Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871.Sennenleben in den Alpen. mantklar sich ablöste. O! sie hatte eine herrliche, harmlose Jugendverlebt, und just am Schutzengelfeste wars, wo sie der Sepp von ihren Eltern zum Weibe begehrte. Jetzt ist er todt, schon zwanzig Jahre lang; der heil. Michael war ihm kein Schutzengel gewesen, denn just unterm Wildkirchli war er beim Laubsammeln gestürzt und todt gefallen. Nun sitzt's Mareieli drunten allein, alt, gebrech¬ lich und arm. Des Glöckleins Klang läutet ihr Erinnerung: Freude und Gram zugleich ins lebensmüde Herz. Wir kehren zur Alp zurück! -- Vorhin wurde des Kuhreihens Sennenleben in den Alpen. mantklar ſich ablöſte. O! ſie hatte eine herrliche, harmloſe Jugendverlebt, und juſt am Schutzengelfeſte wars, wo ſie der Sepp von ihren Eltern zum Weibe begehrte. Jetzt iſt er todt, ſchon zwanzig Jahre lang; der heil. Michael war ihm kein Schutzengel geweſen, denn juſt unterm Wildkirchli war er beim Laubſammeln geſtürzt und todt gefallen. Nun ſitzt's Mareieli drunten allein, alt, gebrech¬ lich und arm. Des Glöckleins Klang läutet ihr Erinnerung: Freude und Gram zugleich ins lebensmüde Herz. Wir kehren zur Alp zurück! — Vorhin wurde des Kuhreihens <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0386" n="348"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#fr #g">Sennenleben in den Alpen.</hi><lb/></fw>mantklar ſich ablöſte. O! ſie hatte eine herrliche, harmloſe Jugend<lb/> verlebt, und juſt am Schutzengelfeſte wars, wo ſie der Sepp von<lb/> ihren Eltern zum Weibe begehrte. Jetzt iſt er todt, ſchon zwanzig<lb/> Jahre lang; der heil. Michael war ihm kein Schutzengel geweſen,<lb/> denn juſt unterm Wildkirchli war er beim Laubſammeln geſtürzt<lb/> und todt gefallen. Nun ſitzt's Mareieli drunten allein, alt, gebrech¬<lb/> lich und arm. Des Glöckleins Klang läutet ihr Erinnerung: Freude<lb/> und Gram zugleich ins lebensmüde Herz.</p><lb/> <p>Wir kehren zur Alp zurück! — Vorhin wurde des Kuhreihens<lb/> gedacht. Dieſer weltberühmt gewordene Hirtengeſang, der in Frank¬<lb/> reich einſt bei Todesſtrafe verboten wurde, weil bei ſeinen Klängen<lb/> die Soldaten der Schweizerregimenter vom Heimweh befallen,<lb/> maſſenweiſe deſertirten und den Bergen zueilten, — der wirkliche<lb/> ächte „Chüereiha“ iſt faſt gänzlich verſchwunden; vollſtändig hört<lb/> man ihn ſelten mehr. Er iſt, wie ſchon geſagt, das Eintreibelied,<lb/> welches der Kuhhirt unter der Stallthür ſingt und durch dieſe,<lb/> dem Vieh bekannten Töne daſſelbe herbeilockt. Um ſie folgſamer<lb/> zu machen, giebt er ihnen aus dem „Läcktäſchli“ ein wenig Salz.<lb/> Der Text zum Appenzeller Kuhreihen lautet! „Wönd—d—er iha<lb/> Loba? (Wollt ihr herein Kühe?) Allſamma mit Nama, di alta,<lb/> di junga, allſamma Loba, Loba, Lo — — — ba. Chönd (Kommet)<lb/> allſamma, allſamma, Loba, Loba. Wenn i—em Vech ha pfeffa<lb/> (wenn ich dem Vieh habe gepfiffen), ha pfeffa, ha pfeffa, ſo chönd<lb/> allſamma zuha ſchlicha, — ſchlicha, wol zuha da zuha. Trib iha<lb/> allſamma, wohl zuha, bas zuha. Höpſch ſönds ond frei, holdſälig<lb/> dazue. Loba, Lo — — ba. Wääs wohl, wenn — ers Singa<lb/> vergod: wenn e Wiega i — dr Stoba ſtod, wenn de Ma mit<lb/> Füſta dre ſchlod ond der Loſt (Wind) zue ala Löchera inablost.<lb/> Lo — — ba, Loba, Loba, Lo — — ba. Trib iha, iha alſamma,<lb/> n'alſamma: die Hinked, die Stinked; die B'bletzed, die Gſchegget;<lb/> die Gflecket, die Bläſſet; die Schwanzert, die Tanzert; Glinzeri,<lb/> Blinzeri; d' Lehneri, d' Fehneri; d' Schmalzeri, d' Hasleri, d' Moſeri;<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [348/0386]
Sennenleben in den Alpen.
mantklar ſich ablöſte. O! ſie hatte eine herrliche, harmloſe Jugend
verlebt, und juſt am Schutzengelfeſte wars, wo ſie der Sepp von
ihren Eltern zum Weibe begehrte. Jetzt iſt er todt, ſchon zwanzig
Jahre lang; der heil. Michael war ihm kein Schutzengel geweſen,
denn juſt unterm Wildkirchli war er beim Laubſammeln geſtürzt
und todt gefallen. Nun ſitzt's Mareieli drunten allein, alt, gebrech¬
lich und arm. Des Glöckleins Klang läutet ihr Erinnerung: Freude
und Gram zugleich ins lebensmüde Herz.
Wir kehren zur Alp zurück! — Vorhin wurde des Kuhreihens
gedacht. Dieſer weltberühmt gewordene Hirtengeſang, der in Frank¬
reich einſt bei Todesſtrafe verboten wurde, weil bei ſeinen Klängen
die Soldaten der Schweizerregimenter vom Heimweh befallen,
maſſenweiſe deſertirten und den Bergen zueilten, — der wirkliche
ächte „Chüereiha“ iſt faſt gänzlich verſchwunden; vollſtändig hört
man ihn ſelten mehr. Er iſt, wie ſchon geſagt, das Eintreibelied,
welches der Kuhhirt unter der Stallthür ſingt und durch dieſe,
dem Vieh bekannten Töne daſſelbe herbeilockt. Um ſie folgſamer
zu machen, giebt er ihnen aus dem „Läcktäſchli“ ein wenig Salz.
Der Text zum Appenzeller Kuhreihen lautet! „Wönd—d—er iha
Loba? (Wollt ihr herein Kühe?) Allſamma mit Nama, di alta,
di junga, allſamma Loba, Loba, Lo — — — ba. Chönd (Kommet)
allſamma, allſamma, Loba, Loba. Wenn i—em Vech ha pfeffa
(wenn ich dem Vieh habe gepfiffen), ha pfeffa, ha pfeffa, ſo chönd
allſamma zuha ſchlicha, — ſchlicha, wol zuha da zuha. Trib iha
allſamma, wohl zuha, bas zuha. Höpſch ſönds ond frei, holdſälig
dazue. Loba, Lo — — ba. Wääs wohl, wenn — ers Singa
vergod: wenn e Wiega i — dr Stoba ſtod, wenn de Ma mit
Füſta dre ſchlod ond der Loſt (Wind) zue ala Löchera inablost.
Lo — — ba, Loba, Loba, Lo — — ba. Trib iha, iha alſamma,
n'alſamma: die Hinked, die Stinked; die B'bletzed, die Gſchegget;
die Gflecket, die Bläſſet; die Schwanzert, die Tanzert; Glinzeri,
Blinzeri; d' Lehneri, d' Fehneri; d' Schmalzeri, d' Hasleri, d' Moſeri;
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |