Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871.Gebirgs - Pässe und Alpen-Straßen. zeichnung "Paß"; es war der passus (Schritt), welchen die Römerauf ihren Eroberungszügen über die Alpen thaten. Als die Welt¬ herrschaft derselben gen Norden sich auszudehnen begann, da über¬ schritten der römische Consul Julius Cassius im Kampfe wider die Cimbern und Teutonen, -- und nach seiner Niederlage, Marius mit den römischen Legionen den Mont Cenis oder Mont Genevre (der Cottischen Alpen); Julius Cäsar drang über den Mons Penninus (Großer St. Bernhard) gegen die Salassier vor, und nach der Grün¬ dung der Colonia Praetoria Augusta kurz vor Christi Geburt, wurde zu Kaiser Augustus Zeiten dieser Paß ein viel begangener Weg. -- Ueppigkeit, Zwietracht und Laster der entnervten Römer führte den Sturz ihres Weltreiches herbei, und jetzt drangen die früher von ihnen bekriegten nordischen Schaaren, namentlich Sueven und Vandalen, Burgundionen und Alemannen, über diese Pässe nach Italien ein. Nur Werken des Streites, der Eroberung, Zerstörung und feindseliger Absichten dienten bis dahin die wüsten, beschwerlich zu passirenden Bergpfade. Mit dem Verrinnen der, alle damaligen Zustände erschütternden, Alles umgestaltenden Völkerwanderungen fanden die sittlich-hebenden und veredelnden Segnungen des Christen¬ thums auch in den Alpen Eingang, und hier begegnen wir auf den einsamen Höhen des Lukmanier-Passes dem Friedensboten und Glaubensapostel Columban und seinen Schülern. Dieser Berg- Uebergang wurde nun die gebräuchlichste Straße der fränkischen und carolingischen Fürsten; Pipins Heer zog über dieselbe dem Papst Stephan III. zu Hilfe, Karl der Große holte sich auf diesem Alpen¬ wege die Kaiserkrone, und die Lehrer, welche dieser erhabene Herr¬ scher aus dem Süden kommen ließ, um Bildung, Künste und Wissenschaften bei seinen Völkern einzuführen, mögen über die Felsenrücken des Lukmanier gewandert sein. Neben ihm bestand der Splügen, die alte Lombarden-Straße, als einer der bedeutendsten Heereswege des Mittelalters; schon zu Kaiser Antonins Zeiten war er eine bekannte Römer-Passage. Gebirgs - Päſſe und Alpen-Straßen. zeichnung „Paß“; es war der passus (Schritt), welchen die Römerauf ihren Eroberungszügen über die Alpen thaten. Als die Welt¬ herrſchaft derſelben gen Norden ſich auszudehnen begann, da über¬ ſchritten der römiſche Conſul Julius Caſſius im Kampfe wider die Cimbern und Teutonen, — und nach ſeiner Niederlage, Marius mit den römiſchen Legionen den Mont Cenis oder Mont Genèvre (der Cottiſchen Alpen); Julius Cäſar drang über den Mons Penninus (Großer St. Bernhard) gegen die Salaſſier vor, und nach der Grün¬ dung der Colonia Praetoria Augusta kurz vor Chriſti Geburt, wurde zu Kaiſer Auguſtus Zeiten dieſer Paß ein viel begangener Weg. — Ueppigkeit, Zwietracht und Laſter der entnervten Römer führte den Sturz ihres Weltreiches herbei, und jetzt drangen die früher von ihnen bekriegten nordiſchen Schaaren, namentlich Sueven und Vandalen, Burgundionen und Alemannen, über dieſe Päſſe nach Italien ein. Nur Werken des Streites, der Eroberung, Zerſtörung und feindſeliger Abſichten dienten bis dahin die wüſten, beſchwerlich zu paſſirenden Bergpfade. Mit dem Verrinnen der, alle damaligen Zuſtände erſchütternden, Alles umgeſtaltenden Völkerwanderungen fanden die ſittlich-hebenden und veredelnden Segnungen des Chriſten¬ thums auch in den Alpen Eingang, und hier begegnen wir auf den einſamen Höhen des Lukmanier-Paſſes dem Friedensboten und Glaubensapoſtel Columban und ſeinen Schülern. Dieſer Berg- Uebergang wurde nun die gebräuchlichſte Straße der fränkiſchen und carolingiſchen Fürſten; Pipins Heer zog über dieſelbe dem Papſt Stephan III. zu Hilfe, Karl der Große holte ſich auf dieſem Alpen¬ wege die Kaiſerkrone, und die Lehrer, welche dieſer erhabene Herr¬ ſcher aus dem Süden kommen ließ, um Bildung, Künſte und Wiſſenſchaften bei ſeinen Völkern einzuführen, mögen über die Felſenrücken des Lukmanier gewandert ſein. Neben ihm beſtand der Splügen, die alte Lombarden-Straße, als einer der bedeutendſten Heereswege des Mittelalters; ſchon zu Kaiſer Antonins Zeiten war er eine bekannte Römer-Paſſage. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0324" n="288"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#fr #g">Gebirgs</hi><hi rendition="#fr">-</hi><hi rendition="#fr #g">Päſſe und Alpen-Straßen</hi>.<lb/></fw>zeichnung „Paß“; es war der <hi rendition="#aq">passus</hi> (Schritt), welchen die Römer<lb/> auf ihren Eroberungszügen über die Alpen thaten. Als die Welt¬<lb/> herrſchaft derſelben gen Norden ſich auszudehnen begann, da über¬<lb/> ſchritten der römiſche Conſul Julius Caſſius im Kampfe wider die<lb/> Cimbern und Teutonen, — und nach ſeiner Niederlage, Marius<lb/> mit den römiſchen Legionen den <hi rendition="#aq">Mont Cenis</hi> oder <hi rendition="#aq">Mont Genèvre</hi><lb/> (der Cottiſchen Alpen); Julius Cäſar drang über den <hi rendition="#aq">Mons Penninus</hi><lb/> (Großer St. Bernhard) gegen die Salaſſier vor, und nach der Grün¬<lb/> dung der <hi rendition="#aq">Colonia Praetoria Augusta</hi> kurz vor Chriſti Geburt, wurde<lb/> zu Kaiſer Auguſtus Zeiten dieſer Paß ein viel begangener Weg. —<lb/> Ueppigkeit, Zwietracht und Laſter der entnervten Römer führte den<lb/> Sturz ihres Weltreiches herbei, und jetzt drangen die früher von<lb/> ihnen bekriegten nordiſchen Schaaren, namentlich Sueven und<lb/> Vandalen, Burgundionen und Alemannen, über dieſe Päſſe nach<lb/> Italien ein. Nur Werken des Streites, der Eroberung, Zerſtörung<lb/> und feindſeliger Abſichten dienten bis dahin die wüſten, beſchwerlich<lb/> zu paſſirenden Bergpfade. Mit dem Verrinnen der, alle damaligen<lb/> Zuſtände erſchütternden, Alles umgeſtaltenden Völkerwanderungen<lb/> fanden die ſittlich-hebenden und veredelnden Segnungen des Chriſten¬<lb/> thums auch in den Alpen Eingang, und hier begegnen wir auf<lb/> den einſamen Höhen des Lukmanier-Paſſes dem Friedensboten und<lb/> Glaubensapoſtel Columban und ſeinen Schülern. Dieſer Berg-<lb/> Uebergang wurde nun die gebräuchlichſte Straße der fränkiſchen und<lb/> carolingiſchen Fürſten; Pipins Heer zog über dieſelbe dem Papſt<lb/> Stephan <hi rendition="#aq">III</hi>. zu Hilfe, Karl der Große holte ſich auf dieſem Alpen¬<lb/> wege die Kaiſerkrone, und die Lehrer, welche dieſer erhabene Herr¬<lb/> ſcher aus dem Süden kommen ließ, um Bildung, Künſte und<lb/> Wiſſenſchaften bei ſeinen Völkern einzuführen, mögen über die<lb/> Felſenrücken des Lukmanier gewandert ſein. Neben ihm beſtand<lb/> der Splügen, die alte Lombarden-Straße, als einer der bedeutendſten<lb/> Heereswege des Mittelalters; ſchon zu Kaiſer Antonins Zeiten war<lb/> er eine bekannte Römer-Paſſage.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [288/0324]
Gebirgs - Päſſe und Alpen-Straßen.
zeichnung „Paß“; es war der passus (Schritt), welchen die Römer
auf ihren Eroberungszügen über die Alpen thaten. Als die Welt¬
herrſchaft derſelben gen Norden ſich auszudehnen begann, da über¬
ſchritten der römiſche Conſul Julius Caſſius im Kampfe wider die
Cimbern und Teutonen, — und nach ſeiner Niederlage, Marius
mit den römiſchen Legionen den Mont Cenis oder Mont Genèvre
(der Cottiſchen Alpen); Julius Cäſar drang über den Mons Penninus
(Großer St. Bernhard) gegen die Salaſſier vor, und nach der Grün¬
dung der Colonia Praetoria Augusta kurz vor Chriſti Geburt, wurde
zu Kaiſer Auguſtus Zeiten dieſer Paß ein viel begangener Weg. —
Ueppigkeit, Zwietracht und Laſter der entnervten Römer führte den
Sturz ihres Weltreiches herbei, und jetzt drangen die früher von
ihnen bekriegten nordiſchen Schaaren, namentlich Sueven und
Vandalen, Burgundionen und Alemannen, über dieſe Päſſe nach
Italien ein. Nur Werken des Streites, der Eroberung, Zerſtörung
und feindſeliger Abſichten dienten bis dahin die wüſten, beſchwerlich
zu paſſirenden Bergpfade. Mit dem Verrinnen der, alle damaligen
Zuſtände erſchütternden, Alles umgeſtaltenden Völkerwanderungen
fanden die ſittlich-hebenden und veredelnden Segnungen des Chriſten¬
thums auch in den Alpen Eingang, und hier begegnen wir auf
den einſamen Höhen des Lukmanier-Paſſes dem Friedensboten und
Glaubensapoſtel Columban und ſeinen Schülern. Dieſer Berg-
Uebergang wurde nun die gebräuchlichſte Straße der fränkiſchen und
carolingiſchen Fürſten; Pipins Heer zog über dieſelbe dem Papſt
Stephan III. zu Hilfe, Karl der Große holte ſich auf dieſem Alpen¬
wege die Kaiſerkrone, und die Lehrer, welche dieſer erhabene Herr¬
ſcher aus dem Süden kommen ließ, um Bildung, Künſte und
Wiſſenſchaften bei ſeinen Völkern einzuführen, mögen über die
Felſenrücken des Lukmanier gewandert ſein. Neben ihm beſtand
der Splügen, die alte Lombarden-Straße, als einer der bedeutendſten
Heereswege des Mittelalters; ſchon zu Kaiſer Antonins Zeiten war
er eine bekannte Römer-Paſſage.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |