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Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871.

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Das Alphorn.
der vergeistigende Aushauch einer schönen Seele; -- und wieder
umgekehrt giebt es dann auch solche, die fast mit Scheu, mit mäd¬
chenhaft-verschämtem Zögern beim Erstenmal antworten, dann Muth
fassen, sich aufraffen und laut und bestimmt hervortreten, sofort
aber wieder erschreckend zusammenfahren, verwirrt durcheinander¬
murmelnd unverständlich werden und fast bedeutungslos auslau¬
fen. Genug, ebenso mannigfaltig wie der plastische Bau der Alpen
und ihrer Felsenstirnen und die verschiedene Entfernung der Berge
ist, welche die Resonanzflächen abgeben, ebenso variirend sind die
akustischen Resultate in ihrer mehr oder minder raschen Aufeinan¬
derfolge und in der Fülle und Kraft ihres Tones. Wenige Schritte
rechts oder links, auf- oder abwärts des vorher eingenommenen
Standpunktes, verändern oft auffallend den Gegenschall-Effekt.
Könnte man die Schwingungswellen, welche den Ton durch die
Lüfte tragen, sehen und fixiren, es würden neue wunderbare
Räthsel sich darbieten, welche zu lösen einen Aufwand von Unter¬
suchungen veranlassen müßte. So aber müssen wir uns einfach
mit den gegebenen, unentschleierten Resultaten begnügen, die so
zauberhaft-schöne Wirkungen hervorbringen. Nun aber sind die
steigende und fallende Tonstärke und die so abweichenden Intervallen
innerhalb jeder Echo-Repetition nicht die einzigen Probleme, die
dem lauschenden und denkenden Hörer sich aufdrängen, -- es zeigen
sich noch ganz andere Geheimnisse aus dem Gebiete der Tonerzeu¬
gung. Die Weise wird hinübergetragen an die Schallwand und
kommt das Erstemal in gleicher Tonhöhe zurück, rein, scharf, markirt,
wie das Original; das zweite Echo ist jedoch schon um fast einen
Viertelton gesunken, hat die rhythmische Lebendigkeit verloren, klingt
matt, etwas langsamer, schier hinsterbend. Welcher Umstand, wel¬
ches unbekannte Luft-Medium, welches Resonanz-Geheimniß trans¬
ponirt die Reproduktion des ersten so reinen, markigen Echos? Wir
haben das Echo unterhalb des Faulhornes beobachtet, wohl zwanzig¬
mal wiederholen lassen und immer dasselbe Sinken des Tones bei

Das Alphorn.
der vergeiſtigende Aushauch einer ſchönen Seele; — und wieder
umgekehrt giebt es dann auch ſolche, die faſt mit Scheu, mit mäd¬
chenhaft-verſchämtem Zögern beim Erſtenmal antworten, dann Muth
faſſen, ſich aufraffen und laut und beſtimmt hervortreten, ſofort
aber wieder erſchreckend zuſammenfahren, verwirrt durcheinander¬
murmelnd unverſtändlich werden und faſt bedeutungslos auslau¬
fen. Genug, ebenſo mannigfaltig wie der plaſtiſche Bau der Alpen
und ihrer Felſenſtirnen und die verſchiedene Entfernung der Berge
iſt, welche die Reſonanzflächen abgeben, ebenſo variirend ſind die
akuſtiſchen Reſultate in ihrer mehr oder minder raſchen Aufeinan¬
derfolge und in der Fülle und Kraft ihres Tones. Wenige Schritte
rechts oder links, auf- oder abwärts des vorher eingenommenen
Standpunktes, verändern oft auffallend den Gegenſchall-Effekt.
Könnte man die Schwingungswellen, welche den Ton durch die
Lüfte tragen, ſehen und fixiren, es würden neue wunderbare
Räthſel ſich darbieten, welche zu löſen einen Aufwand von Unter¬
ſuchungen veranlaſſen müßte. So aber müſſen wir uns einfach
mit den gegebenen, unentſchleierten Reſultaten begnügen, die ſo
zauberhaft-ſchöne Wirkungen hervorbringen. Nun aber ſind die
ſteigende und fallende Tonſtärke und die ſo abweichenden Intervallen
innerhalb jeder Echo-Repetition nicht die einzigen Probleme, die
dem lauſchenden und denkenden Hörer ſich aufdrängen, — es zeigen
ſich noch ganz andere Geheimniſſe aus dem Gebiete der Tonerzeu¬
gung. Die Weiſe wird hinübergetragen an die Schallwand und
kommt das Erſtemal in gleicher Tonhöhe zurück, rein, ſcharf, markirt,
wie das Original; das zweite Echo iſt jedoch ſchon um faſt einen
Viertelton geſunken, hat die rhythmiſche Lebendigkeit verloren, klingt
matt, etwas langſamer, ſchier hinſterbend. Welcher Umſtand, wel¬
ches unbekannte Luft-Medium, welches Reſonanz-Geheimniß trans¬
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[357/0395] Das Alphorn. der vergeiſtigende Aushauch einer ſchönen Seele; — und wieder umgekehrt giebt es dann auch ſolche, die faſt mit Scheu, mit mäd¬ chenhaft-verſchämtem Zögern beim Erſtenmal antworten, dann Muth faſſen, ſich aufraffen und laut und beſtimmt hervortreten, ſofort aber wieder erſchreckend zuſammenfahren, verwirrt durcheinander¬ murmelnd unverſtändlich werden und faſt bedeutungslos auslau¬ fen. Genug, ebenſo mannigfaltig wie der plaſtiſche Bau der Alpen und ihrer Felſenſtirnen und die verſchiedene Entfernung der Berge iſt, welche die Reſonanzflächen abgeben, ebenſo variirend ſind die akuſtiſchen Reſultate in ihrer mehr oder minder raſchen Aufeinan¬ derfolge und in der Fülle und Kraft ihres Tones. Wenige Schritte rechts oder links, auf- oder abwärts des vorher eingenommenen Standpunktes, verändern oft auffallend den Gegenſchall-Effekt. Könnte man die Schwingungswellen, welche den Ton durch die Lüfte tragen, ſehen und fixiren, es würden neue wunderbare Räthſel ſich darbieten, welche zu löſen einen Aufwand von Unter¬ ſuchungen veranlaſſen müßte. So aber müſſen wir uns einfach mit den gegebenen, unentſchleierten Reſultaten begnügen, die ſo zauberhaft-ſchöne Wirkungen hervorbringen. Nun aber ſind die ſteigende und fallende Tonſtärke und die ſo abweichenden Intervallen innerhalb jeder Echo-Repetition nicht die einzigen Probleme, die dem lauſchenden und denkenden Hörer ſich aufdrängen, — es zeigen ſich noch ganz andere Geheimniſſe aus dem Gebiete der Tonerzeu¬ gung. Die Weiſe wird hinübergetragen an die Schallwand und kommt das Erſtemal in gleicher Tonhöhe zurück, rein, ſcharf, markirt, wie das Original; das zweite Echo iſt jedoch ſchon um faſt einen Viertelton geſunken, hat die rhythmiſche Lebendigkeit verloren, klingt matt, etwas langſamer, ſchier hinſterbend. Welcher Umſtand, wel¬ ches unbekannte Luft-Medium, welches Reſonanz-Geheimniß trans¬ ponirt die Reproduktion des erſten ſo reinen, markigen Echos? Wir haben das Echo unterhalb des Faulhornes beobachtet, wohl zwanzig¬ mal wiederholen laſſen und immer daſſelbe Sinken des Tones bei

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Zitationshilfe: Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871, S. 357. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berlepsch_alpen_1861/395>, abgerufen am 17.05.2024.