Bestände trifft man allenthalben in den Kalkalpen bei einer Höhe von 5000 Fuß und darüber.
Die Legföhre ist endlich durchaus kein schlechtes Strauchwerk oder forstwirthschaftliches Unkraut; sie ist eine höchst nützliche, kon¬ servirende Schutzpflanze, ein kerniger Damm gegen die destruiren¬ den Tendenzen der Alpverwilderung. Was der Mensch durch Bannwälder und ähnliche Defensivmittel zu erstreben bemüht ist, besorgt sie naturgemäß von sich aus. Ohne Legföhren existirte manche kräftige, saftreiche, kräuterüppige Alpmatte nicht mehr; los¬ gebröckeltes Steingeröll und Bergschutt hätten schon manche Alp zerstört. Ihr zähes Flechtwerk nimmt im Herbste die ersten aus der Atmosphäre niederfallenden Schneeladungen in seine Gesträuchs¬ maschen auf und bindet dadurch allen später fallenden Schnee an die geneigte Fläche; so verhindert sie positiv das Anbrechen von Grundlauinen und aller durch diese herbeigeführten Verheerungen. Ebenso vereitelt sie energisch die Bildung von Rüffen und Stein¬ schlägen, und fängt als natürliches Faschinenverhau alle niederrol¬ lenden Felsablösungen auf. Sie läßt ferner den wildesten Schlag¬ regen, die furchtbarsten Gewittergüsse nur wie ein regulirendes Filtrum durch und trägt dadurch außerordentlich zur Vermehrung guter anhaltender Quellen und zur Erhaltung tieferliegender Rasen¬ halden bei; -- und endlich begünstigt sie unter sicherem Schutz die Humusbildung durch das abgefallene Genadel in hohem Grade.
Bis in die jüngste Zeit achtete man die Legföhre lediglich um dieses indirekten Nutzens willen; -- höchstens daß der Aelpler sich für seine Sennhütte etwas Brennmaterial aus derselben verschaffte. Neuerdings haben aber Holzmangel und rationelle Waldwirthschaft den Werth dieses Waldwuchses gesteigert, und jetzt durchforstet man dieselben ebenso wie eigentliche Wälder. Die Brennkraft des Hol¬ zes kommt dem der Buche fast gleich, und die daraus gewonnenen Kohlen werden sehr geschätzt.
Legföhren.
Beſtände trifft man allenthalben in den Kalkalpen bei einer Höhe von 5000 Fuß und darüber.
Die Legföhre iſt endlich durchaus kein ſchlechtes Strauchwerk oder forſtwirthſchaftliches Unkraut; ſie iſt eine höchſt nützliche, kon¬ ſervirende Schutzpflanze, ein kerniger Damm gegen die deſtruiren¬ den Tendenzen der Alpverwilderung. Was der Menſch durch Bannwälder und ähnliche Defenſivmittel zu erſtreben bemüht iſt, beſorgt ſie naturgemäß von ſich aus. Ohne Legföhren exiſtirte manche kräftige, ſaftreiche, kräuterüppige Alpmatte nicht mehr; los¬ gebröckeltes Steingeröll und Bergſchutt hätten ſchon manche Alp zerſtört. Ihr zähes Flechtwerk nimmt im Herbſte die erſten aus der Atmoſphäre niederfallenden Schneeladungen in ſeine Geſträuchs¬ maſchen auf und bindet dadurch allen ſpäter fallenden Schnee an die geneigte Fläche; ſo verhindert ſie poſitiv das Anbrechen von Grundlauinen und aller durch dieſe herbeigeführten Verheerungen. Ebenſo vereitelt ſie energiſch die Bildung von Rüffen und Stein¬ ſchlägen, und fängt als natürliches Faſchinenverhau alle niederrol¬ lenden Felsablöſungen auf. Sie läßt ferner den wildeſten Schlag¬ regen, die furchtbarſten Gewittergüſſe nur wie ein regulirendes Filtrum durch und trägt dadurch außerordentlich zur Vermehrung guter anhaltender Quellen und zur Erhaltung tieferliegender Raſen¬ halden bei; — und endlich begünſtigt ſie unter ſicherem Schutz die Humusbildung durch das abgefallene Genadel in hohem Grade.
Bis in die jüngſte Zeit achtete man die Legföhre lediglich um dieſes indirekten Nutzens willen; — höchſtens daß der Aelpler ſich für ſeine Sennhütte etwas Brennmaterial aus derſelben verſchaffte. Neuerdings haben aber Holzmangel und rationelle Waldwirthſchaft den Werth dieſes Waldwuchſes geſteigert, und jetzt durchforſtet man dieſelben ebenſo wie eigentliche Wälder. Die Brennkraft des Hol¬ zes kommt dem der Buche faſt gleich, und die daraus gewonnenen Kohlen werden ſehr geſchätzt.
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Legföhren.
Beſtände trifft man allenthalben in den Kalkalpen bei einer Höhe
von 5000 Fuß und darüber.
Die Legföhre iſt endlich durchaus kein ſchlechtes Strauchwerk
oder forſtwirthſchaftliches Unkraut; ſie iſt eine höchſt nützliche, kon¬
ſervirende Schutzpflanze, ein kerniger Damm gegen die deſtruiren¬
den Tendenzen der Alpverwilderung. Was der Menſch durch
Bannwälder und ähnliche Defenſivmittel zu erſtreben bemüht iſt,
beſorgt ſie naturgemäß von ſich aus. Ohne Legföhren exiſtirte
manche kräftige, ſaftreiche, kräuterüppige Alpmatte nicht mehr; los¬
gebröckeltes Steingeröll und Bergſchutt hätten ſchon manche Alp
zerſtört. Ihr zähes Flechtwerk nimmt im Herbſte die erſten aus
der Atmoſphäre niederfallenden Schneeladungen in ſeine Geſträuchs¬
maſchen auf und bindet dadurch allen ſpäter fallenden Schnee an
die geneigte Fläche; ſo verhindert ſie poſitiv das Anbrechen von
Grundlauinen und aller durch dieſe herbeigeführten Verheerungen.
Ebenſo vereitelt ſie energiſch die Bildung von Rüffen und Stein¬
ſchlägen, und fängt als natürliches Faſchinenverhau alle niederrol¬
lenden Felsablöſungen auf. Sie läßt ferner den wildeſten Schlag¬
regen, die furchtbarſten Gewittergüſſe nur wie ein regulirendes
Filtrum durch und trägt dadurch außerordentlich zur Vermehrung
guter anhaltender Quellen und zur Erhaltung tieferliegender Raſen¬
halden bei; — und endlich begünſtigt ſie unter ſicherem Schutz
die Humusbildung durch das abgefallene Genadel in hohem Grade.
Bis in die jüngſte Zeit achtete man die Legföhre lediglich um
dieſes indirekten Nutzens willen; — höchſtens daß der Aelpler ſich
für ſeine Sennhütte etwas Brennmaterial aus derſelben verſchaffte.
Neuerdings haben aber Holzmangel und rationelle Waldwirthſchaft
den Werth dieſes Waldwuchſes geſteigert, und jetzt durchforſtet man
dieſelben ebenſo wie eigentliche Wälder. Die Brennkraft des Hol¬
zes kommt dem der Buche faſt gleich, und die daraus gewonnenen
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Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berlepsch_alpen_1861/122>, abgerufen am 04.05.2024.
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