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Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871.

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Die Hospitien.
halb zwölf Uhr seien die Knechte durch das Bellen des Hundes
aufgeweckt worden, und als sie hinaus in den Gang getreten, sei
ihnen die helle Flamme entgegengeloht. Das Feuer sei unverkenn¬
bar durch Unvorsichtigkeit des Gastes entstanden und dieser ver¬
brannt. Die Brunst habe so unendlich rasch überhand genommen,
daß alle Rettungsversuche vergeblich gewesen seien. Das für
20000 Francs assekurirte Mobiliar sei verbrannt. Trotz des sehr
hohen Schnees begab sich eine Untersuchungskommission zur Grimsel
hinauf, und bald stellte es sich heraus, daß fast das ganze fahrende
Hab und Gut versteckt, also gerettet war. Zybach wurde schwan¬
kend in seinen Antworten, wollte dann die Ansprüche auf Ent¬
schädigung fallen lassen, war sogar so unklug, dem Untersuchungs-
Beamteten Bestechungs-Anträge zu machen, wenn er schweige, --
und als dieser unerschütterlich in ehrenhafter Handhabung seiner
Pflicht blieb, stürzte sich der unglückselige Brandstifter in den,
hinterm Hospiz befindlichen Grimselsee, um durch Selbstmord
der Schande einer harten Kriminalstrafe zu entgehen. Allein Zy¬
bach wurde gerettet und ins Gefängniß sammt seinen Knechten ab¬
geführt. Hier ergab die Untersuchung, daß auf Zybachs Veran¬
lassung und unter Versprechen einer Belohnung von 750 Francs,
die Knechte sich bereit erklärt und, nachdem sie die Effekten in
Sicherheit gebracht, das Gebäude selbst angezündet hatten.

Zybach, ohnedies bei der Bevölkerung der Thalschaft nicht sehr
beliebt, weil er rasch zum wohlhabenden und diese seine Wohl¬
habenheit accentuirenden Mann sich emporgeschwungen hatte, wurde
nun nicht nur im ganzen Haslithal ohne Weiteres verdammt, son¬
dern der Zorn des Volkes fand namentlich dadurch noch neue
Nahrung zu unversöhnlichem Haß, als durch die Einäscherung des
Grimsel-Hospizes den Leuten die Möglichkeit genommen war, im
Frühjahr bei Zeiten in Geschäften des Käsehandels nach Italien,
die Grimsel passiren zu können. Denn von Guttannen, dem letzten
Dorfe des Haslithales, ists 41/2 Stunden bis zum Hospiz, und von

Die Hospitien.
halb zwölf Uhr ſeien die Knechte durch das Bellen des Hundes
aufgeweckt worden, und als ſie hinaus in den Gang getreten, ſei
ihnen die helle Flamme entgegengeloht. Das Feuer ſei unverkenn¬
bar durch Unvorſichtigkeit des Gaſtes entſtanden und dieſer ver¬
brannt. Die Brunſt habe ſo unendlich raſch überhand genommen,
daß alle Rettungsverſuche vergeblich geweſen ſeien. Das für
20000 Francs aſſekurirte Mobiliar ſei verbrannt. Trotz des ſehr
hohen Schnees begab ſich eine Unterſuchungskommiſſion zur Grimſel
hinauf, und bald ſtellte es ſich heraus, daß faſt das ganze fahrende
Hab und Gut verſteckt, alſo gerettet war. Zybach wurde ſchwan¬
kend in ſeinen Antworten, wollte dann die Anſprüche auf Ent¬
ſchädigung fallen laſſen, war ſogar ſo unklug, dem Unterſuchungs-
Beamteten Beſtechungs-Anträge zu machen, wenn er ſchweige, —
und als dieſer unerſchütterlich in ehrenhafter Handhabung ſeiner
Pflicht blieb, ſtürzte ſich der unglückſelige Brandſtifter in den,
hinterm Hoſpiz befindlichen Grimſelſee, um durch Selbſtmord
der Schande einer harten Kriminalſtrafe zu entgehen. Allein Zy¬
bach wurde gerettet und ins Gefängniß ſammt ſeinen Knechten ab¬
geführt. Hier ergab die Unterſuchung, daß auf Zybachs Veran¬
laſſung und unter Verſprechen einer Belohnung von 750 Francs,
die Knechte ſich bereit erklärt und, nachdem ſie die Effekten in
Sicherheit gebracht, das Gebäude ſelbſt angezündet hatten.

Zybach, ohnedies bei der Bevölkerung der Thalſchaft nicht ſehr
beliebt, weil er raſch zum wohlhabenden und dieſe ſeine Wohl¬
habenheit accentuirenden Mann ſich emporgeſchwungen hatte, wurde
nun nicht nur im ganzen Haslithal ohne Weiteres verdammt, ſon¬
dern der Zorn des Volkes fand namentlich dadurch noch neue
Nahrung zu unverſöhnlichem Haß, als durch die Einäſcherung des
Grimſel-Hoſpizes den Leuten die Möglichkeit genommen war, im
Frühjahr bei Zeiten in Geſchäften des Käſehandels nach Italien,
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[328/0364] Die Hospitien. halb zwölf Uhr ſeien die Knechte durch das Bellen des Hundes aufgeweckt worden, und als ſie hinaus in den Gang getreten, ſei ihnen die helle Flamme entgegengeloht. Das Feuer ſei unverkenn¬ bar durch Unvorſichtigkeit des Gaſtes entſtanden und dieſer ver¬ brannt. Die Brunſt habe ſo unendlich raſch überhand genommen, daß alle Rettungsverſuche vergeblich geweſen ſeien. Das für 20000 Francs aſſekurirte Mobiliar ſei verbrannt. Trotz des ſehr hohen Schnees begab ſich eine Unterſuchungskommiſſion zur Grimſel hinauf, und bald ſtellte es ſich heraus, daß faſt das ganze fahrende Hab und Gut verſteckt, alſo gerettet war. Zybach wurde ſchwan¬ kend in ſeinen Antworten, wollte dann die Anſprüche auf Ent¬ ſchädigung fallen laſſen, war ſogar ſo unklug, dem Unterſuchungs- Beamteten Beſtechungs-Anträge zu machen, wenn er ſchweige, — und als dieſer unerſchütterlich in ehrenhafter Handhabung ſeiner Pflicht blieb, ſtürzte ſich der unglückſelige Brandſtifter in den, hinterm Hoſpiz befindlichen Grimſelſee, um durch Selbſtmord der Schande einer harten Kriminalſtrafe zu entgehen. Allein Zy¬ bach wurde gerettet und ins Gefängniß ſammt ſeinen Knechten ab¬ geführt. Hier ergab die Unterſuchung, daß auf Zybachs Veran¬ laſſung und unter Verſprechen einer Belohnung von 750 Francs, die Knechte ſich bereit erklärt und, nachdem ſie die Effekten in Sicherheit gebracht, das Gebäude ſelbſt angezündet hatten. Zybach, ohnedies bei der Bevölkerung der Thalſchaft nicht ſehr beliebt, weil er raſch zum wohlhabenden und dieſe ſeine Wohl¬ habenheit accentuirenden Mann ſich emporgeſchwungen hatte, wurde nun nicht nur im ganzen Haslithal ohne Weiteres verdammt, ſon¬ dern der Zorn des Volkes fand namentlich dadurch noch neue Nahrung zu unverſöhnlichem Haß, als durch die Einäſcherung des Grimſel-Hoſpizes den Leuten die Möglichkeit genommen war, im Frühjahr bei Zeiten in Geſchäften des Käſehandels nach Italien, die Grimſel paſſiren zu können. Denn von Guttannen, dem letzten Dorfe des Haslithales, iſts 4½ Stunden bis zum Hoſpiz, und von

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Zitationshilfe: Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871, S. 328. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berlepsch_alpen_1861/364>, abgerufen am 18.05.2024.