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Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871.

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Der Gletscher.

In auffallendem Gegensatze zu diesen, über das Gletscher-
Niveau emporgehobenen, großen Felstrümmern und der früher er¬
wähnten, gleichsam ausstoßenden Kraft der Gletscher, steht das
Einsinken kleinerer Gegenstände in das Eis. Wir finden dürre,
vom Winde heraufgewehte Laubblätter, todte Schmetterlinge und
Käfer oder kleine Steine auf dem Gletscher, die 1 bis 11/2 Zoll
tief in das Eis eingesunken sind. Daß dieselben nicht eingebacken
in den Firn aus den Höhen heruntergebracht und hier erst wieder
an die Oberfläche befördert wurden, beweisen die scharfen Konturen
des nach oben offenen Loches, welche ganz genau den Umrissen
des fraglichen Gegenstandes entsprechen. So sehr nun diese Thatsache
den anderen Erscheinungen widerspricht, so erklärlich ist dieselbe. Be¬
kanntlich nehmen Körper je nach ihrer mehr oder minder dunklen
Färbung ein größeres oder kleineres Wärme-Quantum auf; schwarze
Körper am Meisten. Es ist also begreiflich, daß die Insolation
oder Sonnenstrahlung auf solche dunkle Gegenstände drastischer ein¬
wirkt als auf das weiße, die Sonnenstrahlen zurückstoßende Eis
und diese Körper in Folge größerer Menge aufgenommener Wärme,
diese gegen das unter- und um-liegende Eis ausstrahlen, also
dadurch Abschmelzung verursachen. Ebendeshalb, weil die Gegen¬
stände klein sind, werden sie ganz von der Sonnenwärme durch¬
drungen; große Felsenplatten wie bei Moränen und Gletschertischen
werden nur an der Oberfläche erhitzt, ohne die aufgenommene Wärme
so weit in ihrem Innern nach unten fortpflanzen zu können,
daß dadurch eine Schmelzung des unterliegenden Eises herbeige¬
führt würde.

Zu den Moränen und Gletschertischen gesellt sich endlich noch
eine dritte verwandte Erscheinung, welche uns beim Besuche eines
solchen Eismeeres auffällt: die Schuttkegel und Sandhügel. Sie
entstehen einfach dadurch, daß bei lebhafter Schmelzung der Gletscher-
Oberfläche, Steinchen, Grien und Geröllschlamm von den Schmelz¬
bächen zusammengeschwemmt werden, so daß sie kleine Alluvial-

Der Gletſcher.

In auffallendem Gegenſatze zu dieſen, über das Gletſcher-
Niveau emporgehobenen, großen Felstrümmern und der früher er¬
wähnten, gleichſam ausſtoßenden Kraft der Gletſcher, ſteht das
Einſinken kleinerer Gegenſtände in das Eis. Wir finden dürre,
vom Winde heraufgewehte Laubblätter, todte Schmetterlinge und
Käfer oder kleine Steine auf dem Gletſcher, die 1 bis 1½ Zoll
tief in das Eis eingeſunken ſind. Daß dieſelben nicht eingebacken
in den Firn aus den Höhen heruntergebracht und hier erſt wieder
an die Oberfläche befördert wurden, beweiſen die ſcharfen Konturen
des nach oben offenen Loches, welche ganz genau den Umriſſen
des fraglichen Gegenſtandes entſprechen. So ſehr nun dieſe Thatſache
den anderen Erſcheinungen widerſpricht, ſo erklärlich iſt dieſelbe. Be¬
kanntlich nehmen Körper je nach ihrer mehr oder minder dunklen
Färbung ein größeres oder kleineres Wärme-Quantum auf; ſchwarze
Körper am Meiſten. Es iſt alſo begreiflich, daß die Inſolation
oder Sonnenſtrahlung auf ſolche dunkle Gegenſtände draſtiſcher ein¬
wirkt als auf das weiße, die Sonnenſtrahlen zurückſtoßende Eis
und dieſe Körper in Folge größerer Menge aufgenommener Wärme,
dieſe gegen das unter- und um-liegende Eis ausſtrahlen, alſo
dadurch Abſchmelzung verurſachen. Ebendeshalb, weil die Gegen¬
ſtände klein ſind, werden ſie ganz von der Sonnenwärme durch¬
drungen; große Felſenplatten wie bei Moränen und Gletſchertiſchen
werden nur an der Oberfläche erhitzt, ohne die aufgenommene Wärme
ſo weit in ihrem Innern nach unten fortpflanzen zu können,
daß dadurch eine Schmelzung des unterliegenden Eiſes herbeige¬
führt würde.

Zu den Moränen und Gletſchertiſchen geſellt ſich endlich noch
eine dritte verwandte Erſcheinung, welche uns beim Beſuche eines
ſolchen Eismeeres auffällt: die Schuttkegel und Sandhügel. Sie
entſtehen einfach dadurch, daß bei lebhafter Schmelzung der Gletſcher-
Oberfläche, Steinchen, Grien und Geröllſchlamm von den Schmelz¬
bächen zuſammengeſchwemmt werden, ſo daß ſie kleine Alluvial-

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[232/0264] Der Gletſcher. In auffallendem Gegenſatze zu dieſen, über das Gletſcher- Niveau emporgehobenen, großen Felstrümmern und der früher er¬ wähnten, gleichſam ausſtoßenden Kraft der Gletſcher, ſteht das Einſinken kleinerer Gegenſtände in das Eis. Wir finden dürre, vom Winde heraufgewehte Laubblätter, todte Schmetterlinge und Käfer oder kleine Steine auf dem Gletſcher, die 1 bis 1½ Zoll tief in das Eis eingeſunken ſind. Daß dieſelben nicht eingebacken in den Firn aus den Höhen heruntergebracht und hier erſt wieder an die Oberfläche befördert wurden, beweiſen die ſcharfen Konturen des nach oben offenen Loches, welche ganz genau den Umriſſen des fraglichen Gegenſtandes entſprechen. So ſehr nun dieſe Thatſache den anderen Erſcheinungen widerſpricht, ſo erklärlich iſt dieſelbe. Be¬ kanntlich nehmen Körper je nach ihrer mehr oder minder dunklen Färbung ein größeres oder kleineres Wärme-Quantum auf; ſchwarze Körper am Meiſten. Es iſt alſo begreiflich, daß die Inſolation oder Sonnenſtrahlung auf ſolche dunkle Gegenſtände draſtiſcher ein¬ wirkt als auf das weiße, die Sonnenſtrahlen zurückſtoßende Eis und dieſe Körper in Folge größerer Menge aufgenommener Wärme, dieſe gegen das unter- und um-liegende Eis ausſtrahlen, alſo dadurch Abſchmelzung verurſachen. Ebendeshalb, weil die Gegen¬ ſtände klein ſind, werden ſie ganz von der Sonnenwärme durch¬ drungen; große Felſenplatten wie bei Moränen und Gletſchertiſchen werden nur an der Oberfläche erhitzt, ohne die aufgenommene Wärme ſo weit in ihrem Innern nach unten fortpflanzen zu können, daß dadurch eine Schmelzung des unterliegenden Eiſes herbeige¬ führt würde. Zu den Moränen und Gletſchertiſchen geſellt ſich endlich noch eine dritte verwandte Erſcheinung, welche uns beim Beſuche eines ſolchen Eismeeres auffällt: die Schuttkegel und Sandhügel. Sie entſtehen einfach dadurch, daß bei lebhafter Schmelzung der Gletſcher- Oberfläche, Steinchen, Grien und Geröllſchlamm von den Schmelz¬ bächen zuſammengeſchwemmt werden, ſo daß ſie kleine Alluvial-

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Zitationshilfe: Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berlepsch_alpen_1861/264>, abgerufen am 24.11.2024.