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Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871.

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Das Alpengebäude.
aufgelöst, wehenden Schleiern gleich herniederwallen wie der Oltschi¬
bach, Staubbach und alle die anderen des Lauterbrunner-Thales.
Das Volksleben entfaltet sich nicht mehr in reichen Dörfergruppen
weit zerstreut über Halde und Höhe, -- hinunter ins Thalbett, an
die Ufer der Ströme, da wo Weg und Steg Kommunikation bie¬
ten und die Wohnung geschützt ist gegen klimatische Unbilden, hat
es sich geflüchtet, und nur im Sommer wandern die Bewohner
mit ihrem Vieh nomadisch auf die Hochweiden der Alpen. Die
Gebirge-aufrichtenden, Alpen-gestaltenden Kräfte haben hier gewal¬
tig und energisch gewirkt; man sieht es, daß man den centralen
Erhebungskratern sich nähert. Wie ein Ringgebirge mit schroffem,
innerem Absturz den centralen vulkanischen Herd umgiebt, so kehrt
die erste, zuweilen auch eine zweite, dritte Kalkkette dem Granit¬
gebirge steile, oft hoch in die Schneeregion aufsteigende Felsen¬
wände zu. Stets fallen die Schichten der Kalkalpen nach Außen
zu, ein Beweis, wie diese Decke gewaltsam bei der Bildung der
Alpen von den aus der Erdtiefe aufgestiegenen Granitmassen zer¬
sprengt und in schiefe Richtung gebracht wurde.

Als diese Gebirge noch nicht in ihren heutigen wilden, kühnen
Formen dastanden, als die Kalkfelsen nur flache, zerstreut aus dem
vorweltlichen Meere hervorragende Eilande bildeten, da muß eine
Riesenvegetation auf denselben gewuchert haben, und gräuliche
Ungeheuer belebten die Tiefen.

Im Grund begraben wird hier, -- dort gefunden
Vergangner Pflanzen steingewordne Spur;
Gebein von Thierart, die vorlängst entschwunden,
Die abgelegten Kleider der Natur.
Und wollt ihr dann in staunenden Gedanken
Die Gliedermassen euch zusammenfügen,
Sinds Riesen, überragend alle Schranken,
Ihr schaut Urwelt in großen Schreckenszügen.
    (Lenau.)
Es ist die einstige Heimath der Ichthyosaurier und Plesiosauren,
jener 50 Fuß langen, zwitterhaften, Ungethüme, halb Krokodil,
halb Fisch; es ist die Fundstätte der riesigen Petrefakten, die wir

Das Alpengebäude.
aufgelöſt, wehenden Schleiern gleich herniederwallen wie der Oltſchi¬
bach, Staubbach und alle die anderen des Lauterbrunner-Thales.
Das Volksleben entfaltet ſich nicht mehr in reichen Dörfergruppen
weit zerſtreut über Halde und Höhe, — hinunter ins Thalbett, an
die Ufer der Ströme, da wo Weg und Steg Kommunikation bie¬
ten und die Wohnung geſchützt iſt gegen klimatiſche Unbilden, hat
es ſich geflüchtet, und nur im Sommer wandern die Bewohner
mit ihrem Vieh nomadiſch auf die Hochweiden der Alpen. Die
Gebirge-aufrichtenden, Alpen-geſtaltenden Kräfte haben hier gewal¬
tig und energiſch gewirkt; man ſieht es, daß man den centralen
Erhebungskratern ſich nähert. Wie ein Ringgebirge mit ſchroffem,
innerem Abſturz den centralen vulkaniſchen Herd umgiebt, ſo kehrt
die erſte, zuweilen auch eine zweite, dritte Kalkkette dem Granit¬
gebirge ſteile, oft hoch in die Schneeregion aufſteigende Felſen¬
wände zu. Stets fallen die Schichten der Kalkalpen nach Außen
zu, ein Beweis, wie dieſe Decke gewaltſam bei der Bildung der
Alpen von den aus der Erdtiefe aufgeſtiegenen Granitmaſſen zer¬
ſprengt und in ſchiefe Richtung gebracht wurde.

Als dieſe Gebirge noch nicht in ihren heutigen wilden, kühnen
Formen daſtanden, als die Kalkfelſen nur flache, zerſtreut aus dem
vorweltlichen Meere hervorragende Eilande bildeten, da muß eine
Rieſenvegetation auf denſelben gewuchert haben, und gräuliche
Ungeheuer belebten die Tiefen.

Im Grund begraben wird hier, — dort gefunden
Vergangner Pflanzen ſteingewordne Spur;
Gebein von Thierart, die vorlängſt entſchwunden,
Die abgelegten Kleider der Natur.
Und wollt ihr dann in ſtaunenden Gedanken
Die Gliedermaſſen euch zuſammenfügen,
Sinds Rieſen, überragend alle Schranken,
Ihr ſchaut Urwelt in großen Schreckenszügen.
    (Lenau.)
Es iſt die einſtige Heimath der Ichthyoſaurier und Pleſioſauren,
jener 50 Fuß langen, zwitterhaften, Ungethüme, halb Krokodil,
halb Fiſch; es iſt die Fundſtätte der rieſigen Petrefakten, die wir

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[12/0030] Das Alpengebäude. aufgelöſt, wehenden Schleiern gleich herniederwallen wie der Oltſchi¬ bach, Staubbach und alle die anderen des Lauterbrunner-Thales. Das Volksleben entfaltet ſich nicht mehr in reichen Dörfergruppen weit zerſtreut über Halde und Höhe, — hinunter ins Thalbett, an die Ufer der Ströme, da wo Weg und Steg Kommunikation bie¬ ten und die Wohnung geſchützt iſt gegen klimatiſche Unbilden, hat es ſich geflüchtet, und nur im Sommer wandern die Bewohner mit ihrem Vieh nomadiſch auf die Hochweiden der Alpen. Die Gebirge-aufrichtenden, Alpen-geſtaltenden Kräfte haben hier gewal¬ tig und energiſch gewirkt; man ſieht es, daß man den centralen Erhebungskratern ſich nähert. Wie ein Ringgebirge mit ſchroffem, innerem Abſturz den centralen vulkaniſchen Herd umgiebt, ſo kehrt die erſte, zuweilen auch eine zweite, dritte Kalkkette dem Granit¬ gebirge ſteile, oft hoch in die Schneeregion aufſteigende Felſen¬ wände zu. Stets fallen die Schichten der Kalkalpen nach Außen zu, ein Beweis, wie dieſe Decke gewaltſam bei der Bildung der Alpen von den aus der Erdtiefe aufgeſtiegenen Granitmaſſen zer¬ ſprengt und in ſchiefe Richtung gebracht wurde. Als dieſe Gebirge noch nicht in ihren heutigen wilden, kühnen Formen daſtanden, als die Kalkfelſen nur flache, zerſtreut aus dem vorweltlichen Meere hervorragende Eilande bildeten, da muß eine Rieſenvegetation auf denſelben gewuchert haben, und gräuliche Ungeheuer belebten die Tiefen. Im Grund begraben wird hier, — dort gefunden Vergangner Pflanzen ſteingewordne Spur; Gebein von Thierart, die vorlängſt entſchwunden, Die abgelegten Kleider der Natur. Und wollt ihr dann in ſtaunenden Gedanken Die Gliedermaſſen euch zuſammenfügen, Sinds Rieſen, überragend alle Schranken, Ihr ſchaut Urwelt in großen Schreckenszügen. (Lenau.) Es iſt die einſtige Heimath der Ichthyoſaurier und Pleſioſauren, jener 50 Fuß langen, zwitterhaften, Ungethüme, halb Krokodil, halb Fiſch; es iſt die Fundſtätte der rieſigen Petrefakten, die wir

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Zitationshilfe: Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berlepsch_alpen_1861/30>, abgerufen am 28.11.2024.