mantklar sich ablöste. O! sie hatte eine herrliche, harmlose Jugend verlebt, und just am Schutzengelfeste wars, wo sie der Sepp von ihren Eltern zum Weibe begehrte. Jetzt ist er todt, schon zwanzig Jahre lang; der heil. Michael war ihm kein Schutzengel gewesen, denn just unterm Wildkirchli war er beim Laubsammeln gestürzt und todt gefallen. Nun sitzt's Mareieli drunten allein, alt, gebrech¬ lich und arm. Des Glöckleins Klang läutet ihr Erinnerung: Freude und Gram zugleich ins lebensmüde Herz.
Wir kehren zur Alp zurück! -- Vorhin wurde des Kuhreihens gedacht. Dieser weltberühmt gewordene Hirtengesang, der in Frank¬ reich einst bei Todesstrafe verboten wurde, weil bei seinen Klängen die Soldaten der Schweizerregimenter vom Heimweh befallen, massenweise desertirten und den Bergen zueilten, -- der wirkliche ächte "Chüereiha" ist fast gänzlich verschwunden; vollständig hört man ihn selten mehr. Er ist, wie schon gesagt, das Eintreibelied, welches der Kuhhirt unter der Stallthür singt und durch diese, dem Vieh bekannten Töne dasselbe herbeilockt. Um sie folgsamer zu machen, giebt er ihnen aus dem "Läcktäschli" ein wenig Salz. Der Text zum Appenzeller Kuhreihen lautet! "Wönd--d--er iha Loba? (Wollt ihr herein Kühe?) Allsamma mit Nama, di alta, di junga, allsamma Loba, Loba, Lo -- -- -- ba. Chönd (Kommet) allsamma, allsamma, Loba, Loba. Wenn i--em Vech ha pfeffa (wenn ich dem Vieh habe gepfiffen), ha pfeffa, ha pfeffa, so chönd allsamma zuha schlicha, -- schlicha, wol zuha da zuha. Trib iha allsamma, wohl zuha, bas zuha. Höpsch sönds ond frei, holdsälig dazue. Loba, Lo -- -- ba. Wääs wohl, wenn -- ers Singa vergod: wenn e Wiega i -- dr Stoba stod, wenn de Ma mit Füsta dre schlod ond der Lost (Wind) zue ala Löchera inablost. Lo -- -- ba, Loba, Loba, Lo -- -- ba. Trib iha, iha alsamma, n'alsamma: die Hinked, die Stinked; die B'bletzed, die Gschegget; die Gflecket, die Blässet; die Schwanzert, die Tanzert; Glinzeri, Blinzeri; d' Lehneri, d' Fehneri; d' Schmalzeri, d' Hasleri, d' Moseri;
Sennenleben in den Alpen.
mantklar ſich ablöſte. O! ſie hatte eine herrliche, harmloſe Jugend verlebt, und juſt am Schutzengelfeſte wars, wo ſie der Sepp von ihren Eltern zum Weibe begehrte. Jetzt iſt er todt, ſchon zwanzig Jahre lang; der heil. Michael war ihm kein Schutzengel geweſen, denn juſt unterm Wildkirchli war er beim Laubſammeln geſtürzt und todt gefallen. Nun ſitzt's Mareieli drunten allein, alt, gebrech¬ lich und arm. Des Glöckleins Klang läutet ihr Erinnerung: Freude und Gram zugleich ins lebensmüde Herz.
Wir kehren zur Alp zurück! — Vorhin wurde des Kuhreihens gedacht. Dieſer weltberühmt gewordene Hirtengeſang, der in Frank¬ reich einſt bei Todesſtrafe verboten wurde, weil bei ſeinen Klängen die Soldaten der Schweizerregimenter vom Heimweh befallen, maſſenweiſe deſertirten und den Bergen zueilten, — der wirkliche ächte „Chüereiha“ iſt faſt gänzlich verſchwunden; vollſtändig hört man ihn ſelten mehr. Er iſt, wie ſchon geſagt, das Eintreibelied, welches der Kuhhirt unter der Stallthür ſingt und durch dieſe, dem Vieh bekannten Töne daſſelbe herbeilockt. Um ſie folgſamer zu machen, giebt er ihnen aus dem „Läcktäſchli“ ein wenig Salz. Der Text zum Appenzeller Kuhreihen lautet! „Wönd—d—er iha Loba? (Wollt ihr herein Kühe?) Allſamma mit Nama, di alta, di junga, allſamma Loba, Loba, Lo — — — ba. Chönd (Kommet) allſamma, allſamma, Loba, Loba. Wenn i—em Vech ha pfeffa (wenn ich dem Vieh habe gepfiffen), ha pfeffa, ha pfeffa, ſo chönd allſamma zuha ſchlicha, — ſchlicha, wol zuha da zuha. Trib iha allſamma, wohl zuha, bas zuha. Höpſch ſönds ond frei, holdſälig dazue. Loba, Lo — — ba. Wääs wohl, wenn — ers Singa vergod: wenn e Wiega i — dr Stoba ſtod, wenn de Ma mit Füſta dre ſchlod ond der Loſt (Wind) zue ala Löchera inablost. Lo — — ba, Loba, Loba, Lo — — ba. Trib iha, iha alſamma, n'alſamma: die Hinked, die Stinked; die B'bletzed, die Gſchegget; die Gflecket, die Bläſſet; die Schwanzert, die Tanzert; Glinzeri, Blinzeri; d' Lehneri, d' Fehneri; d' Schmalzeri, d' Hasleri, d' Moſeri;
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Sennenleben in den Alpen.
mantklar ſich ablöſte. O! ſie hatte eine herrliche, harmloſe Jugend
verlebt, und juſt am Schutzengelfeſte wars, wo ſie der Sepp von
ihren Eltern zum Weibe begehrte. Jetzt iſt er todt, ſchon zwanzig
Jahre lang; der heil. Michael war ihm kein Schutzengel geweſen,
denn juſt unterm Wildkirchli war er beim Laubſammeln geſtürzt
und todt gefallen. Nun ſitzt's Mareieli drunten allein, alt, gebrech¬
lich und arm. Des Glöckleins Klang läutet ihr Erinnerung: Freude
und Gram zugleich ins lebensmüde Herz.
Wir kehren zur Alp zurück! — Vorhin wurde des Kuhreihens
gedacht. Dieſer weltberühmt gewordene Hirtengeſang, der in Frank¬
reich einſt bei Todesſtrafe verboten wurde, weil bei ſeinen Klängen
die Soldaten der Schweizerregimenter vom Heimweh befallen,
maſſenweiſe deſertirten und den Bergen zueilten, — der wirkliche
ächte „Chüereiha“ iſt faſt gänzlich verſchwunden; vollſtändig hört
man ihn ſelten mehr. Er iſt, wie ſchon geſagt, das Eintreibelied,
welches der Kuhhirt unter der Stallthür ſingt und durch dieſe,
dem Vieh bekannten Töne daſſelbe herbeilockt. Um ſie folgſamer
zu machen, giebt er ihnen aus dem „Läcktäſchli“ ein wenig Salz.
Der Text zum Appenzeller Kuhreihen lautet! „Wönd—d—er iha
Loba? (Wollt ihr herein Kühe?) Allſamma mit Nama, di alta,
di junga, allſamma Loba, Loba, Lo — — — ba. Chönd (Kommet)
allſamma, allſamma, Loba, Loba. Wenn i—em Vech ha pfeffa
(wenn ich dem Vieh habe gepfiffen), ha pfeffa, ha pfeffa, ſo chönd
allſamma zuha ſchlicha, — ſchlicha, wol zuha da zuha. Trib iha
allſamma, wohl zuha, bas zuha. Höpſch ſönds ond frei, holdſälig
dazue. Loba, Lo — — ba. Wääs wohl, wenn — ers Singa
vergod: wenn e Wiega i — dr Stoba ſtod, wenn de Ma mit
Füſta dre ſchlod ond der Loſt (Wind) zue ala Löchera inablost.
Lo — — ba, Loba, Loba, Lo — — ba. Trib iha, iha alſamma,
n'alſamma: die Hinked, die Stinked; die B'bletzed, die Gſchegget;
die Gflecket, die Bläſſet; die Schwanzert, die Tanzert; Glinzeri,
Blinzeri; d' Lehneri, d' Fehneri; d' Schmalzeri, d' Hasleri, d' Moſeri;
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Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871, S. 348. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berlepsch_alpen_1861/386>, abgerufen am 16.07.2024.
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