haben. "Mit welcher Wonne begrüßt dann der müde, keuchende Wan¬ derer den ersten Alpenrosenstrauch und eilt trotz aller Erschöpfung im Fluge zu dem Felsen empor, von dem die Röschen ihm die lächelnden Grüße der Alpennatur zuwinken; wie oft begleiten sie ihn mit ihrer ewigen Anmuth mitleidig durch lange Felsenlaby¬ rinthe und verkünden ihm Leben und volles Genüge in einer öden Welt von grausenhaften Steintrümmern. Ueberall gleich reizend dekorirt die Alpenrose tausendfältig das tausendfältig wechselnde Land ihrer Heimath und glüht bald als einzelne Rosenflamme über dem zischenden Sturz des Eisbaches, bald überzieht sie die ganze Fläche des Berges, der sich mit seinem Purpurteppich im Spiegel des Alpsees malt, oder streut ihre Blüthen gesellig in den vielfarbigen Flor der Alpen." (Tschudi.)
In den Alpen giebt es nur zwei Formen einer Species. Die verbreitetste und bis zu den Höhen von 6500 Fuß über dem Meere an¬ steigende ist die rostfarbene (Rhod. ferrugineum, -- romanisch Flur bella), deshalb so genannt, weil die länglich lanzettförmigen, dun¬ kelgrünglänzenden, lederartig derben Laubblätter auf der unteren Seite dicht mit einzeln kaum erkennbaren, rostbraunen Drüsen¬ pünktchen übersäet sind, die derselben ein tief okerfarbenes, mit¬ unter sogar kaffeebraunes Ansehen verleihen. Dies sind die vor¬ jährigen, also überwinterten Blätter, welche an der Kehrseite so ge¬ bräunt erscheinen; die jungen heurigen, weichen Blättchen lachen leuchtend an den Zweigspitzen im jubelndsten Maigrün und kon¬ trastiren durch diese Farbenfrische bis zur Sommerneige ungemein hebend gegen den gesetzten Ernst der älteren. Erst im Herbst schwindet das brausend-jugendliche Ansehen, und die Rückseite über¬ zieht ein lichter goldiger Anflug. -- Die andere Form, der ge¬ franzte Alpenbalsam (Rhododendron hirsutum), hat gewim¬ perte, d. h. am Rande mit oft langen, weißen Härchen besetzte, mehr eirund geformte Laubblätter, die meist oben und unten gleich grün sind, doch auch bisweilen an der Kehrseite mit hellbraunen
Alpenroſe.
haben. „Mit welcher Wonne begrüßt dann der müde, keuchende Wan¬ derer den erſten Alpenroſenſtrauch und eilt trotz aller Erſchöpfung im Fluge zu dem Felſen empor, von dem die Röschen ihm die lächelnden Grüße der Alpennatur zuwinken; wie oft begleiten ſie ihn mit ihrer ewigen Anmuth mitleidig durch lange Felſenlaby¬ rinthe und verkünden ihm Leben und volles Genüge in einer öden Welt von grauſenhaften Steintrümmern. Ueberall gleich reizend dekorirt die Alpenroſe tauſendfältig das tauſendfältig wechſelnde Land ihrer Heimath und glüht bald als einzelne Roſenflamme über dem ziſchenden Sturz des Eisbaches, bald überzieht ſie die ganze Fläche des Berges, der ſich mit ſeinem Purpurteppich im Spiegel des Alpſees malt, oder ſtreut ihre Blüthen geſellig in den vielfarbigen Flor der Alpen.“ (Tſchudi.)
In den Alpen giebt es nur zwei Formen einer Species. Die verbreitetſte und bis zu den Höhen von 6500 Fuß über dem Meere an¬ ſteigende iſt die roſtfarbene (Rhod. ferrugineum, — romaniſch Flur bella), deshalb ſo genannt, weil die länglich lanzettförmigen, dun¬ kelgrünglänzenden, lederartig derben Laubblätter auf der unteren Seite dicht mit einzeln kaum erkennbaren, roſtbraunen Drüſen¬ pünktchen überſäet ſind, die derſelben ein tief okerfarbenes, mit¬ unter ſogar kaffeebraunes Anſehen verleihen. Dies ſind die vor¬ jährigen, alſo überwinterten Blätter, welche an der Kehrſeite ſo ge¬ bräunt erſcheinen; die jungen heurigen, weichen Blättchen lachen leuchtend an den Zweigſpitzen im jubelndſten Maigrün und kon¬ traſtiren durch dieſe Farbenfriſche bis zur Sommerneige ungemein hebend gegen den geſetzten Ernſt der älteren. Erſt im Herbſt ſchwindet das brauſend-jugendliche Anſehen, und die Rückſeite über¬ zieht ein lichter goldiger Anflug. — Die andere Form, der ge¬ franzte Alpenbalſam (Rhododendron hirsutum), hat gewim¬ perte, d. h. am Rande mit oft langen, weißen Härchen beſetzte, mehr eirund geformte Laubblätter, die meiſt oben und unten gleich grün ſind, doch auch bisweilen an der Kehrſeite mit hellbraunen
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Alpenroſe.
haben. „Mit welcher Wonne begrüßt dann der müde, keuchende Wan¬
derer den erſten Alpenroſenſtrauch und eilt trotz aller Erſchöpfung
im Fluge zu dem Felſen empor, von dem die Röschen ihm die
lächelnden Grüße der Alpennatur zuwinken; wie oft begleiten ſie
ihn mit ihrer ewigen Anmuth mitleidig durch lange Felſenlaby¬
rinthe und verkünden ihm Leben und volles Genüge in einer öden
Welt von grauſenhaften Steintrümmern. Ueberall gleich reizend
dekorirt die Alpenroſe tauſendfältig das tauſendfältig wechſelnde
Land ihrer Heimath und glüht bald als einzelne Roſenflamme
über dem ziſchenden Sturz des Eisbaches, bald überzieht ſie die
ganze Fläche des Berges, der ſich mit ſeinem Purpurteppich im
Spiegel des Alpſees malt, oder ſtreut ihre Blüthen geſellig in den
vielfarbigen Flor der Alpen.“ (Tſchudi.)
In den Alpen giebt es nur zwei Formen einer Species. Die
verbreitetſte und bis zu den Höhen von 6500 Fuß über dem Meere an¬
ſteigende iſt die roſtfarbene (Rhod. ferrugineum, — romaniſch Flur
bella), deshalb ſo genannt, weil die länglich lanzettförmigen, dun¬
kelgrünglänzenden, lederartig derben Laubblätter auf der unteren
Seite dicht mit einzeln kaum erkennbaren, roſtbraunen Drüſen¬
pünktchen überſäet ſind, die derſelben ein tief okerfarbenes, mit¬
unter ſogar kaffeebraunes Anſehen verleihen. Dies ſind die vor¬
jährigen, alſo überwinterten Blätter, welche an der Kehrſeite ſo ge¬
bräunt erſcheinen; die jungen heurigen, weichen Blättchen lachen
leuchtend an den Zweigſpitzen im jubelndſten Maigrün und kon¬
traſtiren durch dieſe Farbenfriſche bis zur Sommerneige ungemein
hebend gegen den geſetzten Ernſt der älteren. Erſt im Herbſt
ſchwindet das brauſend-jugendliche Anſehen, und die Rückſeite über¬
zieht ein lichter goldiger Anflug. — Die andere Form, der ge¬
franzte Alpenbalſam (Rhododendron hirsutum), hat gewim¬
perte, d. h. am Rande mit oft langen, weißen Härchen beſetzte,
mehr eirund geformte Laubblätter, die meiſt oben und unten gleich
grün ſind, doch auch bisweilen an der Kehrſeite mit hellbraunen
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Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berlepsch_alpen_1861/127>, abgerufen am 16.02.2025.
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