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Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871.

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Alpenspitzen.
de Saussure auf dem Col de Geant in einer Höhe von ca. 10000
Fuß, -- Hugi beim Versuche der Jungfrau-Ersteigung im Roth¬
thal, ferner auf dem Unteraargletscher, auf dem Loetschen-Gletscher
und am Fuße des Finsteraarhornes (1829) errichten. Die Form
u. Konstruktion derselben ist vorsündfluthlich-einfach. Gewöhnlich
werden auf den, am Boden gezeichneten Linien eines länglichen
Quadrates aus übereinander gelegten Glimmer- und Gneis-Scher¬
ben vier Seitenwände, einige Fuß hoch errichtet und die Fugen
mit Rasenschollen (wenn und wo es deren nämlich noch giebt)
oder vom Gestein abgelösten Mooslappen ausgestopft. Ein an
der Frontseite ausgespartes Loch dient als Portal des Gebäudes.
Ueber diesen naiven Pferch werden dann in angemessenen Inter¬
vallen die 5 bis 6 Fuß langen Alpenstöcke horizontal als Dach¬
gebälk gelegt, und eine lange, darüber ausgebreitete, durch be¬
schwerende Steine festgehaltene, wollene Decke vollendet den Bau.

Europäische Berühmtheit erlangte die, für die Professoren
Agassiz, Carl Vogt, E. Dessor, Nicolet, H. Coulon und F. Pour¬
tales, beim Abschwung auf dem Aargletscher (5 Stunden vom
Grimselhospiz) 1840 erbaute, später restaurirte Cabane, welche diese
Naturforscher in ihrem köstlichen Humor "Hotel des Neuchatelois"
tauften, mehrere Sommer hindurch wochenlang bewohnten und
vielfache Besuche von Reisenden daselbst empfingen. Auch die Pro¬
fessoren Forbes von Edinburg und Heath von Cambridge verweil¬
ten 1841 etwa 3 Wochen in derselben. Desor entwirft launige
Bilder von diesem Aufenthalte. Zu unterst war der Eisboden des
Gletschers mit Schieferplatten ausgelegt, über denen eine dicke Lage
von dürrem Wildheu und eine gegen Feuchtigkeit schützende große
Wachsleinwand-Plane sich ausbreiteten. Das war die gemeinschaft¬
liche Matratze des Schlafkabinets für die 6 Naturforscher. Sau¬
bere Betttücher und wollene Decken ergänzten das Arrangement,
wodurch dasselbe ein bäurisch-wohlbäbiges Ansehen bekam. Vor
dem Schlafzimmer waren Küche und Speisezimmer etablirt, eben¬

Alpenſpitzen.
de Sauſſure auf dem Col de Geant in einer Höhe von ca. 10000
Fuß, — Hugi beim Verſuche der Jungfrau-Erſteigung im Roth¬
thal, ferner auf dem Unteraargletſcher, auf dem Loetſchen-Gletſcher
und am Fuße des Finſteraarhornes (1829) errichten. Die Form
u. Konſtruktion derſelben iſt vorſündfluthlich-einfach. Gewöhnlich
werden auf den, am Boden gezeichneten Linien eines länglichen
Quadrates aus übereinander gelegten Glimmer- und Gneis-Scher¬
ben vier Seitenwände, einige Fuß hoch errichtet und die Fugen
mit Raſenſchollen (wenn und wo es deren nämlich noch giebt)
oder vom Geſtein abgelöſten Mooslappen ausgeſtopft. Ein an
der Frontſeite ausgeſpartes Loch dient als Portal des Gebäudes.
Ueber dieſen naiven Pferch werden dann in angemeſſenen Inter¬
vallen die 5 bis 6 Fuß langen Alpenſtöcke horizontal als Dach¬
gebälk gelegt, und eine lange, darüber ausgebreitete, durch be¬
ſchwerende Steine feſtgehaltene, wollene Decke vollendet den Bau.

Europäiſche Berühmtheit erlangte die, für die Profeſſoren
Agaſſiz, Carl Vogt, E. Deſſor, Nicolet, H. Coulon und F. Pour¬
talès, beim Abſchwung auf dem Aargletſcher (5 Stunden vom
Grimſelhospiz) 1840 erbaute, ſpäter reſtaurirte Cabane, welche dieſe
Naturforſcher in ihrem köſtlichen Humor „Hôtel des Neuchâtelois“
tauften, mehrere Sommer hindurch wochenlang bewohnten und
vielfache Beſuche von Reiſenden daſelbſt empfingen. Auch die Pro¬
feſſoren Forbes von Edinburg und Heath von Cambridge verweil¬
ten 1841 etwa 3 Wochen in derſelben. Deſor entwirft launige
Bilder von dieſem Aufenthalte. Zu unterſt war der Eisboden des
Gletſchers mit Schieferplatten ausgelegt, über denen eine dicke Lage
von dürrem Wildheu und eine gegen Feuchtigkeit ſchützende große
Wachsleinwand-Plane ſich ausbreiteten. Das war die gemeinſchaft¬
liche Matratze des Schlafkabinets für die 6 Naturforſcher. Sau¬
bere Betttücher und wollene Decken ergänzten das Arrangement,
wodurch daſſelbe ein bäuriſch-wohlbäbiges Anſehen bekam. Vor
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[253/0287] Alpenſpitzen. de Sauſſure auf dem Col de Geant in einer Höhe von ca. 10000 Fuß, — Hugi beim Verſuche der Jungfrau-Erſteigung im Roth¬ thal, ferner auf dem Unteraargletſcher, auf dem Loetſchen-Gletſcher und am Fuße des Finſteraarhornes (1829) errichten. Die Form u. Konſtruktion derſelben iſt vorſündfluthlich-einfach. Gewöhnlich werden auf den, am Boden gezeichneten Linien eines länglichen Quadrates aus übereinander gelegten Glimmer- und Gneis-Scher¬ ben vier Seitenwände, einige Fuß hoch errichtet und die Fugen mit Raſenſchollen (wenn und wo es deren nämlich noch giebt) oder vom Geſtein abgelöſten Mooslappen ausgeſtopft. Ein an der Frontſeite ausgeſpartes Loch dient als Portal des Gebäudes. Ueber dieſen naiven Pferch werden dann in angemeſſenen Inter¬ vallen die 5 bis 6 Fuß langen Alpenſtöcke horizontal als Dach¬ gebälk gelegt, und eine lange, darüber ausgebreitete, durch be¬ ſchwerende Steine feſtgehaltene, wollene Decke vollendet den Bau. Europäiſche Berühmtheit erlangte die, für die Profeſſoren Agaſſiz, Carl Vogt, E. Deſſor, Nicolet, H. Coulon und F. Pour¬ talès, beim Abſchwung auf dem Aargletſcher (5 Stunden vom Grimſelhospiz) 1840 erbaute, ſpäter reſtaurirte Cabane, welche dieſe Naturforſcher in ihrem köſtlichen Humor „Hôtel des Neuchâtelois“ tauften, mehrere Sommer hindurch wochenlang bewohnten und vielfache Beſuche von Reiſenden daſelbſt empfingen. Auch die Pro¬ feſſoren Forbes von Edinburg und Heath von Cambridge verweil¬ ten 1841 etwa 3 Wochen in derſelben. Deſor entwirft launige Bilder von dieſem Aufenthalte. Zu unterſt war der Eisboden des Gletſchers mit Schieferplatten ausgelegt, über denen eine dicke Lage von dürrem Wildheu und eine gegen Feuchtigkeit ſchützende große Wachsleinwand-Plane ſich ausbreiteten. Das war die gemeinſchaft¬ liche Matratze des Schlafkabinets für die 6 Naturforſcher. Sau¬ bere Betttücher und wollene Decken ergänzten das Arrangement, wodurch daſſelbe ein bäuriſch-wohlbäbiges Anſehen bekam. Vor dem Schlafzimmer waren Küche und Speiſezimmer etablirt, eben¬

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Zitationshilfe: Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berlepsch_alpen_1861/287>, abgerufen am 26.09.2024.