Die Bezeichnung wurde aber auch ganz besonders auf jene Zu¬ sammenkünfte junger Leute angewendet, welche zu Spiel, Gesang und Tanz sich in der größten oder am Bequemsten gelegenen Stube eines Nachbarn zusammenfanden, und diese improvisirten Gesell¬ schaften bestehen überall in den Alpen und im Schwarzwalde noch. Sie sind nun keinesweges immer so harmlosen, idyllischen Charak¬ ters, diese eigentlichen Stubenzusammenkünfte, wie man behaupten will, sondern sie sind vielseitig Ursache immer größerer Entsitt¬ lichung des Volkes.
Anders verhält sichs mit unseren Alpfesten, auf welche man, da es gleichfalls Besuche und Vergnügungs-Anlässe, wie die drunten im Dorfe, sind, auch den gleichen Namen übertrug. Der Tag ihrer Feier steht ebenso fest wie der eines Kalender-Heiligen, und hängt, wie schon bemerkt wurde, in den katholischen Gebirgsgegen¬ den meist mit der Feier eines Patronatsfestes zusammen. Alles Bergvolk, das während des Sommers sich mehr vereinsamt fühlt als zu jeder anderen Jahreszeit, weil die Hälfte droben in den Alpen, die andere Hälfte drunten im Thale lebt, strömt nun mit Ungeduld dem allgemeinen Sammelplatze zu, hört Predigt und Messe herkömmlich an, und wenn dieser althergebrachten Sitte Genüge gethan ist, dann werden alle geistigen und geistlichen Ge¬ danken für diesen Tag quittirt, -- die kommenden Stunden ge¬ hören nur der ausgelassensten Freude. Alles Volk prangt im Sonntagsstaat, in hellen, leuchtenden Farben. Dazwischen man¬ gelts nicht, daß auch ein Senn im Ehrenkleid der Stall-Arbeit, wenn nicht zum Schmuck, doch zur malerischen Ergänzung der Gruppen, sich zwischen den Festgenossen bewegt. Unter lautem Jubelruf und johlenden Zauren und "Löcklen", daß die Berg¬ wände es gellend wiederhallen und die Lüfte von klingender Freude erfüllt sind, springt nun jeder Sennbub mit dem Mädchen seiner Neigung zu den umliegenden Sennhütten. Hier ist schon Alles auf den Besuch vorbereitet; Krapfen und Küchli, Birnenweggen
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AlpſtubeteoderAelpſerfeſt.
Die Bezeichnung wurde aber auch ganz beſonders auf jene Zu¬ ſammenkünfte junger Leute angewendet, welche zu Spiel, Geſang und Tanz ſich in der größten oder am Bequemſten gelegenen Stube eines Nachbarn zuſammenfanden, und dieſe improviſirten Geſell¬ ſchaften beſtehen überall in den Alpen und im Schwarzwalde noch. Sie ſind nun keinesweges immer ſo harmloſen, idylliſchen Charak¬ ters, dieſe eigentlichen Stubenzuſammenkünfte, wie man behaupten will, ſondern ſie ſind vielſeitig Urſache immer größerer Entſitt¬ lichung des Volkes.
Anders verhält ſichs mit unſeren Alpfeſten, auf welche man, da es gleichfalls Beſuche und Vergnügungs-Anläſſe, wie die drunten im Dorfe, ſind, auch den gleichen Namen übertrug. Der Tag ihrer Feier ſteht ebenſo feſt wie der eines Kalender-Heiligen, und hängt, wie ſchon bemerkt wurde, in den katholiſchen Gebirgsgegen¬ den meiſt mit der Feier eines Patronatsfeſtes zuſammen. Alles Bergvolk, das während des Sommers ſich mehr vereinſamt fühlt als zu jeder anderen Jahreszeit, weil die Hälfte droben in den Alpen, die andere Hälfte drunten im Thale lebt, ſtrömt nun mit Ungeduld dem allgemeinen Sammelplatze zu, hört Predigt und Meſſe herkömmlich an, und wenn dieſer althergebrachten Sitte Genüge gethan iſt, dann werden alle geiſtigen und geiſtlichen Ge¬ danken für dieſen Tag quittirt, — die kommenden Stunden ge¬ hören nur der ausgelaſſenſten Freude. Alles Volk prangt im Sonntagsſtaat, in hellen, leuchtenden Farben. Dazwiſchen man¬ gelts nicht, daß auch ein Senn im Ehrenkleid der Stall-Arbeit, wenn nicht zum Schmuck, doch zur maleriſchen Ergänzung der Gruppen, ſich zwiſchen den Feſtgenoſſen bewegt. Unter lautem Jubelruf und johlenden Zauren und „Löcklen“, daß die Berg¬ wände es gellend wiederhallen und die Lüfte von klingender Freude erfüllt ſind, ſpringt nun jeder Sennbub mit dem Mädchen ſeiner Neigung zu den umliegenden Sennhütten. Hier iſt ſchon Alles auf den Beſuch vorbereitet; Krapfen und Küchli, Birnenweggen
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Alpſtubete oder Aelpſerfeſt.
Die Bezeichnung wurde aber auch ganz beſonders auf jene Zu¬
ſammenkünfte junger Leute angewendet, welche zu Spiel, Geſang
und Tanz ſich in der größten oder am Bequemſten gelegenen Stube
eines Nachbarn zuſammenfanden, und dieſe improviſirten Geſell¬
ſchaften beſtehen überall in den Alpen und im Schwarzwalde noch.
Sie ſind nun keinesweges immer ſo harmloſen, idylliſchen Charak¬
ters, dieſe eigentlichen Stubenzuſammenkünfte, wie man behaupten
will, ſondern ſie ſind vielſeitig Urſache immer größerer Entſitt¬
lichung des Volkes.
Anders verhält ſichs mit unſeren Alpfeſten, auf welche man,
da es gleichfalls Beſuche und Vergnügungs-Anläſſe, wie die drunten
im Dorfe, ſind, auch den gleichen Namen übertrug. Der Tag
ihrer Feier ſteht ebenſo feſt wie der eines Kalender-Heiligen, und
hängt, wie ſchon bemerkt wurde, in den katholiſchen Gebirgsgegen¬
den meiſt mit der Feier eines Patronatsfeſtes zuſammen. Alles
Bergvolk, das während des Sommers ſich mehr vereinſamt fühlt
als zu jeder anderen Jahreszeit, weil die Hälfte droben in den
Alpen, die andere Hälfte drunten im Thale lebt, ſtrömt nun mit
Ungeduld dem allgemeinen Sammelplatze zu, hört Predigt und
Meſſe herkömmlich an, und wenn dieſer althergebrachten Sitte
Genüge gethan iſt, dann werden alle geiſtigen und geiſtlichen Ge¬
danken für dieſen Tag quittirt, — die kommenden Stunden ge¬
hören nur der ausgelaſſenſten Freude. Alles Volk prangt im
Sonntagsſtaat, in hellen, leuchtenden Farben. Dazwiſchen man¬
gelts nicht, daß auch ein Senn im Ehrenkleid der Stall-Arbeit,
wenn nicht zum Schmuck, doch zur maleriſchen Ergänzung der
Gruppen, ſich zwiſchen den Feſtgenoſſen bewegt. Unter lautem
Jubelruf und johlenden Zauren und „Löcklen“, daß die Berg¬
wände es gellend wiederhallen und die Lüfte von klingender Freude
erfüllt ſind, ſpringt nun jeder Sennbub mit dem Mädchen ſeiner
Neigung zu den umliegenden Sennhütten. Hier iſt ſchon Alles
auf den Beſuch vorbereitet; Krapfen und Küchli, Birnenweggen
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Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871, S. 387. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berlepsch_alpen_1861/431>, abgerufen am 16.07.2024.
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