Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871.Eine Rebell-Novelle . hier weniger darum, bequem über den Zaun zu kommen, als durchAuffindung des gewöhnlichen Ueberganges uns des rechten Weges zu versichern, welcher, nach der wiederholten Aussage meines Füh¬ rers, dann gar nicht mehr zu verfehlen sei, wenn wir ungefähr noch zehn Minuten hinter uns hätten. Durch das wiederholte Hin- und Hergehen an dem Hag hatten wir auch den Punkt verloren, wo wir zuerst angelangt waren, und die Nacht rückte immer ent¬ schiedener heran, je mehr Zeit wir mit Suchen versäumten. Noch¬ mals eine tüchtige Strecke links bergan! aber keine Spur dessen, was wir suchten; wiederum rechts bergab durch den dunkelgrauen Nebel, und zwar im beeilten Avancirschritt, aber eben so vergeb¬ lich; noch weiter hinab, -- es fing an steil und sehr abschüssig zu werden, -- immer nichts. Mein Führer, dem das Ding selbst nicht gleichgültig war, entsandte einige Hilfssignale in Form lang¬ angehaltener helljohlender Jauchzer; -- aber keine Antwort. Er wiederholte seine Anstrengungen aus einer anderen Tonart, mit einem Aufwand aller seiner jodelnden Liebenswürdigkeit, so alpin, als ob er in der übermüthigsten allerheitersten Seelenstimmung sei, aber eben so vergeblich als vorher. Trotzdem, daß mir unsere Lage selbst einige Besorgniß zu erwecken anfing, konnte ich dennoch das Lachen nicht unterdrücken über diese von der Verlegenheit und Angst erpreßte, gezwungene Heiterkeit. Was nun thun? "Bergab müssen wir noch, nicht wahr?" -- "Ja wohl, Herr! Eine Rebell-Novelle . hier weniger darum, bequem über den Zaun zu kommen, als durchAuffindung des gewöhnlichen Ueberganges uns des rechten Weges zu verſichern, welcher, nach der wiederholten Ausſage meines Füh¬ rers, dann gar nicht mehr zu verfehlen ſei, wenn wir ungefähr noch zehn Minuten hinter uns hätten. Durch das wiederholte Hin- und Hergehen an dem Hag hatten wir auch den Punkt verloren, wo wir zuerſt angelangt waren, und die Nacht rückte immer ent¬ ſchiedener heran, je mehr Zeit wir mit Suchen verſäumten. Noch¬ mals eine tüchtige Strecke links bergan! aber keine Spur deſſen, was wir ſuchten; wiederum rechts bergab durch den dunkelgrauen Nebel, und zwar im beeilten Avancirſchritt, aber eben ſo vergeb¬ lich; noch weiter hinab, — es fing an ſteil und ſehr abſchüſſig zu werden, — immer nichts. Mein Führer, dem das Ding ſelbſt nicht gleichgültig war, entſandte einige Hilfsſignale in Form lang¬ angehaltener helljohlender Jauchzer; — aber keine Antwort. Er wiederholte ſeine Anſtrengungen aus einer anderen Tonart, mit einem Aufwand aller ſeiner jodelnden Liebenswürdigkeit, ſo alpin, als ob er in der übermüthigſten allerheiterſten Seelenſtimmung ſei, aber eben ſo vergeblich als vorher. Trotzdem, daß mir unſere Lage ſelbſt einige Beſorgniß zu erwecken anfing, konnte ich dennoch das Lachen nicht unterdrücken über dieſe von der Verlegenheit und Angſt erpreßte, gezwungene Heiterkeit. Was nun thun? „Bergab müſſen wir noch, nicht wahr?“ — „Ja wohl, Herr! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0155" n="127"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#fr #g">Eine Rebell-Novelle</hi><hi rendition="#g">.</hi><lb/></fw> hier weniger darum, bequem über den Zaun zu kommen, als durch<lb/> Auffindung des gewöhnlichen Ueberganges uns des rechten Weges<lb/> zu verſichern, welcher, nach der wiederholten Ausſage meines Füh¬<lb/> rers, dann gar nicht mehr zu verfehlen ſei, wenn wir ungefähr<lb/> noch zehn Minuten hinter uns hätten. Durch das wiederholte Hin-<lb/> und Hergehen an dem Hag hatten wir auch den Punkt verloren,<lb/> wo wir zuerſt angelangt waren, und die Nacht rückte immer ent¬<lb/> ſchiedener heran, je mehr Zeit wir mit Suchen verſäumten. Noch¬<lb/> mals eine tüchtige Strecke links bergan! aber keine Spur deſſen,<lb/> was wir ſuchten; wiederum rechts bergab durch den dunkelgrauen<lb/> Nebel, und zwar im beeilten Avancirſchritt, aber eben ſo vergeb¬<lb/> lich; noch weiter hinab, — es fing an ſteil und ſehr abſchüſſig zu<lb/> werden, — immer nichts. Mein Führer, dem das Ding ſelbſt<lb/> nicht gleichgültig war, entſandte einige Hilfsſignale in Form lang¬<lb/> angehaltener helljohlender Jauchzer; — aber keine Antwort. Er<lb/> wiederholte ſeine Anſtrengungen aus einer anderen Tonart, mit<lb/> einem Aufwand aller ſeiner jodelnden Liebenswürdigkeit, ſo alpin,<lb/> als ob er in der übermüthigſten allerheiterſten Seelenſtimmung ſei,<lb/> aber eben ſo vergeblich als vorher. Trotzdem, daß mir unſere<lb/> Lage ſelbſt einige Beſorgniß zu erwecken anfing, konnte ich dennoch<lb/> das Lachen nicht unterdrücken über dieſe von der Verlegenheit und<lb/> Angſt erpreßte, gezwungene Heiterkeit. Was nun thun?</p><lb/> <p>„Bergab müſſen wir noch, nicht wahr?“ — „Ja wohl, Herr!<lb/> nach meiner Berechnung iſts keine Viertelſtunde mehr bis zum<lb/> Hongrinbach, über den eine Brücke führt, und da iſts ein breiter<lb/> durch den Wald führender Weg!“ — „Gut! alſo nicht lange be¬<lb/> ſonnen! wir durchbrechen den Hag, halten uns, indem wir bergab<lb/> ſteigen, weder allzu links, noch allzu rechts, und wenn wir am Hon¬<lb/> grinbache ankommen, folgen wir dem Laufe deſſelben ſo lange, bis<lb/> er uns zum Brückli führt! Meinet Ihr nicht auch?“ — Nach<lb/> einiger Zögerung willigte mein Führer in dieſen Vorſchlag, als<lb/> das unter den obwaltenden Umſtänden einzige Mittel, um zum<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [127/0155]
Eine Rebell-Novelle .
hier weniger darum, bequem über den Zaun zu kommen, als durch
Auffindung des gewöhnlichen Ueberganges uns des rechten Weges
zu verſichern, welcher, nach der wiederholten Ausſage meines Füh¬
rers, dann gar nicht mehr zu verfehlen ſei, wenn wir ungefähr
noch zehn Minuten hinter uns hätten. Durch das wiederholte Hin-
und Hergehen an dem Hag hatten wir auch den Punkt verloren,
wo wir zuerſt angelangt waren, und die Nacht rückte immer ent¬
ſchiedener heran, je mehr Zeit wir mit Suchen verſäumten. Noch¬
mals eine tüchtige Strecke links bergan! aber keine Spur deſſen,
was wir ſuchten; wiederum rechts bergab durch den dunkelgrauen
Nebel, und zwar im beeilten Avancirſchritt, aber eben ſo vergeb¬
lich; noch weiter hinab, — es fing an ſteil und ſehr abſchüſſig zu
werden, — immer nichts. Mein Führer, dem das Ding ſelbſt
nicht gleichgültig war, entſandte einige Hilfsſignale in Form lang¬
angehaltener helljohlender Jauchzer; — aber keine Antwort. Er
wiederholte ſeine Anſtrengungen aus einer anderen Tonart, mit
einem Aufwand aller ſeiner jodelnden Liebenswürdigkeit, ſo alpin,
als ob er in der übermüthigſten allerheiterſten Seelenſtimmung ſei,
aber eben ſo vergeblich als vorher. Trotzdem, daß mir unſere
Lage ſelbſt einige Beſorgniß zu erwecken anfing, konnte ich dennoch
das Lachen nicht unterdrücken über dieſe von der Verlegenheit und
Angſt erpreßte, gezwungene Heiterkeit. Was nun thun?
„Bergab müſſen wir noch, nicht wahr?“ — „Ja wohl, Herr!
nach meiner Berechnung iſts keine Viertelſtunde mehr bis zum
Hongrinbach, über den eine Brücke führt, und da iſts ein breiter
durch den Wald führender Weg!“ — „Gut! alſo nicht lange be¬
ſonnen! wir durchbrechen den Hag, halten uns, indem wir bergab
ſteigen, weder allzu links, noch allzu rechts, und wenn wir am Hon¬
grinbache ankommen, folgen wir dem Laufe deſſelben ſo lange, bis
er uns zum Brückli führt! Meinet Ihr nicht auch?“ — Nach
einiger Zögerung willigte mein Führer in dieſen Vorſchlag, als
das unter den obwaltenden Umſtänden einzige Mittel, um zum
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