtimmten Tage junge kräftige Burſche
von nah und fern Natural-Lieferungen an Wein, Früchten, Holz
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[395/0439] Alpſtubete oder Aelplerfeſt. ſuchen ſich nur defenſiv zu verhalten, jeder nur ſeinen Fall zu verhüten und dadurch den Sieg des Gegners unmöglich zu ma¬ chen. Dann weichen beide in der Regel von der gewöhnlichen Schwingart ab. So wie die beiden, Gymnaſten ſich ordnungs¬ mäßig gefaßt haben, laſſen ſie ſich, der eine genau die Stellung des anderen abmeſſend, aufs rechte Knie nieder und entfernen ſich mit dem ganzen Unterkörper, ſo weit es Griff und Muskel¬ anſpannung erlauben, von einander. Fürchtet der Eine auf dieſe Art von ſeinem Gegner mit übermächtiger Gewalt dennoch gelüpft zu werden, ſo legt er ſich platt auf den Bauch, worin ihm dann auch der Mitkämpfer folgen muß. In ſolch unnatürlicher Stel¬ lung martern Beide einander oft eine halbe Stunde lang, winden ſich am Boden wie kriechende Schlangen, und ſpannen Sehnen und Muskeln ſo übermäßig an, daß von dem furchtbaren Kraftauf¬ wande das Antlitz braunroth erſcheint. Vermag nun Keiner durch Ausdauer, Kraftübermaß oder Liſt den Gegner zu bewältigen, ſo ſtehen ſie endlich freiwillig, aber zum Tode erſchöpft, vom Kampf¬ platz auf, bekennen einander mit traulichem Handſchlag gegen¬ ſeitig ihre Männerſtärke, und keine Partei kann ſich des Tages¬ ſieges rühmen. — Sie iſt wild, ja faſt barbariſch, dieſe Kund¬ gebung der phyſiſchen Kraft; aber ſie legt Zeugniß ab für ein männliches, kampfbereites Volk, für ein Geſchlecht, das nicht ver¬ weichlicht iſt und noch Muth und Ausdauer genug beſitzt, für ſeine Ehre, ſeine Freiheit und ſein Vaterland mit äußerſter Ent¬ ſchloſſenheit zu kämpfen. Der originellſte Lupf, ſo weit überhaupt dieſe Kraftprobe volksthümlich exerzirt wird, findet im Refektorium des Kapuziner¬ kloſters zu Appenzell im Beiſein der Mönche ſtatt. Im Herbſt nämlich bringen an einem beſtimmten Tage junge kräftige Burſche von nah und fern Natural-Lieferungen an Wein, Früchten, Holz u. ſ. w. dem Kloſter freiwillig dar. Für dieſe Geſchenke nun laſſen die Mönche den Lieferanten eine feſte Mahlzeit verabfolgen,

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Zitationshilfe: Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871, S. 395. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berlepsch_alpen_1861/439>, abgerufen am 22.11.2024.